Am Mittwoch wurden auf dem Gartower Schützenplatz rund 160 SoldatInnen der Patenkompanie der Gemeinde Gartow mit einem "Rückkehrerappell" geehrt. Ein Teil von ihnen war kürzlich von einem NATO-Einsatz in Litauen zurückgekehrt. Wirtschaftsminiser Bernd Althusmann war eigens für die Würdigung gekommen.
Rund 160 SoldatInnen aus dem in Lüneburg stationierten Aufklärungslehrbataillon 3 waren am Mittwoch Nachmittag nach Gartow gefahren worden, um dort Würdigungen anlässlich ihrer Rückkehr aus einem NATO-Einsatz im Rahmen der "Enhanced Forward Presence*" in Litauen in Empfang zu nehmen.
Nicht wenige von ihnen waren deutlich jünger als 20 Jahre. Diese waren jedoch nicht in Litauen gewesen, wie sich später herausstellte. VertreterInnen des gesamten Bataillons, welches rund 450 SoldatInnen umfasst, sollten das Geschehen ebenfalls miterleben. Ein Bundeswehrsprecher betonte, dass SoldatInnen in der Grundausbildung nicht auf derartige Einsätze geschickt würden.
"Die Schrecken des Krieges sind zurück in Europa"
Gartow war nicht zufällig als Ort für das Geschehen ausgewählt geworden. Es war gleichzeitig ein Besuch der Patengemeinde, denn die Gemeinde Gartow pflegt seit über 50 Jahren freundschaftliche Beziehungen zu der Lüneburger Bundeswehr-Einheit. Praktisch ist es die Schützengilde Gartow, die dafür sorgt, dass die freundschaftlichen Beziehungen lebendig bleiben.
Angesichts des Kriegs in der Ukraine kam diesem Rückkehrer"Appell" eine besondere Bedeutung zu. Wirtschaftsminister und stellv. Ministerpräsident Bernd Althusmann war eigens nach Gartow gekommen, um die SoldatInnen zu würdigen.
"Die Schrecken des Krieges sind zurück in Europa. Der Einsatz der SoldatInnen im Rahmen der NATO-Einsätze kann deshalb nicht genug gewürdigt werden," so Althusmann an die SoldatInnen gerichtet - aber auch an die rund 40 BürgerInnen, die sich die Veranstaltung anschauten. "Niemand soll glauben, dass die Ukraine uns nicht betrifft. Denn seit dem 24. Februar findet in Deutschland, Europa und der Welt ein fundamentaler Wandel, eine Zeitenwende, statt." "Unsere Stärke entmutigt Putin," zeigte sich Althusmann überzeugt. " Ein Erfolg Putins könnte ihn zu weiteren Schritten beflügeln. " Deshalb seien die Streitkräfte für das Wohlergehen der westlichen Länder wichtig.
Wie lange noch zuschauen?
Althusmanns weitere Worte ließen ahnen, dass er bei der Entscheidung, inwieweit Deutschland sich in den Krieg einmischen solle, eine härtere Gangart einschlagen würde, als es die derzeitige Bundesregierung gerade tut. "Wie
lange werden wir zuschauen können? Rote Linien sind längst überschritten.," fragte der stellvertretende Ministerpräsident.
Nach Althusmanns Ansicht sind 3 % des Bruttosozialprodukts, die derzeit im Verteidigungshaushalt zur Verfügung stehen, zu wenig. "Die Politik muss sich ehrlich machen, 99,7 der BürgerInnen wachen morgens auf und genießen die Freiheit, 0,3 % verteidigen das Land."
Die Bundeswehr brauche viel, nicht nur Material, sondern auch Führungsfähigkeiten und Einsatzbereitschaft, digitale Modernisierung, Waffen etc., so Althusmann. Auch Aufklärung und Kommunikation müssten auf den modernsten Stand gebracht werden.
"Freiheit schien uns etwas Selbstverständliches zu sein," so Althusmann. "Aber jetzt geht es wieder um solch existenzielle Fragen wie Freiheit oder Unterdrückung, Leben oder Tod." Dabei stelle sich die Frage, ob "wir in der Lage wären, uns so zu verteidigen, wie es die Ukrainer tun".
Demokratien seien zwar nicht schwach, dennoch bräuchten sie in den nächsten Jahren dringend Optimismus.
*HINTERGRUND
"Enhanced Forward Presence" ist eine NATO-Initiative, die 2016, nach der Krim-Einnahme und dem seit 2014/15 bestehenden Krieg in der Ukraine, beschlossen wurde. Seitdem sind regelmäßig jeweils rund 1000 SoldatInnen aus NATO-Ländern in Litauen, Lettland, Estland und Polen stationiert, um diesen Ländern im Krisenfall Beistand zu leisten.
Deutschland ist dabei Führungsnation für Litauen, koordiniert sieben Länder, darunter Frankreich, Norwegen oder die Niederlande. Es sind nicht nur Aufklärungseinheiten vor Ort, sondern derzeit eine gepanzerte Kompanie mit insgesamt 543 Soldaten.
Die Battlegroups (Kampfgruppen) sind ausdrücklich vor Ort, um den baltischen Ländern Unterstützung zu geben und sollen auch als Abschreckung gegenüber Russland dienen.
Foto | Andy Meier/ Bundeswehr: Zum Thema Waffenlieferungen äußerte sich Wirtschaftsminister Althusmann (re.) in Gartow nicht, deutete allerdings, dass er sich in Sachen Krieg eine härtere Gangart wünschte.