Atomare Endlager: Verzicht auf Mehrbarrierensystem?

Nach Ansicht der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg steht die Endlagerkonzeption für Gorleben offensichtlich vor einer wesentlichen Änderung. Obwohl die Bauarbeiten auf der  Endlagerbaustelle bis zu einem Ablauf des Moratoriums  ruhen und die Entscheidung offen ist, ob alternativ zu Gorleben nicht auch andere Standorte und Gesteinsformationen als Salz auf eine Eignung hin untersucht werden, erprobe die Gorleben-Betreiberin, die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern (DBE), die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle im Salzgestein. Hochradioaktive Abfälle - Brennelemente und verglaster Müll -  sollen nun als Kokillen ohne weitere Abschirmung in Bohrlöchern versenkt werden.  Damit entfiele eine der vier Barrieren, die ein Austreten von Radioaktivität in die Biosphäre verhindern sollen. Auf entsprechende Versuche verwies der Diplomphysiker Wolfgang Neumann (Gruppe Ökologie Hannover) auf einer Veranstaltung von Bürgerinitiativen aus dem Raum Asse, Salzgitter und dem Wendland, die sich am Wochenende zu einem zweitägigen Fachkonferenz  in Lüchow trafen.

Die DBE erprobe  in ihrer Versuchsanlage in Landsbergen/Weser, einem alten Kohlekraftwerk, das Hantieren mit den sogenannten BSK-3-Kokillen. Bisher sollten die Castorbehälter nach einer längeren Lagerzeit - die Castoren sind lediglich Transport- und Lagerbehälter -  in der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) Gorleben entladen und in Pollux-Behälter - die Endlagerbehälter - umgepackt werden. Die dickwandigen Pollux-Behälter galten als erste Barriere in einem Mehrfachbarrierenkonzept bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle. Nun würden lediglich Abschirmungen beim Hantieren mit den BSK-3-Kokillen verwandt, um die
Strahlenbelastung des Personals zu minimieren, erfuhren die Seminarteilnehmer. Auf ein Zerschneiden der Brennstäbe würde verzichtet, diese würden in voller Länge im Salzgestein eingelagert - am Ende behälterlos.

"Die Barriere Deckgebirge hat bei der Endlagersuche eine wichtige Funktion
", unterstrich der Hannoveraner Geologe Dr. Detlef Appel. "Das Deckgebirge über dem Salzstock Gorleben gäbe keinen zuverlässigen Rückhalt, wenn radioaktiv belastete Lauge über Wasserwegsamkeiten aus dem geplanten Endlager  in die Biosphäre ausgepresst würde." Das mögliche Zusammenspiel von wasserführenden Zonen, insbesondere dem Hauptanhydrit, in genau den Tiefen, in denen hochradioaktiver Müll im Salz versenkt werden soll, mit wasserleitenden Schichten im desolaten Deckgebirge�,  sei ein großes Manko des Salzstocks. "Aus meiner
geowissenschaftlichen Sicht ist Gorleben nicht eignungshöffig," warnte der Referent. Dazu käme, dass es noch keine vergleichende Untersuchung verschiedener Standorte gegeben habe, das Auswahlverfahren Gorleben sei nicht nachvollziehbar. Dr. Appel: "Es gibt keine Verfahrensgerechtigkeit�. "

Die Havarie der Atommüllendlager Asse II und in Morsleben - dort bricht Wasser ein -  und das Aufweichen der Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung radioaktiver Abfälle bestimmten die Debatte unter den 60 Seminarteilnehmerinnen.  "Der Verzicht auf zwei von vier Sicherheitsbarrieren ist, wenn Lehren aus Asse II und Morsleben gezogen werden, ein Vabanquespiel," resümiert die Bürgerinitiative. "In die Asse bricht Lauge , in Gorleben brechen die Sicherheitsbarrieren ein.  Die Debatte um Sicherheitskriterien bei der Endlagersuche werde man auf dem Symposium Ende Oktober, zu dem der Bundesumweltminister Sigmar Gabriel verschiedene Akteure einlädt, argumentativ und demonstrativ führen. "Wir wollen dafür sorgen, dass Gorleben mit Ablauf des Moratoriums endgültig aufgegeben wird," so ein BI-Sprecher. 

 

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Foto: Büro im Salzstock Gorleben 700 meter unter der Erdoberfläche (Archiv)
Fotograf: Gerhard Ziegler




2008-07-16 ; von asb (autor),

 

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