Erst am Dienstag hatte der Kreistag beschlossen, das „Angebot“ des Landes zur 75%igen Entschuldung anzunehmen. Dafür muss der Landkreis aber weitere massive Sparmaßnahmen durchführen. Am Mittwoch abend beschäftigte sich eine Podiumsdiskussion im Kreishaus damit, ob dieser Preis für die weitere Eigenständigkeit vielleicht zu hoch ist.
Die Fragestellung für die Diskussion war schon provokant gesetzt „DAN muss bleiben! Muss DAN bleiben?“. Zu diesem Thema hatten sich auf dem Podium Hans-Jürgen Bosselmann (Vorsitzender des Kreissportbundes Lüchow-Dannenberg), die Künstlerin Anna Wiesinger, Dietrich von Gruben (Geschäftsführer der Firma Gornig GmbH, Hauptgesellschafter von Dreyer & Bosse, Mitbegründer der Bürgerstiftung Lüchow), Ute Meyer (Vorsitzende des Kreisverbands der Landfrauen), Propst Stefan Wichert-von Holten sowie Jonathan Hunger (ehemaliger Schüler am Gymnasium Lüchow, jetzt Student der Medizin und Politikwissenschaft in Magdeburg) eingefunden. Zügig moderiert wurde die Diskussion von dem NDR-Redakteur Karsten Schulz.
Schnell herrschte Einigkeit auf dem Podium, dass die Verwaltungseinheit „Landkreis Lüchow-Dannenberg“ zwar nicht zwingend aufrecht erhalten werden müsse, dass die Bürger aber ein „gemeinsamen Raum“ bräuchten, mit dem sie sich identifizieren können. „Ausserdem müssen vor allem ältere Bürger die Gelegenheit behalten, ihre amtlichen Angelegenheiten ortsnah erledigen zu können“, so Hans-Jürgen Bosselmann.
Zwischen Kultur und Bioenergie
Doch wie dies geschehen soll, darüber gab es im Podium keine klaren Vorstellungen. Während Anna Wiesinger die wichtige Rolle der Kultur als Standortfaktor betonte und Michael Seelig auf Millionen-schwere Einnahmen durch die Kulturelle Landpartie verwies, ging es Hans-Jürgen Bosselmann um die Bedürfnisse älterer Bürger und Dietrich von Gruben hauptsächlich um die schlechte Vermarktung der Region nach außen.
„Wir haben so viele Stärken, warum weiß davon außerhalb der Region kaum jemand etwas?“, fragte sich Dietrich von Gruben. Kulturregion, Modellregion für Erneuerbare Energien, der Landkreis mit den meisten biologisch arbeitenden Landwirtschaftsbetrieben usw. … Schlagworte und Preise, mit denen sich die Region seit Jahren schmückt. Doch außerhalb der Fachgruppen wisse man „mit diesem Pfund“ wenig anzufangen. Außerdem würde Kirchturmpolitik, in der sozusagen jede Gemeinde mit ihrem eigenen Slogan und Logo um Gäste wirbt, nicht dabei helfen, ein gemeinsames Image nach außen zu kommunizieren.
Wie können junge Menschen in die Region geholt werden?
Doch vor allem die Abwanderung der jungen Menschen sahen die Podiumsteilnehmer als eines der wichtigsten Zukunftsprobleme an. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann werden wir in einigen Jahrzehnten deutlich unter 40 000 Einwohner haben, war man sich einig. Doch wie junge Menschen in der Region halten bzw. sie zurück holen?
Jonathan Hunger, ehemaliger Schüler am Gymnasium Lüchow und derzeit Student der Medizin und Politikwissenschaft an der Universität in Magdeburg, sah vor allem persönliche Bezüge, die das Heimkehren erleichtern. „Ich komme zum Beispiel gern nach Hause zurück – zu meinen Eltern und Freunden oder wenn mein Verein spielt.“ Jonathan Hunger kann sich gut vorstellen, nach beendetem Studium wieder in seine Heimat zurück zu kehren, allerdings müsse dann die Situation so sein, dass er mit einer eigenen Praxis auch Chancen habe, zu überleben.
Spätestens an dieser Stelle wurde deutlich, dass auch eine „Seniorenregion“ Lüchow-Dannenberg nur dann funktioniert, wenn genügend junge Menschen in der Region leben, die die vielen Pflegebedürftigen versorgen können.
Sind Schulden ein Gott gegebenes Schicksal?
Interessant war, zu bemerken, dass unisono alle Diskussionsteilnehmer die Forderung nach Abbau der hohen Schulden des Landkreises als unbestreitbare Tatsache hinnahmen. Kein Wort davon, dass ein Großteil der Kosten durch Sozialhilfeausgaben entstehen, die der Landkreis nicht zu verantworten hat. Kein Wort davon, dass Schulen, Sportplätze, Straßen und öffentliche Gebäude erhalten werden müssen. Kein Wort von zunehmenden Kosten für eine alternde Bevölkerung mit ihrem Pflegebedürfnis. Kein Wort davon, dass das Land keine überzeugenden Konzepte für die Entwicklung des ländlichen Raums hat ....
Lediglich Propst Wichert von Holten wies darauf hin, dass sich auch innerhalb der Kirche zunehmend Widerstand gegen die permanente Forderung nach Sparmaßnahmen rege. „Die Dinge werden nicht dadurch besser, dass etwas nur zusammen gelegt wird – es muss auch anders gemacht werden“, kritisierte er die Sparpolitik des Landes. Ausserdem: „Um eine gute Zukunft zu organisieren, müssen zunächst mutige Entscheidungen getroffen werden, wohin es gehen soll. Und dann muss nicht gespart, sondern in die Umsetzung der Ziele investiert werden.“
Es fehlen die Ziele
Welche Ziele dies sein könnten, das blieb auf der Podiumsdiskussion im Vagen. Doch über eines waren sich alle einig: Die Entwicklung der Ziele muss von den Bürgern, von den Akteuren in der Region ausgehen. Die Kommunalpolitik sah keiner der Diskutanten bei der Lösung der anstehenden Probleme in einer zentralen Rolle. Zu sehr würden auf den Sitzungen Parteiinteressen und persönliche Animositäten im Vordergrund stehen, weniger das Wohl der Region.
Also doch ein größerer Landkreiszuschnitt mit kleinen Verwaltungseinheiten für die wichtigsten amtlichen Angelegenheiten in den Gemeinden? Auch nach rund zweistündiger Diskussion blieb diese Frage weitestgehend offen … das Engagement der „Wendländer“ für ihre Heimat und ihr Wille zur Umgestaltung wird in den nächsten Jahren zeigen, ob es ihnen gelingt, Land und Bund davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, eine kleine kreative Region als eigenständiges Konstrukt am Leben zu lassen.
Foto: Angelika Blank / Inmitten des Kreishauses diskutierten Akteure der Region darüber, ob es sich lohnt, die "Verwaltungseinheit Landkreis Lüchow-Dannenberg" aufrecht zu erhalten.