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5G Infoveranstaltung: "ein elektronisches Panoptikum"

Nur Kritiker referierten am Dienstag Nachmittag in Hitzacker über Risiken der umstrittenen 5G Technologie. Ihr Resümee: Beide Referenten fordern einen Ausbaustopp, da es nach ihrer Ansicht bisher zu wenig Informationen über die Folgen für Gesundheit und Umwelt gibt. UPDATE/KORREKTUREN

Der Landkreis hat beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur einen Beitrag für den 5G-Innovationswettbewerb eingereicht. In Kurzform: mit der 5G-Technologie sollen verschiedene Arbeitsgänge in der Landwirtschaft optimiert werden.

Auf einer Kreistagssitzung im Juni war deutlich geworden, wie kontrovers die Debatte um den Einsatz von "5G" geführt wird. Um mehr Informationen zu erhalten, gab es am Dienstag auf Initiative der Grün/Soli Abgeordneten eine Veranstaltung, auf der es umfassende Informationen zu der umstrittenen Technologie geben sollte.

Erstaunlicherweise traten dort mit Peter Hensinger und Prof. Wilfried Kühling zwei langjährige Kritiker auf. Während Hensinger Gesundheits- und Umweltfolgen sowie gesellschaftliche Konsequenzen in den Fokus nahm, konzentrierte sich Prof. Kühling hauptsächlich auf die rechtlichen Aspekte.

Nach Informationen aus dem Kreishaus liegt diese einseitige Referentenbesetzung daran, dass u.a. wegen der Corona-Krise in Frage kommende Vortragende ihre Teilnahme abgesagt hatten. Geplant sei aber eine spätere Veranstaltung, in der zum Beispiel Vertreter des Bundesamtes für Strahlenschutz zu Wort kommen sollen.

Hensinger: "Das elektronische Panoptikum"

Hensinger, der sich seit langem bei der Initiative "Diagnose-Funk" mit den Risiken der 5G-Technologie beschäftigt, nahm zunächst die gesellschaftlichen Folgen ins Visier: Demokratieverlust, zunehmende Möglichkeiten der Überwachung etc.

Dass durch 5G-Anwendungen Transparenz und Demokratie geschaffen würden, hält Hensinger für einen Mythos. Das Gegenteil sei der Fall. Als Beleg zitierte er einen Absatz aus der Smart City Charta der Bundesregierung, nach dem sich Wahlen durch die umfangreichen Dateninformationen erübrigen würden. Was Hensinger verschweigt: der zitierte Passus ist Teil des Beitrags eines finnischen Autoren, der für die Charta skizzierte, welche positiven - aber auch negativen - Auswirkungen die nächste Phase der Digitalisierung haben könnte - wenn nicht gegengesteuert wird.

In den Leitlinien der Charta wird dagegen klar definiert, dass durch die weitere Digitalisierung eine "eine breite Teilhabe und Mitgestaltung der Zivilgesellschaft an kommunalpolitischen Prozessen erleichtert werden soll."

Im Weiteren beschäftigte sich Hensinger hauptsächlich mit den (womöglichen) gesundheitlichen Folgen der erhöhten Strahlung durch 5G-Verteiler. Müdigkeit, Nervösität, "oxidativer Zellstress" und "möglicherweise" krebserregende Wirkung sei in über 1000 biologisch-medizinischen und 310 epidemiologischen Studien beschrieben worden. Hensinger räumte allerdings ein, dass es an Langzeitstudien fehlt, die eine konkrete Risikoabschätzung möglich machen würden.

Auch was Nachhaltigkeit angeht, sei die 5G-Technologie kritisch zu betrachten. Es gäbe Studien, die negative Auswirkungen auf z.B. Insekten feststellen. Für Hensinger wirkt 5G "als Brandbeschleuniger für nicht nachhaltige Entwicklungen" wie z.B. der Abbau seltener Erden.

Nicht nur in diesem Punkt gab es in dem Vortrag immer wieder Unklarheiten darüber, ob von 5G-Anwendungen die Rede ist oder allgemein von Mobilfunk- bzw. Smartphone-Nutzungen.

Im Resümee forderte Hensinger einen Stopp des 5G-Ausbaus, denn: "Der Stand der Technikfolgenabschätzung lässt eine Zulassung derzeit nicht zu."

Kühling

Auch der zweite Referent am Nachmittag, Prof. Wilfried Kühling, ließ keinen Zweifel an seiner grundskeptischen Haltung zu 5G-Anwendungen. Kühling weiß, dass es die Möglichkeiten zum Überwachungsstaat jetzt schon gibt. "Aber sie werden zur Repression noch nicht benutzt," so Kühling. "Wir installieren gerade 2184." Es müsse also dringend eine gesellschaftliche Debatte darüber geführt werden, was Politik an Überwachung zulassen soll und darf.

In der Risikobewertung gäbe es ebenfalls einen Systemfehler. Die Unsicherheit bei Entscheidungen über komplexe Zusammenhänge werde meist auf die Wissenschaft abgewälzt. "Notwendig wäre aber eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Legislative und Exekutive, die gemeinsam eine Klärung des Problems herbeiführen," so Kühling.

Was können Gemeinden tun?

Nach Kühlings Ansicht haben Kommunen sehr wohl die Möglichkeit, in 5G-Planungn einzugreifen.

Reduzierung von Antennenstandorten durch lokales Roaming, Kennzeichnung öffentlicher WLAN-Hotspots, 5G-Mikrozellen etc., automatische Reduzierung bzw. Abschaltung der Sendeleistung bei Nichtgebrauch von mit Hochfrequenz arbeitenden Geräten könnten durch die Kommunen reguliert werden.

Auch im Baurecht sieht Kühling einige Möglichkeiten. "Grundsätzlich müssen Gemeinden immer gehört werden, wenn in ihrem Bereich neue Projekte umgesetzt werden sollen," erläuterte Kühling. "Und über die Bauleitplanung gibt es diverse Möglichkeiten, Projekte zumindest zu relativieren." Eine Verhinderungsplanung sei zwar nicht möglich, sehr wohl aber die Benennung von realistischen Alternativen.

Nach dem Baugesetzbuch sollen Bauleitpläne dazu beitragen, "eine menschenwürdige Umwelt zu sichern ...." (u.a. gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit ...).

"Wie bei anderen gesetzlichen Vorschriften spielt auch im Baurecht das Vorsorgeprinzip keine Rolle, so Kühling. "Auch hier wird lediglich nach konkreter Risikogefahr entschieden, aber nicht nach Vorsorgeüberlegungen." 

Im Fazit kommt auch Kühling zu dem Schluss, dass der Ausbau von 5G gestoppt werden muss, denn trotz vielzähliger Studien seien die Auswirkungen der höheren Strahlungen wie sie bei 5G-Anwendungen entstehen, bisher nicht ausreichend nachgewiesen.

Coronabedingt konnten nur wenige Dutzend Zuschauer die Veranstaltung live verfolgen. Interessierte können aber in den nächsten Tagen die Videoübertragung auf den Seiten des Landkreises anschauen.

Die Referenten .... legen Wert auf folgende Korrekturen/Feststellungen:

PETER HENSINGER

(die kursiv gesetzten Absätze sind Originalzitate aus dem obigen Artikel. In gerader Schrift gesetzt die Anmerkungen/Korrekturwünsche)

"Dass durch 5G-Anwendungen Transparenz und Demokratie geschaffen würden, hält Hensinger für einen Mythos. Das Gegenteil sei der Fall. Als Beleg zitierte er einen Absatz aus der Smart City Charta der Bundesregierung, nach dem sich Wahlen durch die umfangreichen Dateninformationen erübrigen würden. Was Hensinger verschweigt: der zitierte Passus ist Teil des Beitrags eines finnischen Autoren, der für die Charta skizzierte, welche positiven - aber auch negativen - Auswirkungen die nächste Phase der Digitalisierung haben könnte - wenn nicht gegengesteuert wird."

Ich verschweige nicht, dass dieses Zitat ein Beitrag eines finnischen Autors ist (S. 43 in der Charta), sondern betone dies im Vortrag ausdrücklich (Minute 9:55), ebenso steht dies im Vortragsmanuskript, das Sie erhalten haben.

"Hensinger räumte allerdings ein, dass es an Langzeitstudien fehlt, die eine konkrete Risikoabschätzung möglich machen würden."

Das habe ich an keiner Stelle ausgeführt, im Gegenteil. Ich führte aus, dass ich vor 15 Jahren in Vorträgen noch keine eindeutige Aussage machen konnte, weil Krebs eine Latenzzeit von 20-40 Jahren hat, und deshalb jetzt, also nach längerer Nutzung dieser Technologie und neuen Forschungen, durch die Datenlage gesicherte Aussagen, also eine Risikoabschätzung, gemacht werden können.

3. Sie schreiben: "Nicht nur in diesem Punkt gab es in dem Vortrag immer wieder Unklarheiten darüber, ob von 5G-Anwendungen die Rede ist oder allgemein von Mobilfunk- bzw. Smartphone-Nutzungen."

Wo habe ich diese Unterscheidung nicht getroffen?  Ich führte erst Forschungsergebnisse zu GSM, UMTS und LTE aus, sowohl im Labor, zu Sendemasten als auch Handys, und ging dann in einem Cut zu 5G über, ohne diese Anwendungen zu vermischen.

PROF. WILFRIED KÜHLING

Bereits mit der Überschrift "elektronisches Panoptikum" wird die Veranstaltung mit der Bewertung als „Kuriositätenkabinett“ abgetan. Dies dürfte Irritationen auslösen, wenn man bedenkt, dass wissenschaftlich-rechtliche Fakten zur Einordnung eines aktuellen Problemfelds vorgestellt wurden.

Im Einzelnen zeigt sich ihre Aussage "da es nach ihrer Ansicht bisher zu wenig Informationen über die Folgen für Gesundheit und Umwelt gibt" als unstimmig, da deutlich gemacht wurde, dass es tausende Studien gibt – sprich reichliche Informationen – allerdings die Beurteilung der Erkenntnisse den Mangel darstellt.

Auch die Formulierung „in dem Vortrag immer wieder Unklarheiten darüber, ob von 5G-Anwendungen die Rede ist oder allgemein von Mobilfunk- bzw. Smartphone-Nutzungen.“ Das ist so nicht exakt, da ich deutlich darauf hingewiesen habe, dass 5G-Anwendungen bereits jetzt mit den verschiedenen verwendeten Frequenzen des bekannten Mobilfunks (wie UMTS oder LTE und weiteren Frequenzen eingesetzt wird und von daher eine strikte Trennung so nicht möglich ist, die Kritik also bereits auch beim Einsatz der bisherigen Frequenzen anzusetzen ist.

Dass ich die Zahl 2184 in den Mund genommen haben soll, ist mir nicht gewärtig. Sollte das möglicherweise Herr Hensinger gesagt haben? Denn das Thema „Überwachungsstaat“ habe ich eigentlich nicht angesprochen.

Auch bei dem, was Gemeinden tun können, ist einiges durcheinandergeraten:

„Reduzierung von Antennenstandorten durch lokales Roaming“: dabei handelt es sich um zwei ganz verschiedene Aspekte, die nicht zusammengehören. Lokales Roaming war als eine generelle (nicht örtliche) Lösung vorangestellt, was aber nicht die Gemeinde betrifft, denn hierzu sind sicher bundesgesetzliche Vorgaben nötig.

Auch die „automatische Reduzierung bzw. Abschaltung der Sendeleistung bei Nichtgebrauch von mit Hochfrequenz arbeitenden Geräten“ bedarf einer bundesgesetzlichen Lösung im Verbraucherschutz und anderen Regelungen und war nicht für die örtliche Ebene vorgestellt (die Folienüberschrift war „Generelle Lösungen“).

Als deftige Falschaussage möchte ich dringend um Richtigstellung bitten. Sie schreiben:

"Wie bei anderen gesetzlichen Vorschriften spielt auch im Baurecht das Vorsorgeprinzip keine Rolle, "Auch hier wird lediglich nach konkreter Risikogefahr entschieden, aber nicht nach Vorsorgeüberlegungen."

Dies kommt einer völligen Verdrehung gleich: ich habe versucht deutlich zu machen (so wie es den rechtlichen Grundlagen und der juristischen Auffassung entspricht), dass die staatliche Planung/Bauleitplanung grundsätzlich der Vorsorge verpflichtet ist und von daher vorsorgend die Gestaltung des Raumes im Vorfeld einer technischen Ausbauplanung mit entsprechenden Umweltqualitätsnormen/Standorten/baurechtlichen Möglichkeiten vorgeben muss.

Auch der Schlusssatz „denn trotz vielzähliger Studien seien die Auswirkungen der höheren Strahlungen wie sie bei 5G-Anwendungen entstehen, bisher nicht ausreichend nachgewiesen.“ zielt schief, da es um den „Schutz vor“ Auswirkungen geht, der nicht ausreichend nachgewiesen ist.  


Foto | Angelika Blank: Coronabedingt konnten nur wenige Dutzend Interessierte den Vorträgen zu den Risiken der 5G-Technologie lauschen (hier Prof. Wilfried Kühling).




2020-09-17 ; von Angelika Blank (autor),
in Dr.-Helmut-Meyer-Weg 1, 29456 Hitzacker (Elbe), Deutschland

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