Einerseits setzt Innenminister Schünemann marode Kommunen – wie z.B. Lüchow-Dannenberg – durch scharfe Sparansagen massiv unter Druck. Nur wenn „bedeutende“ Einsparungen vorgenommen würden, könnten weitere Bedarfszuweisungen fließen. Andererseits werden im niedersächsischen Landeshaushalt schlappe 300000€/ Jahr für die Unterstützung von „fusionsbereiten Kommunen“ bereit gestellt.
Kein Wunder, dass die kommunalpolitischen Pläne der Landesregierung für den Haushalt 2009 nicht nur bei der SPD-Fraktion auf Kritik stoßen.. „Die Vorstellungen von Minister Schünemann sind saft- und kraftlos“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD Johanne Modder. „Es ist eine unglaubliche Frechheit, dass entgegen den vollmundigen Ankündigungen für freiwillige Fusionen von Kommunen im Haushalt kein Cent zur Verfügung steht.“ Modder forderte im Interesse der niedersächsischen Kommunen Klarheit und Transparenz, mit welchen finanziellen Mitteln sie im Fall von Fusionsbestrebungen rechnen können. „Klar muss aber sein, dass der Topf der Bedarfszuweisungen nicht angerührt wird.“
Mal sind es die lokalen Politiker, die den wachsenden Problemen nicht ins Gesicht schauen wollen, mal ist es die Landesregierung, die vorhandene Initiativen blockt. Eine klare Linie in Sachen Gebietsreform ist nicht zu erkennen. Deswegen hat die SPD die Landesregierung kürzlich aufgefordert, die bereits vorhandenen Fusions-Initiativen zu dokumentieren und ein sogenanntes „Leitbild“ für mögliche Fusionierungen zu entwickeln. Allerdings wissen auch die Sozialdemokraten nicht, wie dieses genau aussehen soll. Grund genug, vorsichtig zu sein, hat die Landes-SPD allemal: in der Debatte um die Strukturreform in Lüchow-Dannenberg waren es in vorderster Front die SPD-Kollegen vor Ort, die massiv gegen die Reform gewettert hatten. Nach Vorstellungen der SPD soll nun eine Enquetekommission ein Modell vorlegen.
Diesem Vorhaben stehen die Landes-Grünen allerdings skeptisch gegenüber. „Man bekommt schon den Eindruck, dass die Landesregierung sich scheut, die unpopuläre Maßnahme 'Gebietsreform' wirklich durchzusetzen“, so Miriam Staudte, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag. „In seiner Heimatstadt Holzminden hat Minister Schünemann zum Beispiel gegen eine Gemeindefusion gestimmt. Der Gegenwind seiner eigenen Parteigenossen war zu groß.“
Und Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Landesgrünen hält die Einsetzung einer Enquete-Kommission des Landtages zur Neuorganisation von Kommunen für wenig sinnvoll. „Ich werde mich dem Vorschlag nicht verweigern. Aber viel erwarte ich nicht davon. Das ist ein Vertagungsbeschluss.“ so Wentzel in einer Presseerklärung.
Es bestehe durchaus Handlungsbedarf, sich mit Reformen für kaum noch überlebensfähige Landkreise und Gemeinden zu beschäftigen, so der Grünenpolitiker weiter. Die Ausschüsse des Landtages seien dafür aber geeignete Gremien. Die Enquete-Kommission des Landtages zum demografischen Wandel etwa habe zwei Jahre gearbeitet. Die Vorschläge würden am Ende aber meist nicht umgesetzt, sagte Wenzel.
Dabei stehen die Grünen noch am wenigsten im Verdacht, nur auf die eigenen Pfründe bedacht zu sein, denn in den wenigsten Kommunen sind grüne Bürgermeister oder Stadtdirektoren im Amt. Doch dort, wo eine groß angelegte Gebietsreform die Stellen in der Verwaltung massiv reduzieren würde, regt sich massiver Widerstand unter den Parteigenossen, ob nun SPD oder CDU.
Unterdessen wird der Druck immer größer. 24 der 38 niedersächsischen Landkreise können ihre Haushalte nicht ohne Bedarfszuweisungen ausgleichen, müssen Jahr für Jahr neue Kredite aufnehmen. Dabei sind die Steuereinnahmen landesweit sprunghaft angestiegen. Aber der Bevölkerungsschwund macht den Kreisen zu schaffen. In Lüchow-Dannenberg zum Beispiel gab es nach dem zweiten Weltkriege sage und schreibe 72 000 Einwohner. In den 50er Jahren sank diese Zahl durch die Landflucht rapide auf ca. 57 000 und pendelte sich danach bei Werten um 55 000 Einwohner ein. Seit der Wiedervereinigung im Jahre 1989 sind nun wiederum starke Schwankungen zu beobachten: Hatte der Landkreis im Jahre 2000 noch über 54 000 Einwohner, sind es aktuell nur noch knapp über 50 000 – die von insgesamt über 400 Angestellten in Landkreis und Gemeinden verwaltet werden.
Dass das Verhältnis von Verwaltungsangestellten zur Bevölkerungsanzahl schon seit langem in der Schieflage liegt - darüber sind sich alle politischen Parteien im Land einig. Doch wie das Problem zu lösen ist kann - oder will? - niemand beantworten. Wie sagte doch eine Sprecherin der ehemaligen Bezirksregierung vor Jahren: "An das Thema Gebietsreform wird sich so schnell niemand heranwagen. Bei der letzten großen Reform haben sich zu viele Beteiligte zu viele heisse Ohren eingefangen." Zumal den ärmsten und widerständigsten Landkreis in Niedersachsen, Lüchow-Dannenberg, eh niemand mit-verwalten möchte. "Da muß Schünemann schon ordentlich drauflegen, wenn uns einer mit aufnehmen soll", lachte letzthin ein Kommunalpolitiker aus Lüchow-Dannenberg.
Doch verlassen sollte man sich darauf nicht. Wie gesagt: die Karten mit den Großkreisen sind schon gezeichnet.