Thema: wolf

Die Rückkehr der Wölfe - ein Großprojekt der Integration

Peter Burkhardt ist passionierter Jäger und Wolfs-Liebhaber. Als Wolfsberater setzt er sich mit den „Rückkehrern“ intensiv auseinander. Dabei beklagt er die gelegentlich feststellbare Blauäugigkeit von Politikern und Naturschützern hinsichtlich der anstehenden Konflikte mit den sich ausbreitenden Wolfsrudeln.

Wenn Wolfsberater Peter Burkhardt und seine Kollegen Vorträge zum Thema „Wolf“ anbieten, dann mieten sie inzwischen Säle an, die mindestens 200 Menschen aufnehmen können. Erst vergangene Woche mussten die Veranstalter ihre Podiumsdiskussion zum Thema „Der Wolf in Niedersachsen“ in den größten Hörsaal der Uni Lüneburg wechseln, weil sich rund 550 Interessierte dort eingefunden hatten.

„ Die Menschen sind verunsichert,“ weiß Peter Burkhardt, der sich mit dem Wolf bereits seit einigen Jahren beschäftigt. „Dabei wird oft äußerst undifferenziert diskutiert. Während die einen, Jäger, Landwirte und Schafhalter, mehrheitlich die Wölfe am liebsten ganz aus den Wäldern verbannen würden, verklären manche Naturschützer die Wildtiere als mythische Lebewesen, deren Schutz über allem steht.“

Nachdem 1798 im Harz der letzte Wolf Niedersachsens von einem Grafen erlegt worden war, galt dieses Groß-Raubtier zumindest in Niedersachen als ausgerottet. Vereinzelt wurden zwischen 1945 und 1985 immer wieder Wölfe gesichtet. Erst seit 2005 mehren sich die Hinweise, dass sich wieder Wölfe in Niedersachsen niederlassen. Seitdem reißen die Diskussionen über den Umgang mit dem fremden Wesen in der Nachbarschaft nicht ab.

Nach neuesten Untersuchungen lebten im vergangenen Jahr allein Niedersachsen wieder über 20 Wölfe. Im Gartower Raum wurde kürzlich nachgewiesen, dass ein Wolfspaar dort Welpen bekommen hatte. Neben Munster und der Lüneburger Heide ist dies nun das dritte Wolfsrudel, dass sich offensichtlich fest in den Wäldern etabliert hat.

"Da kommen Konflikte auf uns zu"

Noch ist es für einen Wald-Spaziergänger ein sehr seltenes Erlebnis, einen Wolf mit eigenen Augen zu sehen. Doch die Anzahl der Raubtiere in den Wäldern nimmt zu, erste Schafsrisse werden gemeldet. Schafhalter sowie Pferde- und Rinderzüchter sind alarmiert.

Nicht zu Unrecht, findet Wolfsberater Peter Burkhardt. Für ihn greift das „Wolfsmanagement“-Konzept der Landesregierung zu kurz. „Da werden viele Probleme ausgespart oder nicht zu Ende diskutiert ,“ so Burkhardt. „Nur ein Beispiel: Mancherorts sollen Schafe für die Deichsicherung bzw. die Landschaftspflege, insbesondere in Heidegebieten eingesetzt werden. Das passt mit dem Vorhandensein von Wölfen später nur noch schwierig zusammen.“

Denn es sind nicht nur die direkten Wolfs-Angriffe, die Pferden, Schafen oder Rindern den Garaus machen könnten. „ Manche Pferde gehen schon durch, wenn sie den Wolf nur wittern. Ausgebrochene Pferde, die den Straßenverkehr gefährden, könnten die Folge sein “ , gibt der Wolfsberater eine Befürchtung wieder, die er derzeit häufiger von Pferdebesitzern hört.

„ Ebenso gehen die Planungen der Landesregierung, die Errichtung von wolfssicheren Zäunen oder die Anschaffung von Herdenschutzhunden zu unterstützen oft an der Realität vorbei,“ warnt der Wolfsberater. „Wolfssichere Zäune und/oder Zäune mit elektrischer Sicherung werden in sensiblen Naturschutzbereichen oder touristischen Kernregionen gar nicht erst akzeptiert"

Stichwort Herdenschutzhunde: Sie erfordern auch von den Schafhaltern ausgezeichnete Kenntnisse über diese gelegentlich sehr griffigen Hunde, die kompromisslos 'ihre' Herde vor allem schützen, was sie angreifen könnte – auch die aus Sicht der Hunde vermeintlich gefährlichen Spaziergänger oder Touristen. Passanten, die „mal die süßen Schafe“ streicheln wollen,  können in Einzelfällen böse Überraschungen erleben, wenn sie dies bei einer Herde versuchen, die von „besonders raubeinigen“ Herdenschutzhunden geschützt wird."

Und: „Wir können nicht all die tausende Schafe, die in Niedersachsen leben, mit Zäunen versehen Allein ein,“ sagt der Wolfsberater. „E in Wanderschäfer, der mit seiner Herde über die Deiche zieht, benötigt oft einen langen Zaun, der schnell zu errichten und ständig umgesetzt sein muss. Heide-Schäfer sind noch mobiler und legen größere Strecken mit ihren Herden zurück. Auch hier wäre ein Einsatz von Zäunen mehr als schwierig.“

Besonders stört Burkhardt, dass die Entschädigungsregeln für Wolfsrisse seit Jahren unpräzise bleiben und den Betroffenen lediglich „Billigkeitsleistungen“ zugestehen. Auch die angekündigten Verbesserungen der Landesregierung, in Kürze eine Richtlinie für die Entschädigung herauszugeben, reichen Burkhardt nicht aus – unter anderem bleibe die Beweislast beim Tierhalter hängen. Burkhardt zitiert in diesem Zusammenhang gerne den Nemitzer Schäfer Meinecke: „Der Wolf gehört unbedingt hier her. Aber lasst uns dann auch mit unseren Problemen nicht alleine.“

Immer noch keine Resultate

Zwar sorgen u.a. die Wolfsberater dafür, dass DNA-Proben, z.B. aus den Bisswunden, schnell wie möglich an das Niedersächsische L andesamt für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) weitergeleitet werden. Dort erfolgt dann u.a. eine Entscheidung über weitergehende Maßnahmen (z.B. eine DNA-Analyse oder veterinärmedizinische Untersuchungen).

Noch hat Peter Burkhardt keine eigenen Erfahrungen, wie schnell die Untersuchungsergebnisse bei einem Verdacht auf Wolfs-Riss zurückkommen, aber seine Erfahrungen mit den gesammelten Kotproben und anderem genetischen Material von Wölfen, lassen Düsteres ahnen: „Die ältesten Kotproben, die Kollegen und ich weggeschickt haben, sind inzwischen fast zwei Jahre alt,“ so Burkhardt. „Bis heute haben wir keinerlei Rückmeldungen bekommen.“

Foto / Landesjägerschaft Niedersachsen: von einer in Lüchow-Dannenberg aufgestellten Fotofalle "ertappter" Wolf im Frühjahr 2013

Aufgrund dieser Tatsache hat Burkhardt das Sammeln von genetischem Material, das dem sogenannten Monitoring (der Dokumentation von Wölfen) dient, eingestellt. „Was nützt das Sammeln, wenn nichts zurückkommt?“ fragt sich der Wolfsberater. In anderen Fällen, moniert er, geht es erstaunlicherweise innerhalb von Tagen: Bei Verdachtsmomenten bezüglich eines vermeintlich gerissenen Hundes oder bei Übergriffen auf Gehegewild, liegen Ergebnisse innerhalb von ein oder zwei Wochen vor.

Umweltminister Stefan Wenzel hat zwar kürzlich in einer mündlichen Anfrage vor dem Landtag deutlich gemacht, dass ihm diese unbefriedigende Situation durchaus bewusst ist (Zitat Wenzel: „Vor diesem Hintergrund kann es zu zeitlichen Verzögerungen zwischen der Rissfeststellung und der Auszahlung der Billigkeitsleistungen kommen.“), aber derzeit verspricht er lediglich, dass „die Landesregierung im Rahmen des Wolfsmanagements an einer stetigen Optimierung der Abläufe“ arbeite.

Die Arbeit der Wolfsberater soll im Rahmen des landesweiten Wolfsmanagement-Konzepts weiter ausgebaut werden. Doch bis jetzt erhalten die Wolfsberater keinerlei Aufwandsentschädigungen. „Wir sollen die Wolfsspuren dokumentieren, uns um Wolfsrisse kümmern und vor allem Öffentlichkeitsarbeit machen,“ so Peter Burkhardt. „Doch für unsere Arbeit erhalten wir nicht einmal Fahrtkosten ersetzt.“  

Das Wolfskonzept des Landes Niedersachsen (Stand November 2012) gibt es  hier!
Die Antwort von Umweltminister Stefan Wenzel auf eine mündliche Anfrage im Landtag gibt es hier!

Verkehrsunfälle mit Wölfen nehmen zu

„Zunehmend ein Problem“, so Burkhardt, gibt es auch bei Verkehrsunfällen, bei denen Wölfe verletzt werden. „Bis jetzt gibt die Landesregierung die Parole aus, dass lediglich die Kreistierärzte eine womöglich erforderliche Nottötung der Wölfe vornehmen dürfen. Für mich ist das ein unhaltbarer Zustand! Gerade am Wochenende ist oft kein Veterinär erreichbar, und die Polizei ist nicht befugt, einen Todesschuss abzugeben. Da nehmen wir Tierquälerei in Kauf, weil Naturschutzrecht unverständlicherweise Tierschutzrecht schlägt.“ Für Burkhardt fehlt hier eine neutrale Instanz, die für schnelle Hilfe sorgt.

„Meiner Meinung nach, ist Tierschutzrecht etwas ganz Konkretes, Naturschutzrecht etwas ganz Abstraktes. Wenn erst einmal der nach einem Autounfall querschnittsgelähmte Wolf im Straßengraben so lange leiden muss, bis endlich ein Amtstierarzt vor Ort ist und bestätigt, dass der Wolf eingeschläfert werden muss, dann wird Naturschutzrecht fragwürdig. Auch wenn solche Situationen sicherlich immer eine Ausnahme bleiben werden: Wollen wir so etwas?“ Polizisten vor Ort haben nach seinen Erfahrungen immer noch keinerlei konkrete Handlungsanweisungen, wie sie mit der Situation „Verkehrsunfall mit verletztem Wolf“ umgehen sollen. „Wie formulierte es ein Beamter mir gegenüber kürzlich: Ich kann nur hoffen, das so etwas nicht in meiner Schicht geschieht“.

Das Nebeneinander braucht Regeln

„Es ist gut und richtig, dass der Wolf in seinen ursprünglich heimatlichen Gebieten wieder ansässig wird,“ macht Burkhardt klar. „Doch wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie ein Groß-Raubtier in einer so dicht besiedelten Kulturlandschaft wie der unsrigen verträglich integriert werden kann.“

Einerseits könnten die Wölfe beim Eindämmen großer Wildpopulationen von Wildschwein oder Rotwild helfen, andererseits müsse aber ein ganzheitlich orientiertes Begleitprogramm dafür sorgen, dass mögliche Konfliktfelder so früh wie möglich besprochen und Lösungsansätze entwickelt werden. „Noch sind es wenige Tiere, die unsere Wälder bevölkern, aber in fünf Jahren könnte das anders aussehen, dann beschäftigen uns womöglich häufige Verkehrsunfälle mit Tieren, Wolfsrisse oder wegen Ängsten ausbleibende Touristen,“ plädiert der Wolfsberater dafür, sich jetzt schon intensiv mit den Realitäten eines gemeinsamen Lebens mit dem Wolf zu beschäftigen.

Leinenpflicht für Hunde ist jetzt schon aus Natur- oder Tierschutzgründen in vielen Gemeinden wenigstens in der Setz-, Brut- und Aufzuchtzeit im Frühjahr Vorschrift. „Demnächst könnten wir aber womöglich vor einer Ausweitung dieser Regelung stehen, wenn erste Konflikte mit Wölfen und freilaufenden Hunden bekannt geworden sind.“ Ganz konkret erwartet Burkhardt Probleme im Bereich der Jagdhunde, die einerseits zur Bejagung von beispielsweise Rot-, Dam-, Reh- und Schwarzwild notwendig sind, andererseits völlig allein auf sich gestellt auf Wölfe treffen könnten.

„Aber“, so ergänzt Burkhardt, „wir sollten die gegenwärtige Situation in vernünftige Relationen setzen: „Derzeit habe ich bezüglich meines Jagdhundes weitaus mehr Angst vor Wildschweinen, als vor Wölfen“.

Bejagung könnte kommen

Ob der Wolf irgendwann bejagt werden muss, ist für Burkhardt jetzt noch keine Frage. „Aber wir werden uns irgendwann damit beschäftigen müssen, ob und in welchem Ausmaße wir die Anzahl der Wölfe in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft wieder beschränken wollen oder müssen.“ Andererseits drohten brutale „Privatlösungen“ einiger Betroffener, die si ch oder ihre ( Familien- oder Nutz)tiere von den Wölfen bedroht fühlten.

Ein Leitfaden des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) hatte bereits im Jahre 2007 skizziert, dass eine Bejagung des Wolfes womöglich in näherer Zukunft zur Erhaltung der Art notwendig werden könnte. Die Untersuchung des BfN  kam damals zu dem Schluss, dass nach Erfahrungen aus anderen Ländern (Finnland, Kroatien) die illegalen Tötungen dort drastisch zunahmen, wo ein Vollschutz des Wolfes vorgeschrieben wurde. Die Studie plädiert allerdings auch dafür, zunächst die Bestandsentwicklung der Wölfe zu fördern, und erst dann, wenn der Erhaltungszustand der Wölfe gesichert sei, gezielte Eingriffe, sei es Abschüsse aber auch Neu-Ansiedlungen, vorzunehmen.

„Wir können nicht die Menschen wegdiskutieren, ebenso wenig die Kulturlandschaft. Dennoch wünschen wir uns doch mehrheitlich, dass fortan Wölfe unter uns leben. Hier werden wir zu irgendeinem Regulativ kommen müssen, was meines Erachtens schlussendlich – und nun mag aufheulen wer mag – auch den Wölfen zu Gute kommt,“

Wir erleben diese Abwägung ja immer wieder: Wenn Deiche durch Biber massiv geschädigt werden, womöglich noch im Zuge eines Hochwassers, möchte ich diejenigen hören, die sagen, lasst doch die Deiche brechen, die Tiere werden nicht erlegt. Mittlerweile leben immer mehr Biber unter uns und mitten in einer Kulturlandschaft. Auch hier wird eine Regelung alsbald gefunden werden. Bei Wölfen wird das ebenso kommen. Denn weder der Mensch noch der Wolf haben, so laienhaft das nun auch klingen mag, mehr Rechte als der jeweils andere.“

Titelfoto / Peter Burkhardt: Handschuhe, Probendosen und diverse Formblätter sind nur einige Bestandteile der Ausrüstung eines Wolfsberaters.







Fotos

2014-02-16 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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