"Wat dem eenen sin Ul is dem annern sin Nachtigall" - diese norddeutsche Weisheit gilt auch für das Sommer-Hochwasser und die Störche. Während viele Menschen unter den Folgen immer noch leiden, schwelgten die Störche im prallen Futterangebot. Adele Borschel, die Storchenbeauftragte, hatte deshalb alle Hände voll zu tun.
Über 140 Storche wurden wegen des übergroßen Futterangebots dieses Jahr in Lüchow-Dannenberg gezählt - ein Rekord! Storchenbeauftragte Adele Borschel registriert, wann die Störche im Wendland ankommen, wie
viele Jungvögel sie aufziehen und wann sie wieder in den Süden ziehen.
Durch ihre Arbeit gibt es detailliertes Datenmaterial über die Störche im Wendland.
Während das Elbe-Hochwasser für die
Menschen entlang des Flusses eine Katastrophe war, bescherte es den
Störchen Zustände wie im Schlaraffenland.
Und noch etwas war neu: In Wussegel etwa setzte Adele Borschel ein verwaistes Jungtier aus Gummern in das Storchennest von Familie Busse, wo schon drei Storchenbabys saßen. In Hitzacker wurden ebenfalls Findelstörche dazugesetzt.
Wie kam es dazu? Ein Altstorch aus Gummern war verstorben und hinterließ vier Eier. "Eine Anwohnerin hatte beobachtet, dass der Storch immer umfiel, er litt wohl unter einer Nervenkrankheit", berichtet Adele Borschel. Die aufmerksame Frau verständigte die Storchenmama. Über sieben Stunden habe sie mit dem Fernglas angesessen und gewartet. "Als klar war: Da kommt kein zweiter Storch mehr, musste ich handeln! Denn ein einzelner Storch kann die Eier nicht warm halten, Das Brutgeschäft beruht auf Abwechslung", berichtet Adele Borschel.
Noch in der Nacht besorgte sie einen Hubsteiger und entnahm die vier Eier.
Sie wickelte sie in Wollpullover, legte eine Wärmflasche dazu und brachte sie zum Ausbrüten ins 100 Kilometer entfernte Leiferde in die NABU-Storchenstation. Was funktionierte!
Dann betrat sie Neuland: Sie holte die vier Jungstörche fünf Wochen später ab ab und verteilte sie auf verschiedene Nester im Wendland. "Wenn die Jungstörche ausgehorstet werden und neu in ein Nest dazu kommen, gucken die Altstörche erstmal komisch. In Vietze kam der Altstorch und machte einen langen Hals. Er hat dann das Futter rausgeschmissen, was ich den
Jungstörchen mitgegeben hatte: Rinderherzen. Das war ihm unheimlich. Lieber hat er dann sein Futter rausgewürgt, für die Kleinen".
Die Eltern haben den "Betrug" nicht mitbekommen und die zusätzlichen Kleinen sowohl in Vietze und Hitzacker als auch in Wussegel brav mit großgezogen. "Das war nur möglich, da wegen des Hochwassers in diesem Jahr soviel zu fressen war an der Elbe. Da haben wir rumtelefoniert und Nester gefunden," so Adele Borschel.
Ein verwaister Jungstorch aus Dangenstorf wurde auch entnommen und woanders eingesetzt. Diesmal hat uns die Feuerwehr aus Dannenberg geholfen, sonst nutzen wir den Hubsteiger von der Straßenmeister", berichtet die Strochenmama.
Für die Dokumentation aus der NDR Reihe "NaturNah" hat ein Team des NDR
Adele Borschel und ihre Störche während der gesamten Saison begleitet
und beeindruckende Bilder aus der Elbtalaue eingefangen. Die Sendung "NaturNah: Adele und die Störche " wurde am Dienstag dieser
Woche ausgestrahlt, in der NDR Mediathek ist sie noch zu sehen.
Foto Frontseite /Antje Busse: Karl und Jakob freuen sich, das bei ihrer Oma Rotraud Busse in
Wussegel ein Storchen-Findelkind ins Nest gesetzt wurde. Es war ein
Experiment, wie die Storchenbeauftragte Adele Borschel berichtet, und es
hat funktioniert. Vor kurzem verließ der Nachwuchs-Adebar das heimische
Nest in Richtung Afrika, drei weitere Waisenvögel waren in Hitzacker
heimisch geworden.