Thema: faschismus

Ein neuer Gedenkort in Dannenberg

Auf dem bepflanzten Rechteck zwischen der Samtgemeinde und den Parkplätzen „Rosmarienstraße“ hat sich in Dannenberg über die Zeit ein kleiner Erinnerungskomplex entwickelt. Mit fünf Stelen, errichtet am vergangenen Dienstag zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus, ändern sich Funktion und Bild des Erinnerungs-Gevierts – die Komponente „Gedenken“ tritt deutlich hervor, die Stelen-Formation auf eigens gestalteter Fläche springt ins Auge.

Mit Eichen und Tafeln wird dem langjährigen Bürgermeister Walter Eschrich und der britischen Militäreinheit ‚H’ Troop gedacht, mit einem Stein dem Steuermann Friedrich Lüdemann, mit einem Tafelpfosten dem Jäger-Corps der Schützengilde.

Nicht nur den im besten Sinne für Dannenberg Handelnden wird, wie bisher, gedacht, sondern nun auch jenen, die als Misshandelte gelten müssen.

Dannenberg hat im 2. Weltkrieg bekannte Verluste erlitten: an Soldaten, an Bürgern, an Flüchtlingen. Aber im weiten Raum von Elbe und Jeetzel fielen auch alliierte Soldaten, starben Kriegsgefangene, wurden Zwangsarbeiter hingerichtet, insgesamt in immer noch nicht annähernd bekannter Zahl. Alle hingegen, Deutsche wie Ausländer, sind Opfer der NS-Zeit.

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

An eine weitere, besondere Opfer-Gruppe wird nun durch die Errichtung der Stelen endlich erinnert: Den früheren jüdischen Mitbürgern Dannenbergs, die im Konzentrationslager umkamen oder ihr Land verlassen mussten und jenen Menschen, die durch Mangel an Pflege oder durch die Verbrechen der Euthanasie umgekommen sind oder durch Sterilisierung zu Leid und Schaden kamen. Bewusst hat Dannenberg den Opferbegriff erweitert, löst sich vom gewaltsamen Tod als dem Kriterium eines „Opfers“ und sieht in dem Verlust von Heimat, Arbeitsplatz und Gesundheit, der Trennung von Familie und Freunden sowie perfiden Schikanen, Anlass und Gründe genug, jenen, die dieses erlitten, zu gedenken.

Einige Jahre sind ins Land gegangen bis das Konzept stand, es von einer Arbeitsgruppe erarbeitet war und von Ratsgremien für gut befunden wurde; die historischen Recherchen – im wesentlichen durch die Historikerin Elke Meyer-Hoos vom Museum Wustrow – erfolgt waren und der Stelen-Platz in unmittelbarer Nähe des Stadtarchivs feststand.

Gemeinschaftliches Engagement

Wer über Namen und dürre Daten der Inschriften hinaus mehr über diese schlimme Zeit, ihre Praktiken, die unverhohlene Menschenverachtung und das Schicksal von Opfern erfahren will, mag sich an Stadtarchivarin Susanne Götting-Nilius wenden. Die beiden Frauen waren es auch, die gemeinsam mit Bürgermeister Günter Voß die Genese des Projekts, die Haltung der Stadt Dannenberg und die historische Ermittlungsarbeit vor rd. 50 Anwesenden erläuterten.

Neben Bürgern, Mitgliedern heimatkundlicher Vereinigungen, Ratsmitgliedern und Verwaltungskräften, waren Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden sowie Landrat Jürgen Schulz, MdL Kurt Herzog und die SG-Bürgermeister Jürgen Meyer und Hubert Schwedland, erschienen. Aus Mannheim kam als Gast Gabriele Bergbold, die Groß-Nichte des ehemaligen Dannenberger Arztes Dr. Otto Friedländer. Und ihr verdankt das Stadtarchiv jetzt Kopien seiner Briefe, verfasst in den letzten Lebensjahren, bis kurz vor der Ermordung des Arztes in Theresienstadt.

Eine der fünf Stelen blieb unbeschriftet. Sie steht für noch unbekanntes Schreckliche im Dannenberger Raum, das es noch zu eruieren gilt. Manche Fremdarbeiterin aus dem Osten hat Böses hier erlebt; mancher Zwangsarbeiter, mancher Kriegsgefangener kam auf mysteriöse Art und Weise ums Leben. Ein Ende historischer Aufdeckungsarbeit der hiesigen NS-Jahre ist nicht abzusehen.

Foto: Dr. Rolf Meyer




2011-04-15 ; von Dr. Rolf Meyer (autor),

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