Thema: endlagersuche

Bundestag beschließt Endlagersuchgesetz

Am Morgen verabschiedete der Bundestag eine nochmals veränderte Fassung des Endlagersuchgesetzes. In einer ersten Reaktion zeigte sich Ministerpräsident Stephan Weil zufrieden mit dem jetzt beschlossenen Gesetz.

  In den vergangenen Wochen hatte es noch einmal Diskussionen um Zusammensetzung und Rolle der Bund-Länder-Kommission gegeben, die über die Kriterien für ein mögliches Endlager beschließen soll. Der jetzt verabschiedete Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass die Parlamentarier zwar Mitglied der Kommission sind, dort aber kein Stimmrecht haben. Die Zahl der Mitglieder der Kommission wurde in letzter Beratung im Umweltausschuss am Mittwoch von 24 auf 32 aufgestockt: Besetzt werden soll die Kommission mit je acht Bundestagsabgeordneten und Vertretern der Bundesländer, acht Wissenschaftlern sowie je zwei Vertretern von Kirchen, Gewerkschaften, Industrie und Umweltbewegung. Außerdem wird mit dem "Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE)" zwar eine neue Behörde mit rund 200 Stellen geschaffen, ihre Arbeit nimmt diese "Superbehörde" wie Kritiker sie nennen, allerdings erst nach der Bundestagswahl auf.

Stefan Wenzel, grüner niedersächsischer Umweltminister zeigte sich nach der Abstimmung optimistisch: „Insgesamt glaube ich, dass wir einen Kompromiss haben, dem wir zustimmen können," sagte er am Freitag in Hannover. Für Wenzel ist der erzielte Kompromiss weit mehr "als wir erwarten konnten. Nun hofft Wenzel, dass Niedersachsen den Standort Gorleben ein für alle Mal los wird. Aber trotzdem müsse das gerade verabschiedete Gesetz gründlich auf Wirksamkeit überprüft werden. Am nächsten Freitag soll das Gesetz den Bundesrat passieren.

Auch Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, begrüßt die Änderungen, die im Bundestag am Endlagersuchgesetz vorgenommen wurden. "Der Konflikt um Gorleben ist allerdings mit der Verabschiedung dieses Gesetzes nicht beendet," so die Europaparlamentarierin. "Der Streit um die Zwischenlagerung der letzten Castorbehälter aus der Wiederaufarbeitung im Ausland hat gezeigt, wieviel politischer Sprengstoff im angeblichen Konsens steckt. In den Debatten um den Neuanfang haben die alten Anhänger eines Endlagers im Gorlebener Salzstock deutlich gemacht, dass sie auch in Zukunft für Gorleben eintreten werden. Das Gesetz allein wird sie daran nicht hindern."

Die Chance, dass der ungeeignete Standort Gorleben aufgegeben werde, liege jetzt zunächst in den Händen der Endlagerkommission, so Harms weiter. "Das Verfahren zur Suche nach einem geeigneten Endlager muss als demokratischer Prozess entwickelt werden. Konflikte wie der um Gorleben können nie ausgeschlossen werden." Transparente, verbindliche Regeln und überzeugender Einfluss auf Entscheidungen gerade für Bürger an Standorten müssten nach Ansicht von Harms garantiert werden. Das sei die Voraussetzung für das Vertrauen, das gebraucht wird, um die Aufgabe der Endlagerung von Atommüll in Deutschland lösen zu können.

"Ich habe die Hoffnung, dass die vergrößerte Bund-Länder-Kommission, in der die Anzahl der Wissenschaftler erhöht wurde und den Politikern das Stimmrecht entzogen wurde, ihrem Auftrag – das Gesetz fachlich zu überprüfen und das Standortauswahlverfahren vorzubereiten – gerecht werden kann," zeigt sich Harms optimistisch. "Einen Versuch ist es wert." Die Kommission soll mit einer eigenen Geschäftsstelle auch die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema übernehmen.

"Dass die Abgeordneten im Deutschen Bundestag die Errichtung des geplanten Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung (BfE) zeitlich nach hinten verschoben haben, ist ein wichtiges Signal für die Unabhängigkeit der Kommissionsarbeit. Was als Nacheinander vorgesehen ist, sollte nicht als Nebeneinander gestaltet werden," so Harms.

FDP: Kompromissvorschlag eine "kluge Lösung"

Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat den Kompromiss bei der Arbeitsweise der Kommission zur Vorbereitung der atomaren Endlagerfrage als eine kluge Lösung bezeichnet. In einem Interview mit der am Montag (1. Juli) erscheinenden Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ sagte Döring, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) habe zu Recht bemängelt, dass stimmberechtigte Parlamentarier in der Kommission „zu einer Vermischung von Zuständigkeiten“ geführt hätten. Mit der Kompromisslösung, wonach die Parlamentarier zwar Mitglied der Kommission sind, als solche aber kein Stimmrecht haben, blieben die Politiker „frei und ungebunden in ihrer Entscheidung“.

Döring verteidigte in diesem Zusammenhang die geplante Einrichtung eines neuen Amtes für kerntechnische Entsorgung. „Im Zuge der Diskussion über die Endlagerung von Atommüll ist bei betroffenen Bürgern nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern auch das Vertrauen in Behörden erschüttert“, sagte der FDP-Politiker. Deshalb sei es klug, das Verfahren „einer neuen, vom Vorwurf der Voreingenommenheit unbelasteten Verwaltungseinheit zu übergeben“.

BI: Der Kampf um Gorleben geht in die nächste Runde

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) unterstreicht, dass dieser Parteienkonsens nicht identisch mit einem gesellschaftlichen Konsens ist. "Das Verfahren wurde im Affentempo durch alle Instanzen gepuscht, um ein großes Streitthema zwischen den Parteien aus dem Wege zu räumen und damit nach den Bundestagswahlen neue Koalitionsoptionen zu eröffnen, eine sachliche und umfassende gesellschaftliche Debatte des Atommüllproblems hat es nicht gegeben, auch wenn die Parteien sich das schön reden", kritisiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Allein das  Statement, dass es Atommüllexporte mit dem Zweck der Endlagerung untersagt werden, sei ein Positivum.

"Der Kampf um Gorleben geht also in die nächste Runde", so Ehmke. Das Endlagersuchgesetz vertage die Entscheidung für oder gegen Gorleben vorerst für die Dauer der Kommissionsarbeit um zwei Jahre. Offen und versteckt werde nun jedes Sicherheitskriterium in der Arbeit der Bund-Länder-Kommission auf die Frage hin abgeklopft, ob Gorleben als Endlagerstandort im Spiel bleibt.

 "Von der Bundesregierung war nicht zu erwarten, dass sie von Gorleben abrückt. Den Grünen und der SPD müssen wir vorwerfen, dass aus der Absichtserklärung, dass Gorleben aufgegeben werden müsse, weil der Standort politisch und geologisch verbrannt ist, nur noch bleibt, dass die Fixierung auf diesen Standort durch eine vergleichende Endlagersuche aufgegeben wird", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Hinter dieser Wortakrobatik steht das Eingeständnis, dass Gorleben weiter im Spiel bleibt, die Gorleben-Debatte wird nur vertagt". Gorleben behalte auch einen Vorsprung: Entgegen der Zusicherung, dass die Daten der Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben gelöscht werden, findet sich im Gesetzestext auch die Passage: "Bei Bedarf kann jedoch auf die Dokumentation der bisherigen Erkundungsergebnisse zurückgegriffen werden."

Foto: Umweltminister Stefan Wenzel bei einem Besuch des Besuch der Schachtanlagen im Erkundungsbergwerk im Frühjahr diesen Jahres.  





2013-06-28 ; von Angelika Blank (autor),
in In den Ministergärten 10, 10117 Berlin, Deutschland

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