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Die Katastrophe von Rambow

Die Geologen Ulrich Schneider und Prof. Klaus Duphorn wiesen bereits vor Jahren darauf hin, dass eine Gasexplosion Ende der 60er Jahre bei Lenzen ein Grund ist, an der Eignung des Gorlebener Salzstocks zu zweifeln. Nun hat die LINKE im Bundestag Archive durchforscht und neue Details herausgefunden.

Nach über 40 Jahren kommen jetzt Details und Hintergründe der Bohrturmexplosion von Lenzen, am 25. Juli 1969, an die Öffentlichkeit. Welche Bedeutung diese bis heute geheim gehaltenen Unterlagen für Langzeitsicherheit des geplanten Atommüllendlagers Gorleben haben werden, soll auf Wunsch der Oppositionsparteien der „Gorleben Untersuchungsausschuss des Bundestages“ klären. Sollte dies nicht gelingen, so wird dies spätestens vor Gericht geklärt werden.

„Auf jeden Fall dürfen die Arbeiten in Gorleben nicht wieder aufgenommen werden, bevor die Bedeutung der geheimen DDR-Akten für die Eignung Gorlebens nicht restlos geklärt ist !“, so fordert Dorotheé Menzner, die Obfrau der LINKEN im Untersuchungsausschuss. Menzner hatte mit ihrer Nachfrage nach Unterlagen zum Bohrunglück bei Lenzen beim Bergamt Stralsund den Stein ins Rolle gebracht. – Dass diese Akten noch heute, nach über 40 Jahren, geheim gehalten werden, hat selbst sie verblüfft. Doch in den vergangenen 2 Monaten haben Menzner und ihre Mitarbeiter so viele Tatsachen zu Tage gefördert, dass eine weitere Geheimhaltung jetzt nicht mehr möglich ist und spätestens durch Beschlüsse des Untersuchungsausschusses alles auf den Tisch kommen wird.

Die Bohrakte E-Rambow 12/69 von Stralsund ...

Befand sich nur durch Zufall in Stralsund. Eigentlich hätte sie bei der oberen Bergbehörde in Staßfurt gelegen und wäre dort wie viele andere Akten in der Wendezeit vernichtet worden. Nun lag sie immer noch in Stralsund, obwohl Lenzen seit 20 Jahren zu Brandenburg gehört und die Akte jetzt endlich, nach dem Wiederauffinden, nach Cottbus geschickt werden sollte.

Doch zuvor gelang es die Akte einzusehen und einige Notizen zu machen. – Über die Gasexplosion am 25. Juli 1969, ihre Ursache und Folgen steht in diesem Bericht kein Wort. Dies ist wahrscheinlich den STASI-Akten vorbehalten, denn neben der geheimen Rohstoffsuche befand sich der Bohrturm zusätzlich im Grenz-Sperrgebiet, nur etwa 1 km von der Elbe entfernt. Dafür sind in der Akte alle geologischen und bohrtechnischen Daten genau festgehalten.

92 Meter vor der geplanten Endteufe wurde in 3.347,7 m Tiefe das Carbonat, der Gas-Laugen-Horizont angebohrt. Mit einem Druck von über 600 bar schoss das Gas-Gasolin-Laugengemisch nach oben und führte zur Eruption, deren schwerwiegende Folgen hier nicht beschrieben wurden.

Fest steht, dass die Bohrung noch mitten im Salz steckte und nicht im sogenannten Rotliegenden darunter, wo das Gas erwartet wurde. Fest steht auch die genaue geologische Schichtenfolge, die mit dicken Anhydritschichten durchsetzt ist, die wahrscheinlich für das Aufsteigen des Erdgases im Salz gesorgt haben. Die Temperatur liegt dort unten immerhin auch bei 110 bis 120 Grad.

Wie aus der Bohrakte hervor geht, konnte die gescheiterte Bohrung anschließend nicht ordnungsgemäß verfüllt werden. Und es ist zu erfahren, dass auch die vorhergehende Bohrung 11/68 in etwa gleicher Tiefe ca. 400 m weiter östlich, ebenfalls mitten im Salzstock an den gleichen unbeherrschbaren Bedingungen gescheitert ist und ebenfalls nicht richtig verfüllt worden ist.

Schatzsucher heißt das Buch des Vereins „Erdöl und Heimat“ Reinkenhagen. Die ehemaligen Bohrarbeiter und Geologen des früheren „Grimmener Erdölbetriebes“ „VEB Erdöl und Erdgas“ haben diesen Verein gegründet und an ihrem ersten Firmensitz in Reinkenhagen bei Stralsund haben sie das „Erdölmuseum Reinkenhagen“ eingerichtet. In ihrer über 300 Seiten starken „Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“ haben sie das Geheimnis um die Explosion von Rambow 2007 erstmals gelüftet. Auf 10 Seiten beschreiben sie präzise und mit Detailfotos „Die Katastrophe von Rambow am 25. Juli 1969 – dem schwärzesten Tag in der Geschichte des Industriezweigs Erdöl- Erdgas“.

Ein bisschen erinnert die Beschreibung an die BP-Katastrophe von Mexiko, denn auch in Lenzen wurden elementare Sicherheitsvorschriften missachtet und bis zuletzt versucht, trotz Gasalarmes, die Bohrung zu retten. Schließlich entzündete sich das Gas-Gasolin-Salzlaugengemisch am glühenden Auspuff eines Antriebsmotors und explodierte. Die Folge: der Bohrstellenleiter verstarb noch am Unfallort, weitere 6 Bohrarbeiter wurden schwer verletzt. Der Bohrstellenleiter der Nachbarbohrung U. Fischer berichtet:“ Die Hitze war unvorstellbar. In den Wagen schmolzen die Glasscheiben. In der Schmiede explodierten Gasflaschen. Die Kastenprofil des Bohrgerüstes verformten sich zu aufgeblasenen Luftballons.“

Augenzeuge Horst Möhring aus Lenzen berichtet für MONITOR

In Lenzen gibt es eine ganze Reihe von Augenzeugen, u.a. einen der damalige Bohrarbeiter von der Nachbarbohrplattform 11a/69. Am genauesten kann sich jedoch Horst Möhring erinnern. Er war damals mit dem Motorrad in Lenzen unterwegs, als er die Detonation vernahm. Vor der Kamera des Politfernsehmagazins Monitor sagte Möhring, jetzt 71 Jahre alt, er sei sofort zum Bohrturm gefahren. Da sein Hof 400 m entfernt im Sperrgebiet lag, war der nächste Anwohner.

Er konnte noch von weitem sehen, wie sich einige Bohrleute über die Stahlseile retteten. Sie waren verbrannt und hatten kaum noch Fleisch an den Händen. Die Rettungseinheiten waren schnell vor Ort, alle wurden nach Ludwigslust ins Krankenhaus gebracht. Die Hitze war so stark, das sie bis zum Haus zu spüren war und sie 8 Tage Angst um Haus und Hof hatten. Es war den 250 Feuerwehrleuten nicht möglich den Brand zu löschen. Der Bohrturm war schon nach kurzer Zeit zusammen gebrochen. Nachdem sich die Bohrung durch auskristallisiertes Salz zugesetzt hatte, gelang es eine Gasfackel anzuschließen, die nach Erinnerung von Möhring noch bis in den November hinein brannte.

Möhring war jahrelang LPG-Vorsitzender in den Lenzener Wischen und hat bis vor wenigen Jahren auch die heutige Genossenschaft geführt. Er berichtet auch von einer Trinkwasserbrunnenbohrung auf seinem Hof, die bereits in 47 Tiefe scheiterte. Ihm kam eine warme, artesische Solequelle entgegen. Nur mit großer Mühe und für über 80.000 DM bekam er die Bohrung wieder verschlossen. Und nach seinen Aussagen legten die Behörden größten Wert auf einen guten Verschluss, denn in Lenzen lebten sie alle mit der Ungewissheit, ob Lenzen nicht auch irgendwann im See verschwindet, wenn das Salz im Untergrund weiter ausgewaschen wird. Schließlich sei der Rudower See in Lenzen vor 13.000 Jahren auf die gleiche Weise entstanden. Und von Einbruchtrichtern mit verschwundenen Menschen hatte er in der Umgebung noch vor wenigen Jahrzehnten gehört.

Prof. Duphorn zu Lenzen im Gorleben Untersuchungsausschuss

Prof. Klaus Duphorn, Geologe aus Kiel war bereits vor Bekanntwerden der Geheimakten über die Bohrturmexplosion von Lenzen beunruhigt. Von einem befreundeten Geologen aus Schwerin hatte Duphorn nach dessen Tod seine geologischen Akten vermacht bekommen. Durch die neuen Aktenfunde wurden seine damaligen Befürchtungen nun zur Gewissheit. „Wenn bereits in 3.300 m Tiefe im Salzstock größere Gas-Gasolin-Gemische anstanden, dann bedeutet dies für ein Atommülllager in diesem Salzstock den Todesstoß. Durch die jetzt bekannt gewordenen Bohrprotokolle wird zudem belegt, dass sowohl im geplanten Einlagerungshorizont zwischen 800 und 1200 m Tiefe, als auch im Bereich bis über 3.000 m Tiefe, dicke, zerklüftete Anhydritschichten für eine Durchlässigkeit von Wasser und Lauge, als auch Gasen und flüssigen Kohlenwasserstoffen sorgen können. Damit ist das geplante Atommülllager durch Gebirgsschlag gefährdet.“

Der Salzstock Wustrow ist ein warnendes Beispiel

Der Kulturhistoriker Ulrich Reiff hat bei seiner Arbeit zum Thema „Kali und Leinen“ im Wustrower Museum von den Schlagwettergefahren beim Kaibergbau in Wustrow berichtet. Im Salzstock Wustrow war vor etwa 100 Jahren mit dem Kalibergbau begonnen worden. Doch die industrielle Blüte von Wustrow war von kurzer Dauer. Bereits 1913 kam es zu heftigen Schlagwetterausbrüchen. Obwohl bei Wustrow eine der mächtigsten Kalilagerstätten Deutschlands aufgeschlossen worden war, wurde nach einem erneuten Gasausbruch am 15. Januar 1921 die Einstufung als Schlagwettergrube verhängt. Schon im Juli 1921 musste ein weiterer Gasaustritt angezeigt werden. In der Folge wurde der Betrieb 1921 eingestellt.

Einige Jahrzehnte später wurde in Wustrow und Umgebung durch 16 Bohrungen Erdgas gefördert. Seit August 2010 wird jetzt in Wustrow eine neue Gasbohrung bis in 3.400 m Tiefe durch den ganze Salzstock getrieben, um das restliche Gas zu fördern.

Warum wird Gorleben-Rambow geheim gehalten ?

Niemand würde angesichts dieser Tatsache auf die Idee kommen, im Wustrower Salzstock Atommüll zu lagern. Doch warum werden alle Erkenntnisse, die auf Gasvorkommen im Gorlebener Salzstock hinweisen, geheim gehalten ?

Von allen Behörden und Ministerien wird darauf verwiesen, es handele sich um geheime Informationen über Rohstoffvorkommen. Der weltgrößte Gaskonzern GdF (Gas de France), der Rechtsnachfolger aller DDR- Erdöl und Gasbetriebe muss daher sein Einverständnis geben, denn Rohstoffvorkommen sind zeitlos geschützt.

Diese Informationen muss jetzt die GdF spätestens dem Untersuchungsausschuss gewähren. Bis jetzt sind 74 Akten zu Rambow mit Geheimhaltungsvermerk in den Archiven der BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) bekannt. Die BGR hat nach der Wende das ZGI (Zentrales Geologisches Institut der DDR) übernommen und damit auch alle Akten zu Rambow. Ob denn wenigstens die West-Geologen der BGR einen Blick in diese Akten geworfen haben und die Politik gewarnt haben, das wird wohl erst der Untersuchungsausschuss klären können.

Vorankündigung:

Am 21. Oktober in Lenzen und am 23. Oktober werden die Abgeordneten der LINKEN, Dorotheé Menzner, Johanna Voss und Kurt Herzog in Gartow über den Stand der Rambow-Geheimakten berichten.

Foto: Dieter Landes und der Objektgeologe Schwahn, vom Verein „Heimat und Erdöl“ haben mit ihrem Buch „Schatzsucher“ die Katastrophe von Rambow öffentlich gemacht. Hier zeigen sie Fördertechnik im Außenbereich des Erdölmuseums Reinkenhagen.

 

Wieso Erdgas in Lenzen ?

Warum wurde in Lenzen so hartnäckig nach Gas gebohrt ? Insgesamt 13 Tiefbohrungen wurden zwischen 1954 und 1972 im Raum Lenzen im Bereich des Salzstockes Gorleben-Rambow bis in Tiefen über 3.000 m nieder gebracht. Damals stand das Atommülllager Gorleben noch gar nicht zur Diskussion. Das ist ein teures Vergnügen ! Aber warum wurde dies veranlasst?

Zur gleichen Zeit wurde in Salzwedel die größte Gasblase Deutschlands entdeckt. Hier wurden in der Spitze bis zu 12 Milliarden m3 Erdgas im Jahr gefördert, allein auf östlicher Seite. Die im Wendland aus der gleichen Blase geförderte Menge ist dabei nicht berücksichtigt. Die Rohstoffgeologen vermuteten, dass diese Gasblase, die zweitgrößte des europäischen Festlandkontinents, von Salzwedel bis in das 20 km entfernte Lenzen in der Prignitz reichen würde. Da das Gas in der Regel unter Salzstöcken am sichersten anzutreffen war, wurde also von Norden her so dicht wie möglich an der Grenze zur damaligen BRD gebohrt. Die letzte Bohrung wurde dabei sogar 3 Mal abgelenkt und damit unter der Elbe bis in 3.000 m Tiefe unter den westlichen Teil des Salzstockes getrieben. Doch nach Angaben eines Bohrarbeiters aus Lenzen waren auch hier die Gas-Gasolin Laugengemische so schwer beherrschbar, dass es zu keiner wirtschaftlichen Ausbeutung kam. „Mit heutiger Technik müsste das machbar sein“, so der ehemalige Bohrtechniker. Doch warum passiert in und um Gorleben nichts, um die Erdgasvorräte zu heben ?

Seit einigen Jahren gibt es die von der Bundesregierung angeordnete Veränderungssperre. Die „Lex Bernstorff“, die ursprünglich erlassen wurde, um den Gartower Grafen daran zu hindern, im Gorlebener Salzstock ein Salzbergwerk zur Gewinnung von Speisesalz einzurichten. Diese Veränderungssperre gilt auch für die Gewinnung aller anderen Bodenschätze.




2010-09-14 ; von Björn Vogt (autor),

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