Thema: atompolitik

Tschernobyl: Droht eine weitere Katastrophe?

28 Jahre ist es nun her, seit in Tschernobyl in der Region Kiew, der Reaktorblock IV des dortigen Atomkraftwerks explodierte und eine radioaktive Wolke über Europa schickte. Angesichts der Krise in der Ukraine ist es höchst fragwürdig, wann es jemals eine sichere Hülle um den immer noch offen liegenden zerstörten Reaktorblock geben wird.

Obwohl die Explosion des Reaktorblocks Radioaktivität über ganz Europa schickte, war damals dennoch nur ein Bruchteil der im Block IV enthaltenen Radioaktivität entwichen. Über 90 % des radioaktiven Materials - ca. 200 Tonnen - befinden sich heute noch in dem eingestürzten Gebäude. Eigentlich sollte bereits 2007 eine zweite Hülle um den maroden Reaktorblock gezogen sein, doch die Planungen verzögerten sich immer wieder. 

Ein erster "Sarkophag", Bereits 1986 noch zu Zeiten der Sowjeetunion schnell über den zerstörten Reaktorblock gezogen, ist längst rissig. Jederzeit kann Radioaktivität durch die Luft oder das Grundwasser austreten. Erst im Februar 2013 war durch Schneelast ein 600 qm großes Stück Dach über der Maschinenhallte in Block IV eingestürzt, nachdem ein Stützträger nachgegeben hatte. (siehe auch DIE ZEIT vom 15.02.2013) Radioaktivität war damals nicht ausgetreten, verletzt wurde ebenfalls niemand. Doch allen Beteiligten machte dieser Zusammenbruch klar, dass die Zeit drängt.

Durch millionschwere Unterstützung der EU konnten 2010 immerhin die Fundamentarbeiten für das "New Safe Confinement" beginnen: Über einem Stahlgerüst, überzogen mit mehrschichtig aufgebauten Hüllen. Unterdruck soll dafür sorgen, dass keiner Strahlung nach außen dringen kann. 180 Jahre soll dieses "NSC" halten - wenn es denn fertiggestellt werden kann.

Nach einem Bericht des Wochenmagazins DIE WELT zeigt sich der Geschäftsführer der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zwar optimistisch, dass das gigantische Gebäude zeitgerecht gebaut wird. Nach anderen Informationen fehlen aber immer noch immense Summen, man redet von 600 Mio. Euro, um den neuen Sarkophag fertigzustellen. 

So melden zum Beispiel die "Deutsch-Türkische Nachrichten" , dass die Fertigstellung der neuen Schutzhülle in Frage steht. Demnach "scheint es, als ob Russland sein Versprechen aufgegeben hätte, weitere Gelder für den neuen Sarkophag zu sammeln," so die DTN. In der Türkei befürchtet man, dass der Bau der Schutzhülle sich um weitere zwei Jahre verzögern wird.

Zwei Jahre, in denen die rissige Hülle des ersten Sarkophags jederzeit Radioaktivität nach außen abgeben kann. Und niemand weiß, was sich im Inneren des ehemaligen Reaktorblocks IV abspielt. Die politische Situation in der Ukraine lässt außerdem befürchten, dass das Land seinen Eigenanteil von ca. 50 Mio. Euro zu den Kosten nicht wird beisteuern können - der weitaus größte Teil der 1,4 Mrd. Euro hohen Bausumme wird allerdings von einem internationalen Konsortium getragen.
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Unterdessen berichtet Smithsonian.com über eine aktuelle Studie von Umweltbiologen, die herausgefunden haben, dass Insekten, Pilze und Mikroben in den Wäldern rings um Pripjat ihrem Auftrag für Verrottung zu sorgen, offenbar nicht mehr nachkommen. Nach einem Jahr hatten heruntergefallene Blätter immer noch über 60 % ihres Gewichts zu "Lebzeiten" - normal ist ein Gewichtsverlust in diesem Zeitraum von 70 - 90 %. Die Wissenschaftler sprechen von einer "mikrobiellen Todeszone". 

Foto (Archiv): Die Atomarbeiterstadt Pripyat im Jahr 2011





2014-04-25 ; von Angelika Blank (autor),
in Tschernobyl, Oblast Kiew, Ukraine

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