Thema: atompolitik

Wir können uns Atomkraft nicht leisten (1)


Glaubt man der CDU und ihren Energiepropheten, so gibt es nur eine Chance, das Ziel des G8-Gipfels zu erreichen, bis 2050 die Hälfte des CO2-Ausstoßes zu reduzieren: den Ausbau der Atomkraft. Doch es gibt einige seriöse Wissenschaftler, die das für Unsinn halten.

Um den größten Irrtum in der aktuellen Debatte herauszufinden, braucht's allerdings keine Wissenschaftler: für die Bekämpfung des aktuellen Dauer-Aufregers, die ständig steigenden Kosten für Treibstoff, ist der Ausbau der Atomkraft völlig unbedeutend. Atomkraft wird lediglich für die Stromproduktion benötigt, und nicht um Kraftfahrzeuge anzutreiben. Die Entwicklung von strombetriebenen Fahrzeugen steckt derzeit noch derart in den Kinderschuhen, dass im Konsumentenalltag lediglich Rasenmäher und Rollstühle durch Strom mobil gemacht werden.

Auch jenseits des Treibstoff-Problems gibt es genügend Gründe, die Atomkraft nicht weiter auszubauen.

Die Zeit

Die Bauzeit eines neues AKWs inklusive Genehmigungsverfahren beträgt im Minimum zehn Jahre. Erfahrungswerte zeigen allerdings, dass die durchschnittliche Bauzeit bis zum Anfahren der Anlage 22 Jahre beträgt. Je nach Akeptanz in der Bevölkerung und regionalen Bedingungen kann es aber durchaus auch sehr viel länger brauchen. Die längste bekannte Bauzeit wurde beim US-Reaktor Watts Bar -2 registriert. Dort wurde der Bau im Jahre 1972 begonnen – und ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Bei einem iranischen Bauprojekt wurde bereits im Mai 1975 begonnen– auch dort gibt es immer noch Verzögerungen (die nichts mit internationaler Ablehnung zu tun haben).

Die 16 in Deutschland noch laufenden AKWs liefern derzeit rund 25 % des hierzulande verbrauchten Stroms. Nur um diese Leistung dauerhaft zu erhalten, müssten jetzt schon Neuanlagen in Planung sein. Denn spätestens ab 2020 müssen die ersten Altanlagen abgeschaltet werden - auch ohne Atomausstieg. Aber der Stromverbrauch wird steigen. Die EWO Energietechnologie GmbH hatte bereits 2002 berechnet, wie der Ausbau von AKWs sich entwickeln müsste, damit der Plan der CDU/CSU-Regierung, bis 2050 deutliche Mengen Strom aus Atomkraft zu produzieren, funktioniert. Berechnungsgrundlage dabei war eine Annahme eines Anstiegs des Stromverbrauchs um 61 % bis 2050, ein Anteil der Kernenergie von 82 % am Stromverbrauch und 51 % am Primärenergieverbrauch. Dafür seien absolut 91,8 GW Kernenergieleistung erforderlich, heißt es in der Studie. Das entspricht 60 Kernkraftwerken.

Dann folgt das Szenario, so wie es vom Institut für Energiewirtschaft und rationelle Energieanwendung (IER) berechnet wurde (Anmerkung: das IER untersucht an der Uni Stuttgart unter Leitung des von CDU/CSU-benannten Enquete-Kommissionsmitgliedes Prof. Dr. Alfred Voß seit langem wenig optimistisch die Optionen der Nutzung erneuerbarer Energien und befürwortet dauerhaft den Einsatz der Kernenergie): In den ersten Jahrzehnten sollen die bestehenden deutschen Kraftwerke mit Hilfe von Laufzeitverlängerungen weiterbetrieben werden. Ab 2010 wird der Neubau von Anlagen ermöglicht, die bereits frühzeitig in Planung gehen müssten. Spätestens 2020/2030 müssten dann auch die Altanlagen sukzessive ersetzt werden. Im Jahr 2050 würden dann 60 Anlagen im Einsatz sein, die aus heutiger Sicht komplett Neuanlagen darstellen. Die Standorte hierfür müssen geeignet gewählt werden. Von dem aus Kernenergie bereit gestellten Strom sollen rund 11 % gekoppelt erzeugt werden. Das heißt, die entsprechenden Anlagen werden so geplant, dass sie die erzeugte Abwärme in Nahwärmenetze von Siedlungs- oder Industriebereichen einspeisen können.

Wohlgemerkt: dieses Szenario wurde bereits 2002 im Folge der Enquetekommission „Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisierung“ als Sondervotum von CDU/CSU/FDP entwickelt. Mit diesem Konzept für einen „fossilen-nuklearen Energiemix“ hatten sich die damaligen Oppositionsparteien gegen die sich erheblich anders darstellenden Konzepte und Berechnungen der Rot-Grün Regierung gestellt. Schon 2002 wurde angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs den Atomkonsens rückgängig machen zu wollen. Seitdem wurde weder flächendeckend in den Ausbau Erneuerbarer Energien investiert noch andere haltbare Konzepte für eine langfristige Energieversorgung entwickelt.

Fragen der Sicherheit und der sozialen Akzeptanz wurden in diesem Szenario völlig vernachlässigt. So wurden zum Beispiel die Kosten für Versicherungen/Schadensersatzleistungen im Falle eines Unfalls als „statistisch vernachlässigbar“ schlichtweg ignoriert. Auch der Fakt, dass die Energieversorgungsunternehmen keinerlei Interesse am Neubau von AKWs, sondern lediglich an der Laufzeitverlängerung haben, wird hier unterschlagen.

Dabei geht es in dem Szenario von CDU/CSU lediglich um die Reduzierung des CO2-Ausstosses in Deutschland. International gesehen macht die Atomkraft einen Anteil von derzeit rd. 5 % am Stromverbrauch aus. Soll die Atomenergie einen wirksamen Beitrag für den weltweiten Klimaschutz leisten, so muss sie auch weltweit einsetzbar und verfügbar sein. Dies bedeutet, dass neben den heutigen Leichtwasserreaktoren auch Schnelle Brüter zum Einsatz kommen müssen, was wiederum den massiven Ausbau von Wiederaufbereitungsanlagen voraussetzt, da auch das Uran nur in begrenztem Umfang zur Verfügung steht.

Wenn die Atomkraft denn überhaupt jemals einen wirksamen Beitrag zur CO2-Minimierung leisten kann: Denn selbst die – durchaus nicht als Atomkraftgegner bekannte – IAEA schreibt der Atomkraft bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes keine große Bedeutung zu. Es gibt internationale Berechnungen, nach denen die CO2-Belastung unter verstärktem Einsatz von Erneuerbaren Energien um 39 % sinkt und mit verstärktem Einsatz von Atomkraft um 44 %. Klaus Traube, ehemaliger Atomkraftmanager, heute anerkannter Umweltforscher, bezweifelte bereits 2005, dass die Atomkraft in Sachen Klimaschutz eine bedeutende Rolle spielt. Es komme darauf an, welche Art der Stromerzeugung durch den Atomstrom substituiert wurde bzw. wird. „Wären etwa Wasser- und Windkraft anstelle der Atomkraft ausgebaut worden, so hätte der Atomstrom keine Verminderung von CO2-Emissionen bewirkt, trüge also zum Klimaschutz nichts bei. Substituiert der Atomstrom dagegen die Stromerzeugung aus alten Kohlekondensations-Kraftwerken, so würde dies die CO2- Emissionen vermindern, und zwar prozentual um das Zwei- bis Dreifache des Anteils dieses Atomstroms am Endenergieverbrauch“, so der Umweltforscher in einer Broschüre zum Ausstieg.

Fortsetzung folgt.

 

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Foto: Timo Vogt/randbild.de




2008-07-14 ; von angelika blank (autor),

atompolitik   klimaschutz  

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