Thema: endlagersuche

Hendricks in Lüchow: Das Misstrauen sitzt tief

Am Donnerstag Abend stellte sich Barbara Hendricks als sechste Bundesumweltministerin der öffentlichen Kritik wendländischer Gorlebenkritker - aber auch -Befürworter. Beide Seiten hatten massive Kritik am Vorgehen der Bundesregierung.

Während rund ein Dutzend Mitarbeiter des Erkundungsbergwerks die Ministerin kritisierten, dass „Gorleben“ geschlossen werde, sah es die weitaus größere Anzahl der im Gildehaus Anwesenden völlig anders: sie forderten unter anderem die Verfüllung der vorhandenen Schächte, in der Hoffnung, dass sich damit ein Endlager im ehemaligen Salzstock endgültig erledigen würde.

Die Antwort der Bundesumweltministerin darauf war kurz und bündig: „Und dann bohren wir daneben neue Schächte auf, ja? Das macht richtig Sinn!“ konterte sie die Forderung nach Verfüllung. Womit auch klar wurde, dass eine Verfüllung der Schächte lediglich die weitere Erkundung in Gorleben – sollte sie denn nach der Arbeit der Kommission und dem darauf folgenden Entscheidungsverfahren stattfinden – lediglich aufwändiger und damit teurer werden würde, aber nicht unmöglich.

Pragmatische Argumente, die die Mehrheit der Anwesenden im Gildehaus aber so nicht hören wollten. Auch alle Versuche der Ministerin, die Versammlung an die ethische Verantwortung für die Entsorgung des Atommülls zu erinnern, schlugen fehl.

„Ich weiß, dass Ihnen die Regelungen des Standort-Auswahlgesetzes nicht weit genug gehen,“ so Hendricks. „Aber immerhin ist für Gorleben durch dieses Gesetz eine völlig andere Ausgangsbasis entstanden. Lassen Sie uns also gemeinsam den Standort suchen, der am besten geeignet ist.“ Aber, so Hendricks weiter, „vollständige Sicherheit wird es nicht geben, wir könnten nur mit allen Kräften die bestmögliche Lösung finden.“

Auch Forderungen nach sofortiger Abschaltung der Atomkraftwerke gab Hendricks nicht nach. „Das Problem der Entsorgung des Atommülls bleibt, ob alle AKWs abgeschaltet werden oder nicht. Da sind wir in der Pflicht.“ Die Gesellschaft müsse sich darüber klar werden, dass „wir den Müll nicht mehr los werden und dafür auch die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.“

Tiefe Skepsis bei den Atomkraftgegnern

Doch das Misstrauen sitzt im Wendland tief. Niemand derjenigen, die sich öffentlich äußerten, ließ Verständnis für die Gesamtsituation durchblicken. Es blieb bei Maximalforderungen: AKWs abschalten, Schächte im Erkundungsbergwerk verfüllen und die Veränderungssperre für Gorleben aufheben.

Nach Hendricks Ansicht bietet das Standort-Auswahlgesetz nun erstmalig die Chance, dass Gorleben tatsächlich als Endlagerstandort herausfallen wird. Und falls nicht, dann müsse sich der Salzstock gegen andere Möglichkeiten als bestmögliche durchsetzen. Hendricks zeigte sich aber überzeugt, dass Gorleben das neu formulierte Suchverfahren nicht überstehen wird, denn: „Es sprechen auch wissenschaftliche Gründe gegen die Eignung.“ Genauer wollte sie die Gründe für die Nichteignung allerdings nicht benennen – dafür seien die Fachleute zuständig.

Sämtliche Versuche von Gorleben-Gegnern, Hendricks zu konkreten Aussagen zu zwingen, schlugen fehl. So ließ sie die 14 (!) Fragen eines Kreistagsabgeordneten zu sehr konkreten Einzelthemen in ihrer schnoddrigen Art schlichtweg abblitzen: „Das kommt mir so vor, als wenn Sie mal testen wollen, ob ich schon Ministerin kann!“ Immerhin versprach die Ministerin, die Fragen schriftlich zu beantworten und der BI sowie dem Kreistag zukommen zu lassen.

Wer hat sich etwas davon versprochen?

So war die zweistündige Veranstaltung letztendlich nicht mehr als ein Schlagabtausch mit bekannten Argumenten. Hier eine Ministerin, die das Suchverfahren als bestes Mittel zur Findung eines geeigneten Standortes propagiert. Dort Gorleben-Gegner, die seit teilweise über 30 Jahren gegen den Standort kennen, jegliches Vertrauen in „die da oben“ verloren haben und sich deshalb auch nicht bereit zeigen, Verständnis für politische Realitäten zu entwickeln.

Zum Schluss wurde sogar die Sinnhaftigkeit der parlamentarischen Demokratie diskutiert, die am Beispiel Atommüll an ihre Grenzen stößt, wie es Martin Donat formulierte. „Und was wollen wir dann statt dessen machen?“ war die schlichte Rückfrage der Ministerin. Worauf es natürlich keine Antwort gab.

Denn umsetzbare Konzepte, wie eine Bevölkerung tatsächlich „partizipativ“ an Entscheidungsprozessen derartiger Größenordungen beteiligt werden kann, gibt es nicht. Die Problematik derartiger basisdemokratischer Findungsprozesse brachte Hendricks durch ein Beispiel auf den Punkt: „Die Bergleute haben völlig andere Interessen als die Gorleben-Gegner. Wer soll denn entscheiden, welche Interessen da schwerer wiegen? Das kann nach dem derzeitigen Politikmodell nur die Politik tun,“ so Hendricks. „Ich weiß, dass es überall da, wo ein Standort für Atommüll benannt wird, Widerstand geben wird. Einen Konsens wird es da vermutlich nicht geben.“ Eine klare Absage an Konsensentscheidungen. Sie wolle aber dafür sorgen, dass das Verfahren anders „gesteuert“ wird als in der Vergangenheit. „Ich kann mich allerdings nur nach Kräften bemühen, die Menschen vor Ort mitzunehmen. Diese müssen aber auch bereit sein, es anzunehmen.“

Weiteres Beispiel Castortransporte: Bisher haben sich zwei Bundesländer bereit erklärt, einen Teil des ab 2015 zurückzunehmenden Atommülls aus La Hague und Sellafield aufzunehmen. Die erste Tranche mit fünf Castorbehältern aus La Hague wird erst 2017 rollen, da das Genehmigungsverfahren so lange Zeit in Anspruch nimmt. Für 14 der ab dem Jahr 2017 zurückzunehmenden Castorbehälter aus Sellafield hat Schleswig-Holstein die Verantwortung übernommen. „Für die restlichen sieben Castoren aus Sellafield gibt es allerdings noch keine Zusage eines dritten Bundeslandes,“ so Hendricks. „Die Bundesländer haben sich aber verpflichtet, untereinander zu regeln, in welchen drei Bundesländern der Atommüll untergebracht werden kann.“ Sollte diese Selbstverpflichtung nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt umgesetzt worden sein, so werde sie als Ministerin notfalls auch eine atomrechtliche Anordnung erlassen. „Das meine ich nicht als Drohung, sondern lediglich als sachliche Feststellung der formalen Abläufe,“ so Hendricks.

Gab es konkrete Aussagen?

Viel war es nicht, was Bundesministerin Hendricks an konkreten Aussagen mitgebracht hatte. Aber immerhin gab es Klärung in einigen Punkten.

Veränderungssperre: die Veränderungssperre wird nicht aufgehoben, da es aus rechtlichen Gründen zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich sei, so Hendricks.

Castortransporte: für die nächsten Transporte aus La Hague und einen Teil der Castoren aus Sellafield haben sich Bundesländer gefunden. Es fehlen noch Zusagen für die Aufnahme weiterer sieben Castorbehälter aus Sellafield, die bis 2021 anstehen.

Zwischenlager: das Zwischenlager Gorleben wird auch jenseits einer Entscheidung über Endlager-Standort oder nicht erhalten bleiben.

Foto / Andreas Conradt, publixviewing.de: Es war kein einfacher Gang, den Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstag Abend antrat - das Misstrauen der wendländischen Atomkraftgegner konnte sie nicht zerstreuen.

 


2014-09-05 ; von Angelika Blank (autor),
in Tannenbergstraße 2, 29439 Lüchow (Wendland), Deutschland

endlagersuche   hendricks  

Kommentare

    Sie müssen registriert und angemeldet sein um einen Kommentar schreiben zu können