An Menschen aus dem Raum Dannenberg, die durch den Terror des Hitler-Regimes ihr Leben oder ihre Heimat verloren, soll künftig in der Jeetzelstadt an einem Ort des Gedenkens erinnert werden. Das hat am Donnerstagabend der Dannenberger Stadtentwicklungsausschuss einstimmig befürwortet. Noch steht nicht fest, wo dieser Platz des Erinnerns entstehen soll.
Bereits vor zwei Jahren hatte ein Bürger angeregt, in Dannenberg eine Möglichkeit zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu schaffen. Im Gespräch waren seinerzeit die so genannten „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig aus Berlin. Er schuf Messingplatten, auf denen die Namen der Getöteten oder Deportierten zu lesen sind; diese Platten wurden dann dort im Boden verlegt, wo die jeweiligen Opfer zuletzt gewohnt hatten – im Gehweg vor dem Haus der Ermordeten beispielsweise. An 480 Orten im In-und Ausland – zum Beispiel in Lüneburg - sind mittlerweile über 20 000 solcher Stolpersteine gesetzt worden, und die Aktion geht weiter. Dieses Konzept aber passe nicht zum Schicksal der Opfer des NS-Regimes in Raum Dannenberg, hieß es bei einer Diskussion Ende 2007, da die letzten Wohnorte der Dannenberger Opfer nicht im Ort lagen, sondern sie oft deportiert worden sind oder auf der Flucht aufgegriffen worden. Angesichts dessen sei das Verlegen solcher Steine seinerzeit auch von Gunter Demnig abgelehnt worden, war jetzt aus einer Vorlage zur Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung zu erfahren.
Mit dem Gedanken, wie der Opfer dennoch in Dannenberg gedacht werden kann, befasste sich sodann eine Arbeitsgruppe historisch kompetenter Lüchow-Dannenberger: Stadtarchivarin Susanne Götting-Nilius war und ist dabei, ebenso Dr. Rolf Meyer und Elke Meyer-Hoos vom Museum Wustrow sowie Helmar Süßenbach, Vorsitzender des Dannenberger Arbeitskreises für Landeskunde und Heimatpflege. Sie entwickelten ein Konzept, das – bis auf die Frage des Standorts für die Gedenkstätte – durchweg Zustimmung beim Fachausschuss fand: Im Gegensatz zu einzelnen Stolpersteinen soll ein zentraler Gedenkort entstehen. Diese Lösung, so die Arbeitsgruppe, „hat gegenüber den einzelnen Hinweisen an den jeweiligen Orten des Geschehens den Vorteil, dass die Betrachtenden einen Eindruck der ganzen Komplexität des Themas bekommen“. Zu bedenken sei auch, dass sich nicht alle schrecklichen Geschehnisse, denen Menschen im Raum Dannenberg aufgrund der NS-Gewaltherrschaft zum Opfer fielen, in der Stadt, sondern auch in umliegenden Dörfer ereignet haben. Angesichts dessen sei „die Sichtbarkeit“ des Gedenkens an zentraler Stelle deutlicher als jeweils vor Ort.
Stelen an einem zentralen Platz
Am Ort des Gedenkens sollen schlanke, quaderförmige Stelen aus dunklem Granit oder Basalt aufgestellt werden, nicht allzu hoch, sondern so, dass man die obere Fläche gut betrachten kann. Sie nämlich soll leicht angeschrägt werden, und auf ihr wird eine Tafel mit den wichtigsten Informationen zu den jeweiligen Opfern angebracht. Eine der Säulen, die etwas höher ist als die übrigen, soll eine Tafel erhalten, für welche die Arbeitsgruppe die Aufschrift vorschlägt: „Wir als Stadt/Samtgemeinde Dannenberg gedenken der Opfer, der Getöteten und Entrechteten des Nationalsozialismus im Bereich Dannenberg“.
Liepehöfen: Babys starben in „Kinderheim“
Mit Blick auf den aktuellen Stand der Forschungen hat die Arbeitsgruppe zunächst für vier Stelen Vorschläge gemacht; erinnert soll demnach an
- die Familie Wolff: Der jüdische Kaufmann Ernst Wolff verzog, nachdem ihm die Hitler-Schergen mit dem KZ gedroht hatten, im Jahre 1938 mit seiner Frau und zwei Kindern nach Hamburg, von wo die Familie dann nach Montevideo auswanderte. Ihr Haus in Dannenberg in der Marschtorstraße verkauften die Wolffs weit unter Wert.
- die Familie Friedländer: Erst 1919 war der Arzt Friedländer in die Dannenberger Bahnhofsstraße gezogen. Doch 1933 konnte der Mediziner wegen der Repressalien des Hitlerfaschismus nicht mehr praktizieren, Zusammen mit Ehefrau und Tochter wanderte er nach Jugoslawien aus.
- die Mädchen und Jungen der „Ausländerkinderpflegestätte“ Liepehöfen. Zur „Betreuung“ von Kindern so genannter Ost- und Fremdarbeiterinnen waren im Kreisgebiet durch die braunen Machthaber Kinderheime eingerichtet worden. Doch hinter dem Wort „Kinderheime“ verbargen sich Lager, in denen katastrophale Zustände herrschten. So schlimm war die „Betreuung“, dass die meisten der dort untergebrachten Babys und Kleinkinder starben.
- Behinderte, die aus dem Dannenberger Raum in Einrichtungen kamen, wo sie auf Befehl des nationalsozialistischen Regimes getötet wurden.
Das Schicksal der Familie Wolf ist weitgehend untersucht, in den anderen erwähnten Fällen gebe es noch Forschungsbedarf, informiert die Arbeitsgruppe. Deshalb schlägt sie vor, zunächst die zentrale Stele und die Stele für die Wolffs mit Schrifttafeln zu versehen. Die weiteren Stelen sollten bereits aufgestellt werden und später – wenn die Forschungen abgeschlossen sind – ihre Tafeln bekommen. Es sei womöglich sinnvoll, eine zusätzliche Stelle zu errichten „für Vorkommnisse, die uns gegenwärtig noch gar nicht bekannt sind – oder für das, was wir nie erfahren werden.“
Neben den Stelen, so berichtete Petra Steckelberg als stellvertretende Stadtdirektorin, soll am künftigen Gedenk-Areal eine Bank aufgestellt werden. Denn es entstehe doch eine Stelle, an der man nicht einfach so vorbeigeht, sondern an der mancher wohl auch ein wenig verweilen möchte.
In der Rosmarienstraße oder an der Kirche?
Noch keine Empfehlung hat der Fachausschuss zum Standort der Stelen abgegeben. Die Arbeitsgruppe hatte vorgeschlagen, die Gedenkstätte auf jener Rasenfläche anzulegen, die unweit des Verwaltungsgebäudes an der Rosmarienstraße liegt und an deren Rand ein Erinnerungsstein für den Seefahrer Friedrich Lüdemann aus Breese in der Marsch steht. Er war zur Kaiserzeit unter anderem zusammen mit „Seeteufel“ Graf Luckner auf den Weltmeeren unterwegs. A. Dirk Brüggemann (GLW) lobte die Vorschläge des Arbeitsgruppe als „hervorragendes Konzept“, doch der Standort des Gedenkplatzes an der Rosmarienstraße sei zu versteckt. Es sei wichtig, dass die Stelen an einen Ort kommen, wo viel Publikumsverkehr herrscht, betonte auch die Vorsitzende des Fachausschusses, Barbara Felber (CDU). Von mehreren Seiten war der Vorschlag „an der Kirche“ zu hören; vielleicht nahe der Luther-Eiche und damit in unmittelbarer Nähe zu Marschtorstraße und Marktplatz.
Die Frage „wohin“ wollen die Ausschussmitglieder nun mit der Arbeitsgruppe besprechen, die das Konzept entwickelt hat. Sei Jawort gab der Ausschuss bereits der Finanzierung des Vorhabens. Rund 3 500 Euro sind für den Ort des Gedenkens veranschlagt, sie sollen aus dem Stadthaushalt bezahlt werden. Nun müssen noch der Verwaltungsausschuss und der Stadtrat der Ausgabe zustimmen.
Foto: Diesen Platz nahe des Gebäudes der Samtgemeinde hat die Arbeitsgruppe vorgeschlagen
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