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Strahlende Lauge im Atommüll-Lager

Die Asse leckt. Was Atomkraftgegner schon seit Jahren behaupten, hat nun auch Bundesumweltminister Gabriel auf den Plan gerufen. Nach einer schockierenden Sitzung des Umweltausschusses in Hannover hat auch er jetzt "begründete" Zweifel an der Zuverlässigkeit und Fachkompetenz der Betreiber des Endlagers für schwach- und mittel radioaktiven Abfall bei Wolfenbüttel. Für heute (Dienstag) wurde der niedersächsische Umweltminister Sander zu einem Krisentreffen nach Berlin einbestellt. Dort soll er Forschungsministerin Schavan und Umweltminister Gabriel Auskunft über die Vorfälle in der Schachtanlage bei Wolfenbüttel geben.

Ursache für die aktuelle Aufregung: im niedersächsischen Umweltausschuss wurde letzte Woche erstmalig auch von den Betreibern von "ASSE II", dem Helmholtz-Institut in Wolfenbüttel, dass schon seit Jahren mit Cäsium 137 verseuchte Lauge aus Schächten in 750 m Tiefe austritt.

Die Belastung mit Cäsium 137 durch die Laugenzuflüsse läge an einer Stelle um das 8-fache, an anderer Stelle um das 3-fache über den Grenzwerten - hatten Gutachter festgestellt und der Betreiber inzwischen zugegeben. Noch am 30. April 2008 sei der Landkreis Wolfenbüttel von der Betreiberfirma Helmholtz-Gesellschaft über die Belastung der Laugen mit Radioaktivität wahrheitswidrig informiert worden, so Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Niedersächsischen LandtagsGrünen. In einer schriftlichen Stellungnahme der Helmholtz-Gesellschaft habe es geheißen, dass die Belastung lediglich "im Bereich der Umweltradioaktivität" liege. Staatssekretär Birkner musste eingestehen, dass der Landtag bei vorhergehenden Unterrichtungen keinerlei Informationen über die Belastung mit dem Radionuklid Cäsium 137 bzw. Tritium erhalten habe.

Nach Angaben des Niedersächsischen Umweltministeriums und des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) habe es durch die kontaminiserten Laugenaustritte keinerlei Gefahr für Angestellte und Umgebung gegeben. Für Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gibt es hierfür allerdings keinerlei Nachweise. Er will genau belegt haben, welche Laugen und Materialien seit wann wie behandelt wurden.

Betreiber der ASSE ungeeignet?
Aus einem parteiinternen Brief von Gabriel wird auch massive Kritik an den beteiligten Behörden deutlich: zum einen habe das (LBEG) das Landesministerium nicht bzw. falsch über kontaminierte Laugen und verbrachte Materialien informiert, zum anderen habe das Ministerium auf strahlenrechtliche Vorgänge nicht reagiert.

Gabriel stellt weiter fest: bereits seit 2005 wurden Laugen und Materialien vom Betreiber ohne Genehmigung verpresst. Ein im März erlassener Sonderbetriebsplan habe nicht die erforderliche Genehmigung nach Strahlenschutzrecht. Hier fordert Gabriel vom Niedersächsischen Ministerium, den Betreiber nun zu veranlassen, diese Genehmigung zu beantragen.

Insgesamt kommt Gabriel zu dem Schluß, dass begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit und Fachkompetenz des Betreibers des Endlagers ASSE II bestehen, dass das LBEG das Landesministerium nicht bzw. falsch informiert hat und das erhebliche Kommunikationsmängel zwischen den drei für die ASSe zuständigen Stellen: Betreiber, LBEG und NMU bestehen. Doch vorerst begnügt sich der Bundes-Umweltminister - dem die Atomaufsicht unterliegt - damit, vom niedersächsischen Umweltministerium einen umfassenden Statusbericht zu fordern, der neben der Feststellung der eingelagerten Stoffe auch eine Dokumentation über den Umgang mit radioaktiven Stoffen im Grubengebäude sowie sämtliche rechtlichen Grundlagen des Betriebs der Anlage enthalten soll. Weiter soll in Niedersachsen geklärt werden, ob im Helmholtz-Institut als Betreiber des Endlagers hinreichende Fachkunde vorhanden ist und ob die vom Niedersächsischen Ministerium angekündigten Maßnahmen zu einer Verbesserung in der Aufsichts- und Genehmigungsfunktion führen.

Umweltminister Sander hat zunächst einmal alle Arbeiten, insbesondere die Verfüllung der Schächte stoppen lassen. Nur die sicherheitsrelevanten Arbeiten gehen weiter, wie Pressesprecherin Jutta Kremer-Heyher erklärte. Bereits im November 2007 war in Abstimmung mit dem Bundesumweltministerium ein Maßnahmenplan entwickelt worden, zu dem ein Prüfungsbericht Mitte 2008 gehörte. Dieser Bericht fiel nun deutlich anders aus, als Minister Sander es im November 2007 noch sehen mochte - oder konnte. Denn auch Gabriel gesteht Sander zu, dass er von den Vorgängen in der ASSE erst am 18.06. erfahren habe. Wie das allerdings mit der Zuständigkeit für die Aufsicht und Genehmigung von atomaren Endlagern zusammenpasst, bleibt vorerst im Dunkeln.

Untersuchungsausschuß soll Vorgänge klären
Nicht nur deswegen fordern die niedersächsischen Grünen jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Im Vergleich zu Bundes-Umweltminister Gabriel drücken sich die niedersächsischen Grünen wesentlich drastischer aus. Für sie hat Minister Sander seine Aufsichtspflicht grob vernachlässigt. Auf ihrer gestrigen Fraktionssitzung haben die 12 Landtagsabgeordneten den Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zur Aufklärung der politischen Verantwortlichkeiten für das Desaster im Atommülllager Asse II beschlossen.

Die bisherigen "Unterrichtungsversuche" hätten lediglich den weiteren Klärungsbedarf verdeutlicht, sagte der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel. Es bestehe der Verdacht, dass das von Minister Sander geführte Umweltministerium seine Aufsichtspflichten vernachlässigt habe, dass Melde- und Nachweispflichten nicht eingehalten wurden und es zu rechtswidrigen Entscheidungen gekommen sei.

Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass die Asse der Prototyp für das geplante Endlager in Gorleben sein sollte. "Es ist beängstigend, mit welcher Lässigkeit die Verantwortlichen ihren Umgang mit Radioaktivität gepflegt haben", sagte Wenzel. "Wenn die Asse das Vorbild für Gorleben sein sollte, dann ist die Entsorgung von Atommüll gescheitert."

Die von Bundesumweltminister Gabriel geforderten Maßnahmen reichen den Grünen nicht aus: "Nach unserer Ansicht ist Minister Gabriel da zu kurz gesprungen", so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dr. Gabriele Heinen-Kljajic, "die ASSE gehört in die Zuständigkeit des Bundes, denn dort liegt die Zuständigkeit für die Atomaufsicht."

Bei den Kritikern der Nutzung des ehemaligen Salzbergwerks bei Wolfenbüttel als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll stieß schon immer auf Unverständnis, dass Asse II nicht dem Atomrecht untersteht. Mit der Verabschiedung des Atomgesetzes wurde schlicht die Einlagerung eingestellt und es fand nie ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren statt. Immer noch ist für Asse II das Bundesforschungsministerium und nicht wie für Atomanlagen vorgesehen das Bundesumweltministerium zuständig.

Die Grünen werden ihren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in der nächsten Woche in den Landtag einbringen. Wenn sich dafür entsprechende Mehrheiten finden, könnte der Untersuchungsausschuss nach der Sommerpause seine Arbeit aufnehmen.

Am 5. Juli soll an der Asse demonstriert werden: gegen den Weiterbetrieb, für die Entfernung der Fässer aus den Schächten. Denn nach Aussagen von Fachleuten wird bereits in 150 Jahren die radioaktive Belastung so gross sein, dass sie auch in der Umwelt spürbar wird - wenn nichts unternommen wird.

Mehr Informationen über Asse II und die Protestaktivitäten gibt es hier: www.asse2.de

Foto: Ursula Kleber/aufpassen.org

 




2008-06-24 ; von angelika blank (autor),

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