Betretene Gesichter bei den MitarbeiterInnen des Bildungszentrums Jagdschloss Göhrde e.V.: Am Mittwoch morgen war nun der Tag gekommen, den sie hofften, noch einge Zeit hinauszögern zu können. Die neue Eigentümerin, die Politik- und Projektmanagement Jagdschloss Göhrde GmbH & Co. Kg in Vertretung ihrer Geschäftsführerin (und einzigen Kommanditistin) Sieglinde Gränzer, hatte kurzerhand entschlossen, nun endgültig die Räumung des Bildungsvereins vom Jagdschloss Gelände und aller Nebengebäude in Angriff zu nehmen.
Nachdem am Dienstag noch das Landgericht Lüneburg den letzten Einspruch gegen die Vollstreckung des Räumungsurteils zurückgewiesen hatte, war am Mittwoch nun das Ende eines lang andauernden Konfliktes angesagt: unter Verstärkung eines Justiz-Wachtmeisters rückte die zuständige Gerichtsvollzieherin an und liess sich von den Mitarbeitern des Bildungsvereins sämtliche Schlüssel aushändigen. Unter der Last der über 100 Schlüssel ging der Justizbeamte zwar etwas in die Knie - aber die Räumung des Geländes nahm davon unbehindert ihren Fortgang. "Besitzeinweisung" hiess das juristische Fachwort für die schlichte Tatsache des Rausschmisses aller Bildungsverein-MitarbeiterInnen vom Gelände des Jagdschlosses Göhrde.
Ein jahrelanger Konflikt findet sein (vorläufiges) Ende
Vorausgegangen waren ein mehrere Jahre andauernder Konflikt um Rechte und Pflichten einer Eigentümerin und ihrer Mieter, der in mehreren Klagen endete. Hier forderte der Bildungsverein vom Land einen Schadensersatz für nicht durchgeführte Instandsetzungsarbeiten und längst überfällige Sanierungen. Dort klagte eine Eigentümerin ihr Eigentums- und damit Betretens- und Überprüfungsrecht ein. Beide Parteien konnten sich über zwei Jahre nicht über ein mögliches Übergabeverfahren einigen.
Eigentlich hätte der Verein Bildungszentrum Jagdschloss Göhrde e.V. noch einen Mietvertrag bis 2016 in der Tasche gehabt. Doch die - seit 2006 - neue Eigentümerin fand einen Passus im Mietvertrag, der es dem Bildungsverein untersagte, "wirtschaftliche Tätigkeiten" durchzuführen. Was im Einverständnis mit dem Land Niedersachsen, der ehemaligen Eigentümerin, überhaupt kein Problem war, nämlich die Vermietung von Räumlichkeiten zu verschiedenen Zwecken, entpuppte sich unter der Regie der neuen Eigentümerin als Achilles-Ferse: genau in der "wirtschaftlichen Nutzung", sprich der Vermietung von Räumlichkeiten für Kurse, Seminare oder private Feierlichkeiten, sah das Landgericht Lüneburg einen außerordentlichen Kündigungsgrund des Mietvertrages. Das Oberlandesgericht Celle würgte die Berufung gegen dieses Urteil ohne mündliche Verhandlung im Ansatz ab und sah lapidar "keinen gegenteiligen Vortrag des Bildungsvereins".
Also hatte das Räumungsurteil des Landgerichts Lüneburg Gültigkeit. Letzte Versuche, die Vollstreckung hinauszögern, schlugen fehl. Noch am Dienstag wies das Landgericht eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Vollstreckungssschutzes zurück, so dass einer Räumung durch den Gerichtsvollzieher nichts mehr im Wege stand.
Am Wochenende war der Konflikt eskaliert, als Vorstandsmitglieder des Bildungsvereins durch Schubsen versuchten, die Geschäftsführerin der Eigentümer-GmbH, vom Gelände zu vertreiben. Dabei war Sieglinde Gränzer nach eigenen Angaben gestürzt, hatte sich eine Platzwunde zugezogen. Ergebnis der Auseinandersetzung: hier eine Anzeige wegen Körperverletzung, dort eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob und gegen wen nun tatsächlich ein Verfahren in Gang gesetzt werden muss. Ein jämmerlicher Höhepunkt eines lange dauernden Konfliktes.
Dies war wohl der Auslöser, warum Geschäftsführerin Gränzer nun auf einer schnellen Räumung bestand. Fast alle 18 MitarbeiterInnen mussten tatenlos zuschauen, wie sämtliche Schlüssel des Geländes an Frau Gränzer übergeben wurden. Zu neuerlichen Auseinandersetzungen kam es während der Übergabe nicht. Offen bleibt, welche Möbel und Wertgegenstände der Bildungsverein mit in seine eigenen Räumlichkeiten auf der anderen Strassenseite - das ehemalige "Forsthaus", übernehmen darf. Denn Sieglinde Gränzer macht wegen angeblich ausstehender Mietrückstände ihr Vermieterpfandrecht geltend.
Vorstandsvorsitzender Ulrich Löb will dennoch die Tätigkeit des "Bildungszentrums Jagdschloss Göhrde e.V." nicht ganz ad acta legen. "Bis zum Ende des Jahres werden wir in verminderter Stärke unsere Bildungstätigkeit fortsetzen", so Löb am Rande der Räumung. "Wie es danach weitergeht, wissen wir allerdings nicht, den wir können vermutlich nicht auf Förderung durch Landesmittel hoffen." So müssen 18 MitarbeiterInnen den Gang zum Arbeitsamt antreten - es sei denn, sie lassen sich auf vorerst unklare Arbeitsverträge mit der neuen Eigentümerin ein, die angekündigt hat, "jede Menge Mitarbeiter" für ihr Projekt eines internationalen Bildungszentrums mit europäischer Ausrichtung zu benötigen. "Da können sich auch gerne ehemalige Mitarbeiter des Bildungszentrums bewerben", so Gränzer.
Für die MitarbeiterInnen kling dies wie Hohn: "Erst schickt sie uns alle in die Arbeitslosigkeit und nun möchte sie uns für 400-Euro-Verträge wieder einkaufen", klingt es aus den Reihen der MitarbeiterInnen.
Wie auch immer: für den Verein Bildungszentrum Göhrde e.V. ist auf dem Gelände des Jagdschlosses Göhrde Schluss mit seiner über 60-jährigen Bildungsarbeit. Was jetzt noch kommt, ist das Verhandeln von Herausgeben von Inventar und das Hinauszögern der absoluten Insolvenz mit abgespeckten Bildungsangeboten im gegenüberliegenden Forsthaus. Und womöglich noch Streitigkeiten über Kleinteiliges.
Die Politik- und Projektmanagement Jagdschloss Göhrde GmbH & Co. KG wird nun beweisen müssen, ob sie ihre vollmundig angekündigten Konzepte einer "europäischen orientierten Bildungsarbeit", einer "Akademie für internationales Unternehmertun" oder einem "Unternehmerzentrum" realisieren können. Dazu bedarf es eines umsetzungsfähigen Konzeptes und vor allem vieler finanzstarker Partner. Denn die dringend durchzuführenden Sanierungsarbeiten am Jagdschloss und seinen Nebengebäuden werden auf mindestens 2 Mio. Euro geschätzt.
Bisher war in der Öffentlichkeit nichts von finanzstarken Kooperationspartnern zu hören und sehen - ja, selbst die beteiligten Kommunen hielten sich bedeckt, was die Unterstützung der Politik- und Projektmanagement GmbH & Co. KG angeht. So bleibt abzuwarten, ob das dringend sanierungsbedürftige historische Jagdschloss Göhrde einer umfassenden Sanierung entgegen sehen kann. Und ob 8000 Übernachtungen im Jahr sowie 25 Arbeitsplätze von der neuen Eigentümerin ebenso geleistet werden wie vom Bildungsverein Jagdschloss Göhrde e.V.
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