Gabriel besuchte Gorleben

Bundesumweltminister Gabriel besuchte Gorleben. Einen ganzen Tag verbrachte er in der Region, sprach mit Widerständlern, stellte sich im Rahmen einer öffentlichen Kreis-Ausschußsitzung den Fragen ausgewählter Vertreter verschiedener Gruppierungen.
 
Sensationelles hatte der Ministier nicht mitzuteilen. Aber: ein internationales Wissenschaftler-Hearing soll sich im Herbst 2008 mit den Bedingungen für eine sichere Endlagerung radioaktiven Mülls befassen, bis Januar 2008 will das BMU Sicherheitskriterien für ein Endlager entwickeln und das Moratorium bleibt solange bestehen, bis sich die CDU/CSU-regierten Bundesländer auf eine ergebnisoffene, vergleichende Standortsuche einlassen, die auch Standorte in ihren Bundesländern einbezieht.
 
Am Morgen hatte sich der Bundesumweltminister mit der sogenannten „Gartower Runde“ getroffen, einer langjährig bestehenden Arbeitsgruppe von Vertretern verschiedener Widerstandsgruppierungen im Landkreis. Minister Gabriel sah in verschiedenen Punkten Einigkeit mit der Gartower Runde: „Wir haben vereinbart, daß wir nach Vorlage der Sicherheitsanforderungen für Standorte, die wir spätestens im Januar im Bundesumweltministerium erstellt haben, im Herbst 2008 ein internationales Hearing zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle durchführen wollen.“ Dazu werde man jetzt gemeinsam mit der Gartower Runde in die Vorbereitung gehen.
 
Graf von Bernstorff, einer der Gründungsmitglieder der „Gartower Runde“ zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis des Gesprächs. „Nach unseren Erfahrungen steht Minister Gabriel zu dem, was er sagt. Aber wir werden natürlich auch darauf bestehen, daß wir am Vorbereitungsprozeß aktiv beteiligt sind.“
 
Deutliche Worte fand Gabriel auch für das bisherige Vorgehen in Sachen Endlagersuche. „Wir können selbstverständlich in Deutschland die Endlagerfrage nicht so klären, wie das in der Vergangenheit versucht worden ist, nämlich daß man erst den Standort benennt und dann Kriterien so entwickelt, daß sie auf den Standort passen könnten.“ Nach Gabriels Ansicht sollten die Befürworter von Gorleben ein solches Verhalten auch in ihrem Interesse nicht fortführen, weil die Riesengefahr bestehe, dass irgendwann auch Gorleben vor dem Verwaltungsgericht scheitert.
 
Gorleben könne eh frühestens im Jahr 2025 in Betrieb genommen werden, also sei auch ausreichend Zeit, ein solides Standort-Suchverfahren in die Wege zu leiten. Vom AK End seien entsprechende Kriterien bereits festgelegt worden. Nach eigener Fortentwicklung werde das BMU spätestens Anfang kommenden Jahres die Sicherheitsanforderungen an denkbare Standorte veröffentlichen. Bereits im September letzten Jahres hatte das Bundesumweltministerium ein Konzept vorgelegt, wie die Standortsuche gestaltet werden soll.
 
Und: der Bundesumweltminister sieht hauptsächliche politische Probleme auf dem Weg zum geeigneten Endlager. Die Stromwirtschaft werde wohl nach seinen Informationen mitspielen, denn „schließlich können sie die Kosten ja sogar aus der Steuerersparnis zahlen...“. Das Problem bestehe darin, daß es zwar durchaus auch in der Berliner Koalition Verständnis dafür gebe, daß die Endlagerfrage diskutiert werden soll, aber insbesondere die betroffenen Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg, wo es Standorte gäbe, die man mal näher untersuchen müßte, würden sich weigern, auch nur einen Millimeter auf dem Weg der SPD mit zu gehen. Gabriel: „Ich halte diese Haltung für einigermaßen abstrus, denn dies sind auch die Länder, die den Ausbau der Atomenergie befürworten. Also wer einerseits den Atommüll produzieren will, andererseits aber nicht bereit ist, daß man auch bei ihm mal guckt, ob es im Granit oder im Ton denkbare Endlagerstandorte gibt, der macht sich selber unglaubwürdig. Ich halte das für feige.“
 
Das Wichtigste aber sei, daß Deutschland eine Lösung der Endlagerfrage auch für hochradioaktive Abfälle brauche. „Meine größte Angst ist, daß diese gefährlichen Stoffe womöglich in Ländern endgelagert werden, deren Sicherheitsstandards kaum überprüfbar bzw. womöglich gar nicht vorhanden sind.“ Es könne kein verantwortungsvolles Handeln sein, das Problem in die Weiten der sibirischen Eiswüste zu verbannen.
 
Und was Gorleben angehe, so gebe es nach Gabriels Ansicht bislang keine eindeutigen Hinweise gegen die Eignung von Gorleben, aber eben auch keine Hinweise, die für Gorleben sprechen. „Inzwischen ist klar, daß es in Gorleben kein Mehrbarrierenkonzepet gibt, das wäre früher immer als die notwendige Bedingung bezeichnet worden, so daß es schon Sinn macht, unterschiedliche Standorte weiter zu vergleichen“, so der Minister in der Pressekonferenz.
 
Für Gorleben hieße das: zurück auf Los. Aber – an die Adresse der Atomkraftgegner gerichtet – man müsse sich darüber im Klaren sein, daß bei einer echten vergleichenden Standortsuche Gorleben dann zum Endlager werde, wenn mehrere Standorte (inklusive Gorleben) als gleich gut geeignet eingestuft würden
Insbesondere diese Aussage stieß auf vehemente Ablehnung im Widerstand. Francis Althoff, Sprecher der Bürgerinitiative: „Immerhin hat sich Gabriel halbwegs der Öffentlichkeit gestellt. Für uns ist Gorleben allerdings seit Jahrzehnten erledigt. Wir begreifen nicht, warum Gabriel nicht das Rückgrat hat, Gorleben zuzumachen und auf eine neue Standortsuche zu gehen. Außerdem haben wir kein Verständnis dafür, daß Gorleben in den Topf wieder mit reingerührt wird. Wir befürchten, daß mit Absicht noch schlechtere Standorte untersucht werden, um dann später Gorleben zum Endlager machen zu können.“
 
Inhaltlich war Rebecca Harms, Europaparlamentarierin, mit den Aussagen Gabriels zufrieden. Allerdings fragt sie sich, wie man von einer solchen Diskussion im Lüchower Kreishaus zur Umsetzung in der Bundesregierung komme. Selbst wenn Gabriel sich jetzt besinne, die AK End- Empfehlungen umzusetzen, dann sei diese Legislaturperiode schon wieder reichlich kurz, um noch zu Ergebnissen zu kommen. Ihre Sorge ist, daß viel zu viel zeit verstreiche, ohne daß zu dieser Endlagersuche Initiativen verankert worden seien.
 
Die Zeit, die verstreiche, sei immer ein Faktor, der für die Verfestigung des Standortes Gorleben arbeite. Und ob die Stromwirtschaft jetzt plötzlich mitspiele, da sei sie noch gespannt. Denn zu dem Zeitpunkt, als von der rot-grünen Bundesregierung der Atomkonsens unterschrieben worden sei, habe es nur eine politische Erklärung zum Moratorium in Gorleben gegeben. Im Anhang zur Entsorgung, der eben nicht Bestandteil des Konsensvertrages sei, sei deutlich geworden, dass die Stromwirtschaft das überhaupt nicht trage. Die Stromwirtschaft wolle, dass das Geld, welches in Gorleben investiert worden sei, nicht einfach nur im Salz vergraben werde, sondern dass diese Investitionen dazu führten, dass in Gorleben auch endgelagert werde
 
Was müsse denn nun kurzfristig getan werden? Rebecca Harms: „Meiner Meinung müsste möglichst getreu der Empfehlung des Arbeitskreises Endlager folgend möglichst bald ein Endlager-Suchgesetz gemacht werden. Und dieses Endlager-Suchgesetz muß zu einer ergebnisoffenen, vergleichenden Untersuchung anderer Standorte als Gorleben führen. Das Moratorium in Gorleben muss aufrecht erhalten werden, solange, bis man über andere Standorte soviel Daten gesammelt hat, dass man einen guten und ausreichenden Vergleich mit dem Salzstock mit Gorleben durchführen kann.“




2007-11-04 ; von asb (autor),

sigmar gabriel  

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