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Wenzel im Atomausschuss: Erst wenn wir wissen, können wir die richtigen Fragen stellen

Am Freitag Nachmittag war Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel zu Besuch beim Atomausschuss des Landkreises, um den Abgeordneten die Gelegenheit zu geben, ihre unzähligen Fragen mit ihm direkt zu diskutieren. Es wurde eine Beschwerderunde.

Mit seinen rund 40 Fragen an den Minister hatte der Atomausschuss so ziemlich alle Fragen aufgelistet, die es im Zusammenhang mit dem Zwischenlager Gorleben, dem Standortauswahlgesetz und der Arbeit der Endlagerkommission zu stellen gilt. Auch die Frage der "verlorenen Mädchen" rings um Gorleben tauchte in dem Fragenkatalog auf.

Umweltminister Stefan Wenzel hatte alle die bereits im April vom Ausschuss nach Hannover getragenen Fragen akribisch in einem 20-Seiten-Papier beantwortet und am Freitag mit nach Lüchow gebracht. Schon dies ein Grund zur Beschwerde: als Tischvorlage könne man sich mit den Antworten gar nicht auseinandersetzen, bemängelte SOLI-Abgeordneter Kurt Herzog. Ein Grund, warum der Ausschuss auf kaum eine der gestellten Fragen zurückkam und sich beinahe ausschließlich auf die Arbeit der Endlagerkommission und die Rolle Niedersachsens dabei konzentrierte? 

Wenzel: Wissenschaft muss endlich aus ihren Fehlern lernen

In seinem mündlichen Vortrag gab Wenzel einen Überblick über die aktuelle Arbeit der Endlagerkommission, die bis Freitag zwei Mal getagt hatte. Doch Spannendes gab es davon nicht zu berichten: die Kommissionsmitglieder hatten sich mit Geschäftsordnungsfragen und Arbeitsplanungen auseinandergesetzt. Wie Wenzel berichtete, ist man sich in der Kommission zum Beispiel uneins darüber, wie langfristig ein Arbeitsplan angelegt werden solle, um noch sinnvoll zu sein.

Nach Wenzels Einschätzung herrscht in der Kommission Konsens darüber, dass viel längere Zeiträume als früher bekannt für die sichere Endlagerung berücksichtigt werden müssen. So habe zum Beispiel das Nuklid Thorium 232 eine Halbwertzeit von 1 Milliarde Jahren. Auch darüber, dass der weltweite Stand von Wissenschaft und Technik Standard sein sollte, seien sich die Kommissionsmitglieder einig.

Ein weiteres großes Thema ist die Erstellung einer Abfallbilanz. "Bis heute ist nicht klar, welche Mengen und welche Arten radioaktiven Abfalls es eigentlich gibt und wieviel in den nächsten Jahren noch anfallen werden," verwies der Minister auf die nicht vorhandene vollständige Abfallbilanz. Immerhin sei die Kenntnis über die Arten und Mengen der einzulagernden Abfälle von entscheidender Bedeutung für die Art der Einlagerung. Bestimmte Wärme entwickelnde Abfallstoffe seien z.B. für die Einlagerung in Salz völlig ungeeignet, so Wenzel. Deshalb stehe man auch erst am Anfang eines langen Prozesses. "Erst wenn wir wissen, können wir die richtigen Fragen stellen," so Wenzel.

Wenzels Kritik an der Wissenschaft stieß bei der CDU auf Unglauben. Ausschussmitglied David Beecken fand die Kritik des Ministers "nicht richtig": "Nach meiner Kenntnis haben die wissenschaftlichen Einrichtungen bisher doch sehr präzise gearbeitet." Eine Bemerkung, die im Publikum für dezentes Kichern sorgte.

Nicht umsonst treibt den Minister deshalb die Arbeit der wissenschaftlichen Organisationen um, die in all den Jahrzehnten, die es nun schon um die Endlagerung geht, wenig Antworten geliefert haben. Auch die Frage nach der Optimierung der Selbstkontroll-Fähigkeit der Wissenschaft müsse dringend geklärt werden. "Wie kann es sein, dass bis heute von den zuständigen Organisationen der Wissenschaft die Fehler aus der Asse nicht aufgearbeitet worden sind?," fragt sich nicht nur der Minister. Und: "Wie kann man es organisieren, dass es zu so eklatanten Fehleinschätzungen wie in der Asse nicht mehr kommen kann?"  

Für die Ausschussmitglieder waren dies nicht die relevanten Fragen. Sie interessierte vielmehr, warum der Minister nicht früher gekommen ist und was er als niedersächsischer Minister zu tun gedenkt, um Gorleben aus dem Suchprozess zu nehmen.

Viele Detailfragen - wenig wirklich spannende Antworten

Im weiteren Verlauf der Sitzung gab es dann aber doch noch viele konkrete Fragen zu Entscheidungsabläufen, der Beteiligungsform oder den Kriterien für die Endlagerung.

Doch was es dazu derzeit zu sagen gibt, ist nicht sehr konkret: Die Arbeit der Kommission hat gerade erst begonnen und aller Orten, auch in Hannover, beginnt man sich auf die kritische Begleitung einzurichten. "Gleichzeitig gilt es zu klären, wie die Ergebnisse des Forschungsverbunds ENTRIA in die Arbeit der Kommission einfließen werden," erläuterte Wenzel nur eine der vielen offenen Fragen. 

So bleibt auch die Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung noch einigermaßen undurchsichtig. Ein Livestream der Sitzungen wird wohl dauerhaft im Netz verfügbar sein - über die Frage der Erstellung und Veröffentlichung von Wortprotokollen aus jeder Sitzung streiten sich die Kommissionsmitglieder noch. Nach Wenzels Einschätzung wird es wohl nur Wortprotokolle aus Sitzungen geben, die entscheidenden Charakter haben. Die Sitzungen der Kommission sind öffentlich, jede/r Interessierte kann also an den Sitzungen teilnehmen, sofern die Plätze reichen.

Parallel zur Arbeit in Berlin will die Landesregierung Niedersachsens alle vier Wochen in einer Veranstaltung über die aktuelle Arbeit der Kommission berichten - in Hannover, versteht sich. 

Mundhenk sah in dieser Form der Transparenzschaffung nicht unbedingt eine "Öffentlichkeitsbeteiligung" wie sie sich hiesige Gorlebengegner wünschen. Wenzel dazu: "Das Bergrecht sah bisher nicht einmal eine Offenlegung und Transparenz vor, wie wir sie von Umweltverträglichkeitsprüfungen kennen." Insofern ist die geplante Öffentlichkeitsschaffung für den Minister schon ein großer Fortschritt. "Es ist für alle Beteiligten völlig neu, die Öffentlichkeit an einem derart langwierigen und komplizierten Verfahren zu beteiligen," so Wenzel. "Die Formen dafür müssen jetzt erst entwickelt werden."

Was tut Wenzel, um Gorleben zu verhindern?

Die brennendste Frage auf der Seite von SOLI, UWG und Grünen war jedoch, was Wenzel tut, um "Gorleben zu verhindern".

Die Antworten dazu sind weitestgehend bekannt, der Minister fasste sie aber noch einmal zusammen:

- Niedersachsen ist dabei, den Prozess "so wissenschaftlich aufzusetzen, dass am Ende gesagt werden kann, was wissenschaftlich verantwortbar ist.

- das Planfeststellungsverfahren aus dem Jahre 1977, mit dem die konkrete Einlagerung von Atommüll verwaltungsrechtlich zementiert werden sollte, soll nach dem Willen des Ministers beendet werden.

- Niedersachsen dafür sorgen, dass die Arbeit der Kommission auch in Niedersachsen öffentlich diskutiert wird. 

Und nicht zuletzt verwies der Minister auf einige Erfolge, die seit Regierungsantritt in Niedersachsen gelungen seien: "Wir haben uns die Zuständigkeit des Landes erhalten, die Castortransporte sind weg und der Rahmenbetriebsplan nicht mehr gültig."

Was tut Wenzel, um Arbeitsplätze zu erhalten? 

Für die CDU dagegen sind Wenzels Versuche "Gorleben zu verhindern", ein Affront gegen die Region. Wenzel soll dabei helfen, die 150 Arbeitsplätze in der Region zu erhalten, die in Gorleben existieren, so die Abgeordnete Karin Bertholdes-Sandrock. Für sie ist der Stillstand in Gorleben ein immenser Schaden für die Region. Das beste Konzept für die sichere Einlagerung von Atommüll interessierten die Abgeordnete dagegen gar nicht.

Wenigstens der Standort für das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung solle dann in die Region kommen, so Bertholdes-Sandrock.

Forderungen, die bei rund einem Dutzend Bergleuten aus dem Salzstock, Zustimmung auslösten. Deren Betriebsvorsitzender Peter Ward sprach gar im Ausschuss von einem "volkswirtschaftlichen Skandal", dass Wenzel 4 Milliarden ausgegebener Steuergelder "in die Tonne tritt". Jahrzehntelang geschaffenes Know How ginge zudem verloren.

Wenzel dazu:" Wir sind uns der Problematik sehr bewusst, aber Arbeitsplätze können in der Atommüllfrage nicht ausschlaggebend sein. Wir haben es hier mit einer Gesamtherausforderung auf ganz unterschiedlichen Feldern zu tun." Natürlich müsse man das Know How erhalten, aber das fange schon damit an, dass sich junge Leute nicht mehr für ein Studium der Kernphysik interessieren.

Und: die Entscheidung über den Standort des BfE habe sich Bundesumweltministerium Barbara Hendricks vorbehalten. 

PS: Rund ein Dutzend Ausschussmitglieder sind zu dem Termin gar nicht erst erschienen. Und kurz vor 18 Uhr verabschiedeten sich weitere - unter ihnen auch Kurt Herzog. Ein Schelm, wer denkt, dass ihnen das WM-Spiel Deutschland - Frankreich wichtiger war als die Diskussion der Endlagerproblematik. 

Foto : Bereits kurz nach Amtseintritt verschaffte sich Umweltminister Stefan Wenzel im Bergwerk einen Überblick über die Arbeiten unter Tage.






2014-07-06 ; von Angelika Blank (autor),
in 29439 Lüchow (Wendland), Deutschland

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