Nach der Anhörung des ehemaligen wissenschaftlichen Leiter der Asse, Professor Dr. Klaus Kühn, hagelt es Kritik der niedersächsischen Oppositionsparteien. Kühn hatte im Untersuchungsausschuss zugegeben, dass er bereits 1966/67 über die Schwachpunkte des Bergwerks informiert war - trotzdem hatte er später die Tauglichkeit des Bergwerks bescheinigt...
Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE im Landtag hat die Vernehmung des ehemaligen Asse-Chefs Prof. Dr. Klaus Kühn am Donnerstag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss noch einmal gezeigt, dass das ehemalige Bergwerk von Anfang an nicht zur Lagerung von Atommüll getaugt habe. Kurt Herzog, der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, erklärte dazu: "Herr Kühn hat die Untauglichkeit der Asse sogar zugegeben". Kühn hatte auf Nachfrage des Atomexperten der LINKEN erklärt, dass Bergwerke, die zu nah ans Deckgebirge gebaut wurden, nach Wassereintritten "abgesoffen" seien. Zu diesem Ergebnis sei er bereits 1966/67 nach einer Auswertung von Studien über "abgesoffene" Kalibergwerke gekommen. In einem Gutachten aus dem gleichen Jahr habe Kühn den geringen Abstand des Asse-Bergwerks zum Deckgebirge eingeräumt. "Herr Kühn kannte diesen absoluten Schwachpunkt der Asse genau, trotzdem hat er Wassereintritte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen", sagte Herzog. Später, in den 90er Jahren, habe Kühn in Interviews erklärt, dass der Abstand zwischen Deckgebirge und Bergwerkskammern für eine sichere Einlagerung von Atommüll in Salz mindestens 200 Meter betragen müsse, die dünnste Stelle in der Asse allerdings lediglich 20 Meter betrage. "Kühn hat somit seine selbst ermittelten Richtlinien zu Mindestabständen ignoriert und der Asse einen Freifahrtschein ausgestellt", sagte Herzog.
Bundesverdienstkreuz für Kühn - trotz Willfährigkeit
Skandalös sei, dass ausgerechnet Kühn wenig später das Bundesverdienstkreuz für seine herausragenden Leistungen in der atomaren Endlagerung bekam. "Herr Kühn war der willfährige Wissenschaftler: Seine Ergebnisse halfen den atomfreundlichen Politikern, den fatalen Weg ins Asse-Desaster zu beschließen. Kritiker wurden als Störer abqualifiziert", so Herzog.
Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (BI) kritisiert: "Kühn setzt auf Salz als Endlagermedium für radioaktive Abfälle und plädiert selbst jetzt, nachdem seine Mitschuld für das Asse-Debakel Thema der Befragung ist, gleich für das nächste Debakel: für Gorleben. Doch sein Lebenswerk, die Asse II, säuft ab." Mit großer Aufmerksamkeit verfolgen deshalb auch die Gorleben-Gegner, wie sich Kühn vor dem Untersuchungsausschuss äußerte, denn immer noch trägt nach Ansicht der BI sein Renommee ("Endlagerpapst") dazu bei, dass sich Politiker auf seine Aussagen berufen.
Keine Konsequenzen
Der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen Stefan Wenzel sieht mit dem Auftritt des ehemaligen wissenschaftlichen Leiters der Asse Professor Kühn vor dem Landtagsuntersuchungsausschuss ein "beängstigendes Verständnis von Wissenschaft" demonstriert. "Dem Zeugen waren die vielfältigen Bedenken und Warnungen hinsichtlich der Einlagerung in der Asse frühzeitig bekannt", sagte der Grünen-Politiker. Gleichwohl seien keine Konsequenzen daraus gezogen worden. "Der Hinweis auf den seinerzeit anderen Stand der Technik entbindet Herrn Kühn nicht von der Verantwortung". Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass der ehemals führende Wissenschaftler für Endlagerfragen hinter den Kulissen alle kritischen Fachäußerungen zur Asse vom Tisch gefegt habe. "Es gab immer zwei Wahrheiten: eine für die Öffentlichkeit und eine andere für die interne Arbeit", sagte Wenzel. "Der ehemalige Asse-Leiter ist jahrelang als Wissenschaftler aufgetreten, hat aber nicht wie ein Wissenschaftler gehandelt. Sein Kampfauftrag war es, der Atomindustrie den Weg für die billige Entsorgung frei zu räumen". Damit sei dem Vertrauen in Wissenschaft und Forschung ein Bärendienst erwiesen worden.
Angesichts dieses leichtfertigen Umgangs mit den Tatsachen, sei es eher beunruhigend, wenn Herr Kühn heute noch Erklärungen zur Sicherheit des Salzstocks in Gorleben abgibt. Interessant sei in diesem Zusammenhang, dass der Zeuge sich nicht mehr daran erinnern kann, dass er noch 2001 ausgeführt hat, dass es das Ziel der Arbeit in der Asse gewesen sei, für ein geplantes Endlager im Salzstock Gorleben die entsprechenden Techniken und die wissenschaftlich-technischen Daten zu ermitteln. Wenzel geht davon aus, dass der Zeuge Kühn zu mindestens einer weiteren Befragung vor dem Ausschuss eingeladen werden muss. Dies wird wohl erst im März 2010 stattfinden - einen früheren Termin hatten die Mehrheitsfraktionen im Untersuchungsausschuss abgelehnt.
Grafik: Modell der geologischen Formationen im Schacht Asse II (Helmholtz-Zentrum München)
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