Am Morgen verabschiedete der Bundestag eine nochmals veränderte Fassung des Endlagersuchgesetzes. In einer ersten Reaktion zeigte sich Ministerpräsident Stephan Weil zufrieden mit dem jetzt beschlossenen Gesetz.
Stefan Wenzel, grüner niedersächsischer Umweltminister zeigte sich nach der Abstimmung optimistisch: „Insgesamt glaube ich, dass wir einen Kompromiss haben, dem wir zustimmen können," sagte er am Freitag in Hannover. Für Wenzel ist der erzielte Kompromiss weit mehr "als wir erwarten konnten. Nun hofft Wenzel, dass Niedersachsen den Standort Gorleben ein für alle Mal los wird. Aber trotzdem müsse das gerade verabschiedete Gesetz gründlich auf Wirksamkeit überprüft werden. Am nächsten Freitag soll das Gesetz den Bundesrat passieren.
Auch Rebecca
Harms, Fraktionsvorsitzende der
Grünen/EFA im Europäischen Parlament, begrüßt die Änderungen, die im Bundestag am
Endlagersuchgesetz vorgenommen wurden. "Der Konflikt um Gorleben ist allerdings mit der
Verabschiedung dieses Gesetzes nicht beendet," so die Europaparlamentarierin. "Der Streit um
die Zwischenlagerung der letzten Castorbehälter aus
der Wiederaufarbeitung im Ausland hat gezeigt, wieviel
politischer Sprengstoff im angeblichen Konsens steckt. In
den Debatten um den Neuanfang haben die alten Anhänger
eines Endlagers im Gorlebener Salzstock deutlich gemacht,
dass sie auch in Zukunft für Gorleben eintreten
werden. Das Gesetz allein wird sie daran nicht hindern."
Die Chance, dass der ungeeignete Standort Gorleben
aufgegeben werde, liege jetzt zunächst in den
Händen der Endlagerkommission, so Harms weiter. "Das Verfahren zur Suche
nach einem geeigneten Endlager muss als demokratischer
Prozess entwickelt werden. Konflikte wie der um Gorleben
können nie ausgeschlossen werden." Transparente,
verbindliche Regeln und überzeugender Einfluss auf
Entscheidungen gerade für Bürger an Standorten
müssten nach Ansicht von Harms garantiert werden. Das sei die Voraussetzung für das Vertrauen, das gebraucht wird, um die Aufgabe
der Endlagerung von Atommüll in Deutschland lösen
zu können.
"Ich habe die Hoffnung, dass die vergrößerte
Bund-Länder-Kommission, in der die Anzahl der
Wissenschaftler erhöht wurde und den Politikern das
Stimmrecht entzogen wurde, ihrem Auftrag
– das Gesetz fachlich zu überprüfen und das
Standortauswahlverfahren vorzubereiten – gerecht
werden kann," zeigt sich Harms optimistisch. "Einen Versuch ist es wert." Die Kommission soll mit einer eigenen Geschäftsstelle auch die Öffentlichkeitsarbeit zum Thema übernehmen.
"Dass die Abgeordneten im Deutschen Bundestag die Errichtung
des geplanten Bundesamtes für kerntechnische
Entsorgung (BfE) zeitlich nach hinten verschoben haben, ist
ein wichtiges Signal für die Unabhängigkeit der
Kommissionsarbeit. Was als Nacheinander vorgesehen ist,
sollte nicht als Nebeneinander gestaltet werden," so Harms.
FDP: Kompromissvorschlag eine "kluge Lösung"
Der FDP-Generalsekretär Patrick Döring hat den Kompromiss bei der Arbeitsweise der Kommission zur Vorbereitung der atomaren Endlagerfrage als eine kluge Lösung bezeichnet. In einem Interview mit der am Montag (1. Juli) erscheinenden Ausgabe der Wochenzeitung „Das Parlament“ sagte Döring, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) habe zu Recht bemängelt, dass stimmberechtigte Parlamentarier in der Kommission „zu einer Vermischung von Zuständigkeiten“ geführt hätten. Mit der Kompromisslösung, wonach die Parlamentarier zwar Mitglied der Kommission sind, als solche aber kein Stimmrecht haben, blieben die Politiker „frei und ungebunden in ihrer Entscheidung“.
Döring verteidigte in diesem Zusammenhang die geplante Einrichtung eines neuen Amtes für kerntechnische Entsorgung. „Im Zuge der Diskussion über die Endlagerung von Atommüll ist bei betroffenen Bürgern nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern auch das Vertrauen in Behörden erschüttert“, sagte der FDP-Politiker. Deshalb sei es klug, das Verfahren „einer neuen, vom Vorwurf der Voreingenommenheit unbelasteten Verwaltungseinheit zu übergeben“.
BI: Der Kampf um Gorleben geht in die nächste Runde
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) unterstreicht,
dass dieser Parteienkonsens nicht identisch mit einem gesellschaftlichen
Konsens ist. "Das Verfahren wurde im Affentempo durch alle Instanzen
gepuscht, um ein großes Streitthema zwischen den Parteien aus dem Wege
zu räumen und damit nach den Bundestagswahlen neue Koalitionsoptionen zu
eröffnen, eine sachliche und umfassende gesellschaftliche Debatte des
Atommüllproblems hat es nicht gegeben, auch wenn die Parteien sich das
schön reden", kritisiert BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Allein das Statement, dass es Atommüllexporte mit dem Zweck der Endlagerung untersagt werden, sei ein Positivum.
"Der Kampf um Gorleben geht also in die nächste Runde", so Ehmke. Das
Endlagersuchgesetz vertage die Entscheidung für oder gegen Gorleben
vorerst für die Dauer der Kommissionsarbeit um zwei Jahre. Offen und
versteckt werde nun jedes Sicherheitskriterium in der Arbeit der
Bund-Länder-Kommission auf die Frage hin abgeklopft, ob Gorleben als
Endlagerstandort im Spiel bleibt.
"Von der Bundesregierung war nicht zu erwarten, dass sie von Gorleben
abrückt. Den Grünen und der SPD müssen wir vorwerfen, dass aus der
Absichtserklärung, dass Gorleben aufgegeben werden müsse, weil der
Standort politisch und geologisch verbrannt ist, nur noch bleibt, dass
die Fixierung auf diesen Standort durch eine vergleichende Endlagersuche
aufgegeben wird", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Hinter dieser
Wortakrobatik steht das Eingeständnis, dass Gorleben weiter im Spiel
bleibt, die Gorleben-Debatte wird nur vertagt". Gorleben behalte auch
einen Vorsprung: Entgegen der Zusicherung, dass die Daten der
Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben gelöscht werden, findet sich im
Gesetzestext auch die Passage: "Bei Bedarf kann jedoch auf die
Dokumentation der bisherigen Erkundungsergebnisse zurückgegriffen
werden."
Foto: Umweltminister Stefan Wenzel bei einem Besuch des Besuch der Schachtanlagen im Erkundungsbergwerk im Frühjahr diesen Jahres.