Vor über 40 Jahren erfüllten sich Inge und Michael Seelig einen Traum: sie kauften eine alte Hofstelle, um dort einen Ort für Alle aufzubauen, die in Urlaubsatmosphäre handwerkliche Tätigkeiten erlernen wollen. Daraus ist der Werkhof Kukate geworden.
Wer sich abseits des Alltagsgetriebes in (kunst)handwerklichen
Techniken erproben möchte, ist auf dem historischen Hof mit seinen zahlreichen Nebengebäuden und einer riesigen Kastanie im Innenhof genau richtig.
Die zahlreichen KursteilnehmerInnen des Werkhofs Kukate wissen seit - inzwischen - Jahrzehnten die idyllische Atmosphäre des alten Hofes zu schätzen. In Jahr für Jahr über 30 Kursen treffen sich kunsthandwerklich Interessierte und erarbeiten in Wochenend- oder Mehrtageskursen neue Fähigkeiten.
1975 erwarben Inge und Michael Seelig die fast 200 Jahre alte Hofstelle mit einem Vierständer-Fachwerkhaus und großen Nebengebäuden. Ihr Traum war es schon damals, daraus einen Ort für Alle zu machen, die ihren Kurzurlaub dazu nutzen möchten, handwerklich tätig zu sein – und die in der Kursgruppe Gemeinschaft und Lernen auf entspannte Weise erleben wollen.
„So
einen großen landwirtschaftlichen Hof zu kaufen, das hat uns schon
etwas atemlos gemacht,“ erzählt Inge Seelig. „Das einzige, was
einigermaßen intakt war, war das schmiedeeiserne Tor .“ Doch das
Lehrerehepaar ließ sich von dem maroden Zustand des Hofes ihren
Traum von einem Werkhof nicht zerstören und machte sich an die
Sanierung.
Der Traum vom kreativen Lernen
Die Umstände waren günstig. Den Hof konnte das Ehepaar außerordentlich günstig erwerben und mit der Lehrerstelle von Michael Seelig in Schnega war auch die Finanzierung möglich. Schon ein Jahr später wurde der erste Kursus angeboten. „Das war ein Töpferkurs mit einem einzigen Teilnehmer. Das war denn doch etwas wenig,“ lachen beide. „Aber das Prinzip, mit kleinen Gruppen zu arbeiten, haben wir beibehalten.“
Maximal zehn KursteilnehmerInnen erscheint den Seeligs bis heute die richtige Größe, um kreatives Arbeiten und entspanntes Miteinander zu ermöglichen. „Gemeinsames Kochen spielt dabei eine wichtige Rolle,“ so Inge Seelig. „Auch diejenigen, die dem anfangs skeptisch gegenüberstanden, sind schnell begeistert von dem – für die meisten ungewohnten – Erlebnis.“
Es geht den Seeligs nicht nur darum, Wissen weiterzugeben, es liegt ihnen besondes am Herzen, dass die Kenntnisse über die Techniken alter Handwerkskünste nicht verloren gehen. Zu den Kursenangeboten gehören deshalb vor allem alte Gewerke wie Weben,
Goldschmieden, Tischlern oder Töpfern - manchmal auch Papierschöpfen oder Klöppeln.
Vom alten Handwerk zur Zukunftsgestaltung
Inge Seeligs Leidenschaft ist die Handweberei. Schon zu Studentenzeiten war sie fasziniert von diesem aussterbenden Handwerk und bildete sich bis zur Meisterin aus. Inzwischen ist sie Obermeisterin der Textilgestalterinnung Nord – die einzige Innung in Deutschland die externen Auszubildenden die Prüfung zum/r Gesell/in und Meister/in abnimmt. In zahlreichen Kursen können nun AnfängerInnen ebenso wie Auszubildende in Kukate das Weber-Handwerk erlernen.
Michael Seelig arbeitet seit Jahren intensiv an der nachhaltigen Entwicklung des Landkreis mit. Seit der
Benennung Gorlebens als Standort für ein Nukleares
Entsorgungszentrum im Februar 1977 trieb die Seeligs zunehmend
die Frage nach dem „richtigen Leben“ um. „Wie wollen wir leben?
Wie geht eine zukunftsorientierte Entwicklung auf dem Lande? Ohne
Atommüll, ohne industrielle Ansiedlungen oder intensiver
Landwirtschaft? Diese Fragen sind bis heute aktuell,“ so Michael
Seelig. „Positive Projekte entwickeln, alternative Perspektiven
realisieren – das ist unser Anliegen.“Seitdem sind mit dem Verein "Grüne Werkstatt Wendland", bei dem Michael Seelig im Vorstand sitzt, zahlreiche Projekte entstanden - unter anderem WochenCamps, bei denen sich Designstudenten mit praktischen Aufträgen von Unternehmen aus der Region auseinandersetzen konnten. So gelang es der GWW immer wieder, junge Menschen - vor allem aus der Kreativwirtschaft - für ein Leben im Wendland zu interessieren.
Wer den Werkhof besucht, wird etwas davon mitnehmen – ob bei Ausstellungen, Projekten oder bei der Teilnahme an Kursen. Denn das ist das Ziel all ihrer Bemühungen: mehr Kreativität in das Leben zu bringen und dadurch neue Ideen für eine lebenswerte Zukunft "herauszukitzeln“.
Foto | Angelika Blank: Auch bei der Programmplanung bleiben Inge und Michael Seelig
entspannt. Mit dem Werkhof Kukate haben sie sich einen Traum erfüllt.
Dieser Artikel erschien im Mai 2021 im Wipperaukurier .