Ende Oktober findet in Berlin die internationale Expertenkonferenz zur Frage der Sicherheit von atomaren Endlagern statt. Nun legte das Bundesumweltministerium den als Grundlage für diese Konferenz geltenden Entwurf für die "Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle" vor. Wichtigste Vorgabe: atomare Endlagerung muss so sicher sein, dass über einen Zeitraum von 1 Mio. Jahren für Mensch und Umwelt keine schädliche Belastung von dem eingelagerten radioaktiven Müll ausgeht.
Neben Begriffsbestimmungen, Zuständigsregelungen und der Formulierung allgemeiner Schutzziele enthält der Entwurf weitgehend präzise Angaben über die Sicherheitsanforderungen an ein einzurichtendes Endlager. Doch vor allem die "geologische Langzeitprognose" ruft die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg auf den Plan. Im Papier heißt es, "Für die wahrscheinlichen Entwicklungen ist für den einschlusswirksamen Gebirgsbereich auf der Grundlage einer geowissenschaftlichen Langzeitprognose nachzuweisen, dass die Integrität dieses Gebirgsbereichs über einen Zeitraum von 1 Million Jahre sichergestellt ist. Hierfür ist vom Antragsteller der einschlusswirksame Gebirgsbereich räumlich und zeitlich eindeutig zu definieren und zu zeigen, dass auch unter Berücksichtigung der eingelagerten Abfälle und geotechnischen Barrieren ...die Sicherheit gewährleistet werden kann". Dabei wird der "einschlusswirksame Gebirgsbereich" folgendermassen definiert: "Der einschlusswirksame Gebirgsbereich (ewG) ist der Teil des Endlagersystems, der im Zusammenwirken mit den geotechnischen Verschlüssen (Schachtverschlüsse, Kammerabschlussbauwerke, Dammbauwerke, Versatz, ... ) den Einschluss der Abfälle sicherstellt."
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg kritisiert, daß hiermit auf das bisher geltende Sicherheitssystem der mehrfachen Barrieren verzichtet wird. Das Deckgebirge werde in die Sicherheitskriterien nicht mehr mit einbezogen. Ein BI-Sprecher: "In der Gorleben-Debatte kam dem Deckgebirge bekanntlich eine weitere gewichtige natürliche Barrierefunktion zu. Wir sind alarmiert und werden den Entwurf gründlich mit Fachleuten besprechen. "
Dipl.-Geologe Jürgen Kreusch von der Gruppe Ökologie Hannover, der sich ebenfalls seit Jahren mit der Endlager-Problematik beschäftigt, zieht ein positiveres Resümee: "Dieser Entwurf ist grundsätzlich besser zu bewerten, weil hier ein neuer Ansatz gewählt wurde, der eine Isolation der Abfälle im sogenannten einschlusswirksamen Gebirgsbereich vorsieht. In früheren Papieren wurde mit dem Barrierensystem immer etwas diffus umgegangen." Im Einzelfall gäbe es nach näherer Betrachtung mit Sicherheit noch einiges zu kritisieren. "Aber dieser Entwurf ist ja als Diskussionsgrundlage für die bevorstehende internationale Endlagerkonferenz in Berlin gedacht", so Kreusch. "Man wird zum Beispiel das Problem haben, wie man nachweist, dass aus diesem abgeschlossenen System tatsächlich nichts nach außen dringt." Im übrigen beinhalte dieses Papier Vorschläge, die noch vom ehemaligen Arbeitskreis Endlager entwickelt worden seien.
Ein anderer Punkt in dem Gabriel-Papier könnte sich für die Gegner eines Endlagers in Gorleben allerdings viel kritischer auswirken: Unter dem Punkt "Standortverfahren" wird auf den Nachweis von Kriterien für die Standortfestlegung durch den Antragsteller verzichtet. "Derartige Kriterien sind insbesondere dann notwendig, wenn im Rahmen eines Auswahlverfahrens eine Entscheidung für oder gegen die weitergehende Untersuchung eines Standortes getroffen werden soll. Sie stellen jedoch keine Voraussetzungen für den Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses dar." Die Entscheidung, ob und - wenn ja -
in welchem Umfang verschiedene potentielle Endlagerstandorte im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu vergleichen sind, obliegt nach dem Entwurf dem für die Einrichtung von Endlagern zuständigen Bund und wird von der Planfeststellungsbehörde nicht überprüft.
Im Klartext: Sollte der Bund kein vergleichendes Standortauswahlverfahren durchsetzen können, hat er nach diesem Entwurf die Möglichkeit - bei vorhandener Eignung nach den dann festgelegten Kriterien - Gorleben als Standort für ein atomares Endlager zu benennen.
Foto: Schacht 1 des Erkundungsbergwerks in Gorleben/Timo Vogt/randbild