Früher als üblich beginnt in vielen Regionen die Kartoffelernte. Denn: der beste Platz für die Kartoffel ist nicht mehr der Acker. Erntet man zu spät, hat der Drahtwurm Löcher gebohrt, erntet man zu früh, so gibt es braune Schalen. Für viele Bio-Kartoffelanbauer eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.
Denn je länger die Knollen im Boden bleiben, desto höher wird das Risiko, dass z.B. der Drahtwurm Löcher in die Schale bohrt und so Pilze in die Kartoffel eindringen können. Das Ergebnis sind schwarze Stellen, die teilweise die ganze Knolle zerstören.
Bestand noch vor wenigen Wochen bei einigen Landwirten die Hoffnung, dass die Haupternte von Bio Kartoffeln besser ausfallen würde, muss jetzt das Ergebnis nach unten korrigiert werden.
Landwirtschaft steht immer in einer sehr engen Beziehung zur Natur und dem Wetter. Der Landwirt hat viele Möglichkeiten, die Voraussetzung für ein gesundes Pflanzenwachstum zu schaffen. In diesem Jahr sind aber auch die fittesten Landwirte an ihre Grenzen gestoßen.
Der lange Winter hat die Pflanzung verzögert, dann kam sehr
viel Regen und fast ohne Übergang Hitze
und Trockenheit. Für Pflanzen bedeutet das Stress pur, denn sie brauchen bestimmte klimatische Bedingungen zum
Wachsen. Die Kartoffel reagiert nicht nur mit
weniger Ertrag, wie z.B. Getreide, der ganze Wachstumszyklus verschiebt sich.
Pflanzen, die schon abreifen, beginnen plötzlich wieder zu wachsen, es
entstehen kleine neue Knollen. Dieser zweite Ansatz hat zur Folge, dass die
natürliche Abreife gestoppt wird, die
Schale wird nicht fest und die Kartoffel kann nicht gerodet werden.
Entscheidungen zwischen Pest und Cholera
„Nun können die Landwirte nur noch zwischen Pest und Cholera wählen. Wartet man bis die Kartoffeln schalenfest sind, schädigt sie der Drahtwurm. Beginnt man mit der Ernte, bevor die Schale fest ist, bekommt sie braune Stellen,“ stellt Monika Tietke von Bio Kartoffel Erzeuger e.V. fest.
Die Folge ist, dass nach den herkömmlichen Qualitätsansprüchen im Handel viele Kartoffeln aussortiert werden müssten, weil sie den optischen Ansprüchen nicht genügen. Bei dem ohnehin geringeren Ertrag ein unnötiger Preistreiber.
„Wir wünschen uns schon seit Jahren eine Neubewertung von Qualitäten bei Ost, Gemüse und Kartoffeln. Eine krumme Gurke ist auch lecker und die Kartoffel mit dem Knubbel hat genau so viel Vitamin C wie die glatte Knolle. Ein hochwertiges Lebensmittel nur an optischen Kriterien zu messen, ist eine Schande. Das können wir uns einfach nicht mehr leisten“, meint Monika Tietke dazu.
Noch sind nicht alle Bio Kartoffeln gerodet, aber die Ergebnisse bundesweit zeigen jetzt schon, dass es für viele Betriebe keine gute Ernte werden wird. Diese Einbußen können nur durch einen fairen Preis abgemildert werden. Den sollten wir aber nicht noch antreiben, indem die Kartoffeln nur nach optischen Kriterien sortiert werden. Geben wir der natürlichen Vielfalt eine Chance, in den Städten gibt es schon Bewegungen, die sich für diese „misfits“ (Sonderlinge) stark machen.
Foto / Rasbak : Frisch geerntete Kartoffeln auf dem Acker