Differenzierte Betrachtung der Dinge ist nicht Jedermanns Sache. So auch in Sachen "Verbuschung": da schlagen die emotionalen Wellen schnell hoch, oft ohne fundierte Kenntnis der Zusammenhänge. Ein Kommentar von Karl-Friedrich Kassel.
Es war vorherzusehen. Als im Frühsommer das Land unter Wasser stand,
begann es bereits. Die Freunde des schlichten Gedankens fanden sofort
das passende Stichwort: “Verbuschung“. Während anderswo Mensch und Tier
absoff, kamen diese Vertreter der klaren Sichtverhältnisse umgehend auf
ihr Lieblingsthema zurück: „Verbuschung“.
Brach anderswo ein Deich,
redeten sie über: „Verbuschung“. Als durch den Deichbruch bei Fischbeck
jedem, der sehen wollte, klar war: nur dieser Deichbruch verhinderte bei
uns das Überschreiten der Deiche, ein deutliches Plädoyer für
Flutpolder, da redeten die Deichgrafen zwischen Höhbeck und Amt Neuhaus
am liebsten weiter über: „Verbuschung“. Was damals begann, setzte sich
fort.
Unter anderem bis zur Tagung des Biosphärenreservats am Sonnabend
in Hitzacker. Über Hochwasserschutz reden, das bedeutete auch hier
vornehmlich: über „Verbuschung“ reden. Es half nichts, dass die
Staatssekretärin aus dem niedersächsischen Umweltministerium
bekräftigte: niemand will eine Ausweitung des Bewuchses an den
Elbeufern.
Stattdessen sollen da, wo es für den Wasserabfluss nötig ist,
Bäume und Sträucher beseitigt werden, und zwar dauerhaft. Dafür sollen
sie an anderen Stellen, wo das Fließverhalten nicht beeinträchtigt wird,
stehen bleiben dürfen, ebenfalls dauerhaft.
Nicht genug, finden die
Anwälte des monokausalen Denkens. „Die Menschen“ an der Elbe seien
besorgt wegen künftiger Hochwasser, wurde gesagt. Und gemeint war:
besorgt wegen der „Verbuschung“. Ist das so? Glauben wirklich alle
Menschen hinter den Deichen, dass die Büsche und Bäume die größte Gefahr
sind? Oder nicht doch ganz andere Dinge, von zu engen Deichen bis zu
den Ursachen sich häufender Extremwetterlagen?
Dass nicht andere Dinge in Sachen Hochwasserschutz viel wichtiger und dringlicher sind als: „die Verbuschung“? Sind die lautstarken Kettensägenbesitzer wirklich die Sprachrohre für „die Menschen“ an der Elbe?