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Kippt das Endlager Gorleben?

Im Streit um das geplante Endlager in Gorleben sind neue rechtliche Probleme aufgetaucht: BI-Mitgründerin Marianne Fritzen fielen jetzt alte Grundstücksverträge in die Hand, nach denen der Nießbrauch für die Endlager-Betreiber am 31.12.2015 endet. Rund 100 solcher Verträge soll es geben.

Ende der 70er Jahre kaufte die DWK (Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufarbeitung) Grundstücke in und um Gorleben. Bauern wurden unter Druck gesetzt, winkte doch ein Quadratmeterpreis weit über Marktwert.

Doch einige verkauften nicht - wie zum Beispiel die Kirche und Graf von Bernstorff - andere verkauften zwar, überließen aber die sogenannten Nießrechte am
Salz unter ihren Grundstücken nur befristet an die DWK - und das auch nur zu Zwecken der Erkundung und nicht zum Bau eines Endlagers. Diese sind befristet bis 31.12.2015, das berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer Wochenendausgabe. Berührt sind auch Grundstücke über dem geplanten Endlager für hochradioaktive Abfälle. "Werden die Nießrechte nicht vertraglich neu geregelt, so kann unter Tage nicht ausgebaut werden," erläutert die Bürgerinitiative Umweltschutz (BI) Lüchow-Dannenberg die vertrackte Situation.

"Schön wäre es, wenn jetzt schnell mit Gorleben Schluß wäre, aber wir werden jeden einzelnen Grundstücksbesitzer, der seine Salzrecht gewahrt hat, überzeugen müssen, dass in Gorleben schon lange nicht mehr erkundet wird, sondern dass es eine Vorfestlegung gibt, der man einen Riegel vorschieben muss", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Auf jeden Fall sehen sich die Gorleben-Gegner nicht am Ende ihres Lateins, wenn, wie befürchtet, eine CDU/FDP-Mehrheit nach den Wahlen das Moratorium in Gorleben aufhebt.

Befristet ist auch die sogenannte "Gorleben-Sperre". 2005 hatte Rot/Grün das Atomgesetz novelliert und damit eine Verabredung des Atomkompromisses eingelöst. Die Unversehrtheit des Salzstocks Gorleben sollte auf 10 Jahre erhalten bleiben, um dort ein nukleares Endlager einrichten zu können. Im dafür bezeichneten Planungsgebiet dürfen auf Grundstücken keine wesentlich wertsteigernden Baumaßnahmen durchgeführt werden. Insbesondere zielt die Verordnung darauf ab, zu verhindern, dass im Bereich des Salzstocks Gorleben Salz im soltechnischen Betrieb gewonnen wird oder dass Gaskavernen angelegt
werden. Mit der Salinas GmBH, die dort Salz abbauen möchte, sollte ein wirtschaftlicher Opponent in Schach gehalten werden.

Die sogenannte Veränderungssperre ist ebenfalls befristet. "Die Rechtsposition der Gorleben-Betreiber wankt. Das Jahr 2015 könnte in Schlüsseljahr werden, doch wir drängen natürlich schon jetzt auf die Aufgabe Gorlebens. Der Treck der Bauern nach Berlin und die Anti-Atom-Demo am 5. September soll ein anti-nuklearer Paukenschlag werden", sagte Ehmke.

Im Herbst 2010 endet das "Gorleben-Moratorium", dass eine weitere Erkundung des Salzstocks bisher unterbunden hatte. Bei einer als wahrscheinlich geltenden Wahl von CDU/FDP als Regierungskoalition wird voraussichtlich auch das Moratorium kippen. Die Energiebetreiber drängen schon seit Jahren auf Aufhebung des Moratoriums. Sie möchten lieber heute als morgen sehen, dass mit der Erkundung fortgefahren und Gorleben möglichst bald zum Endlager ausgebaut wird.

Gabriel: CDU/CSU vor Endlager-Gau in Gorleben

"CDU und CSU sind mit ihrer Strategie für ein atomares Endlager in Gorleben vor die Wand gefahren. Es rächt sich eben, wenn man immer nur die Interessen der Atomwirtschaft vertritt und mit dem Kopf durch die Wand will." So kommentierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die aktuelle Situation. Selbst bei einer Aufhebung des Erkundungsstopps und des Moratoriums im Jahr 2010, wie es das Atomgesetz vorsieht, wäre Gorleben bis zum Jahr 2015 nicht zu Ende zu erkunden, so Gabriel in einer Presseerklärung.

Gabriel verwies in diesem Zusammenhang auf sein Angebot aus dem Jahr 2006, Gorleben weiter zu erkunden. Gabriel: "Es waren die früheren Regierungen von CDU und FDP, die diese bis 2015 befristeten Verträge mit den Grundstückseigentümern geschlossen haben. Und diese Verträge beziehen sich zudem nur auf die Erkundung. Ein denkbarer Bau eines Endlagers ist von den Grundstückseigentümern in diesen Verträgen überhaupt nicht geregelt. Wenn jetzt das Heulen und Zähneklappern der CDU/CSU und der Atomwirtschaft losgeht, sollten sie sich fragen, warum sie unser Angebot zur weiteren Erkundung Gorlebens aus dem Jahr 2006 so arrogant abgelehnt haben." Den "Gau ihrer Atomstrategie" hätten CDU und CSU selbst zu verantworten.

Das Bundesumweltministerium hatte nämlich im Jahr 2006 dem Bundeskanzleramt und der Union vorgeschlagen, Gorleben weiter zu entwickeln und das immer noch geltende Moratorium des Erkundungsstopps vor 2010 aufzuheben. Dann hätte man möglicherweise die Erkundung vor 2015 abschließen können. Bundesumweltminister Gabriel: "Das war allerdings an zwei Bedingungen geknüpft: Erstens die Festlegung von Sicherheitskriterien für Endlager vor der Standortprüfung. In Gorleben ist es genau umgekehrt gelaufen, denn die Sicherheitskriterien wurden anhand des Standorts entwickelt, ein wirklich abenteuerliches Vorgehen. Und zweitens den Vergleich mehrerer Standorte mit diesen Sicherheitskriterien, so wie es internationaler Standard ist und wie es die Schweiz, Frankreich oder Skandinavien macht." Genau dies ist aber von CDU und CSU harsch abgewiesen werden. Gabriel: "Bayern und Baden-Württemberg rufen zwar am lautesten nach mehr Atomstrom, aber wenn es um die Endlagersuche geht, dann gilt das - St. Florians-Prinzip." Diese alleinige Konzentration auf Gorleben sei nun gescheitert.

Gabriel sieht kaum Chancen auf eine weitere sachgerechte Erkundung Gorlebens: "Schon heute macht die geplante Erkundungsstrecke mehr den Eindruck, dass sie sich nach Grundstücksgrenzen orientiert statt nach geologischen Sicherheitskriterien. Jedes Verwaltungsgericht würde die Frage aufwerfen, warum die geplante Erkundungsstrecke derartig seltsam verläuft." Nun müssten allerdings erst einmal jahrelange Enteignungsverfahren durchgesetzt werden, für die es aber im Atomgesetz keinerlei Rechtsgrundlage mehr gibt. Diese wurde unter der Bundesregierung von Gerhard Schröder gestrichen. Gabriel: "Wir wollten nicht mit der Axt und durch Gewalt die Interessen der Atomwirtschaft durchsetzen. Das allerdings droht nun durch CDU und FDP. Die großen Strategen aus CDU/CSU und FDP, die nach der Bundestagswahl zusammen regieren möchten, können schon mal ein beinhartes Enteignungsverfahren in ihre Wahlkampfprogramme aufnehmen. Denn ohne das wird es nicht gehen. Mal sehen, ob sie dagegen auch - so energisch wettern wie gegen die Enteignung von Banken im Rahmen des Finanzskandals", sagte Gabriel.

Der Bundesumweltminister glaubt allerdings nicht, dass diese Enteignungsverfahren so ohne weiteres durch die Gerichte gedeckt würden. Denn es fehlt an der Prüfung, ob man an anderer Stelle in Deutschland und ohne Enteignung nicht einen sicheren Endlagerstandort als in Gorleben finden könnte. Z.B. im bayerischen oder baden-württembergischen Staatswald. "Womit wir wieder bei der Prüfung von Standortalternativen wären, die CDU/CSU aus blanker Feigheit verweigert haben. Nun werden sie wohl dazu gezwungen sein", so Gabriel.

Foto: Timo Vogt/randbild

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2009-08-22 ; von Angelika Blank (autor),

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