Thema: endlagersuche

Wenzel im Kreistag: Chancen nutzen, die das Endlagersuchgesetz bietet

Vergangene Woche wurde das lang diskutierte Endlagersuchgesetz im Bundestag beschlossen. Mittwoch Abend stellte sich Umweltminister Stefan Wenzel in Hitzacker der Diskussion mit dem Kreistag Lüchow-Dannenbergs.


Immerhin: Die Kreistagsabgeordneten bedankten sich bei Umweltminister Stefan Wenzel dafür, dass er ihrer kurzfristigen Einladung zum Kreistag gefolgt ist. "Anders als der Bundesumweltminister," scherzten einige. "Der hat uns sitzen lassen." Ansonsten schlug dem Umweltminister aber fast einhellig Skepsis entgegen.

Stefan Wenzel ließ den Kreistag nicht sitzen. Über zwei Stunden lang beantwortete er geduldigt die Fragen der Abgeordneten und begegnete der vielfältig geäußerten Kritik. Neu waren die Argumente der Kreistagsabgeordneten allerdings nicht. Die meisten der geäußerten Befürchtungen und vor allem die grundlegende Skepsis waren dem Minister bereits bei seinem letzten Besuch in Lüchow-Dannenberg in wesentlich schärferer Form vorgehalten worden.

So blieb es im Kreistag beim höflichen Schlagabtausch, bei dem jede/r noch einmal alles sagen konnte, was - womöglich - in den vergangenen Monaten noch nicht gesagt worden war. 

Ihr habt uns vorher nicht gefragt

Landrat Jürgen Schulz kritisierte in seinem Eingangsstatement, dass mit dem Gesetz alle entscheidenden Fragen in die Zukunft verschoben werden – wobei die Gorleben-Frage offen bleibe.

„Vor allem soll nur der 'bestmögliche' Standort gesucht werden und nicht der 'beste',“ kritisierte Schulz weiter. Der Landrat befürchtet, dass diese Formulierung auch bedeuten könnte, dass eine „3-B-Lösung“ gewählt wird und keine „1-A-Lösung“.

Umweltminister Wenzel skizzierte in seinem Redebeitrag die Veränderungen, die durch den hartnäckigen Einsatz der niedersächsischen Landesregierung im Gesetz vorgenommen wurden. Zum einen sei ein Exportverbot für radioaktiven Abfall festgeschrieben worden, welches lediglich Abfall aus Forschungseinrichtungen nicht einbeziehe. Der Zeitraum der Zwischenlagerung wird eingeschränkt. Eine Vorzeitige Enteignung vor Beginn der obertägigen Erkundung eines Standorts wird ausgeschlossen. Und nicht zuletzt wird es keine Castortransporte nach Gorleben mehr geben.

„Es hat sich viel geändert im Endlagersuchgesetz. Aber zufrieden kann man damit noch lange nicht sein,“ so Wenzel. Von der Kommission erwartet er deswegen auch, dass sie das Gesetz noch einmal überprüft und gegebenfalls Änderungsvorschläge entwickelt. Und mit Blick auf die Kritiker: „Ihr Wissen, Ihr Know How ist Grundlage für die weitere Arbeit. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihr Wissen einbringen würden.“ 

Salz ist als Einlagerungsmedium diskreditiert

Für Wenzel hat sich nicht nur das Bergwerk in Gorleben als Endlager-Standort erledigt. Salz ist als Einlagerungsmedium nach seiner Ansicht spätestens nach dem Desaster in der Asse diskreditiert. „Jeder der in Salz einlagern will, muss sich zunächst mit den Problemen in der Asse auseinandersetzen,“ so Wenzel. Vor allem gelte es, vorab zu analysieren, wie es zu den eklatanten Fehleinschätzungen in Bezug auf den Salzstock Asse kommen konnte.

Skepsis und Misstrauen bei den Abgeordneten

Die Abgeordneten wiederholten indes weitestgehend ihre Befürchtungen, die sie schon in den letzten Monaten im Zuge der Debatte um das Endlagersuchgesetz geäußert hatten.

Hier die wichtigsten Punkte:

  • das Gesetz ist ohne die Beteiligung der Bevölkerung entstanden
  • Gorleben bleibt weiter im Pool
  • die Bund-Länder-Kommission könnte ein zahnloser Tiger bleiben, da weder Zusammensetzung noch Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse wirklich effektiv verankert scheinen
  • das Aussetzen der Castortransporte wird als Verschiebung des Problems gewertet, zumal das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig die Sicherheitsregeln für Zwischenlager in Frage gestellt hat.
  • Die Anzahl der untertägig zu erkundenden Standorte bleibt unklar
  • Ausschlusskriterien für einen Standort sind im Gesetz nicht verankert.
Ob SPD, Grüne, LINKE oder UWG – alle Abgeordneten haben tiefe Skepsis, dass mit dem geplanten Verfahren tatsächlich ein fairer, offener Prozess eingeleitet wird, an dessen Ende nicht ein Endlager-Standort benannt wird, der „Gorleben“ heißt. Einzig die CDU-Abgeordneten lobten den Gesetzesentwurf, äußerten aber Sorge um die Arbeitsplätze in Gorleben. David Beecken (CDU) wünschte sich, dass ein Forschungsinstitut in Gorleben eingerichtet wird, „damit das Know How das dort geschaffen wurde, nicht verloren geht.“

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke nutzte während der Bürger-Fragestunde die Gelegenheit, das Problem der Pilotkonditionierungsanlage anzusprechen, die im Zuge der Diskussionen um das Endlager-Suchverfahren immer wieder vergessen wurde. Ehmke wies auf Pläne des Niedersächsischen Umweltministeriums hin, in der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) Gorleben die hochangereicherten und hochbrennbaren Brennelemente des Kugelhaufenreaktors Hamm-Uentrop zu konditionieren. (UPDATE: Die BI korrigierte sich am 05.07. folgendermaßen: "Ehmke wies auf Pläne des Bundesumweltministeriums hin, in der Pilot-Konditionierungsanlage (PKA) Gorleben hochbrennbaren Brennelemente des Versuchsreaktors Jülich zu konditionieren" ...)

Bereits in einer Pressemitteilung vom 1. 7. hatte die BI Wenzel aufgefordert, „den sittenwidrigen Vertrag aus dem Jahr 1997 zwischen NMU und der Gesellschaft für Nuklearservice (GNS) zu kündigen, indem das NMU der Gorleben-Betreiberin zusagt, die Betriebserlaubnis auch dann nicht zurückzunehmen, wenn von ihr kein Gebrauch gemacht wird".

Nicht sicher, ob es gelingt

Auch Wenzel weiß, dass es noch viele offene Fragen gibt, bis es tatsächlich zur Benennung eines Standorts „für dauerhaft einzulagernde radioaktive Abfälle“ kommen wird. Und dass es längst keine ausgemachte Sache ist, dass Gorleben nicht zum Endlager-Standort wird. Nicht zuletzt sei im anstehenden Verfahren die grundsätzliche Frage zu klären, über welche Art von radioaktiven Abfällen eigentlich geredet wird. Unfassbar sei es, dass in all den Jahrzehnten keine Klassifizierung für Atommüll geschaffen wurde, so Wenzel.  „Diese und viele andere grundlegende Fragen soll die Kommission klären.“   „Denn bisher gibt es kaum Informationen darüber, welche Einlagerungsbedingungen für die verschiedenen Abfallarten benötigt werden. Mittel- und schwach radioaktive Abfälle verursachen andere Probleme als hoch radioaktive. Es müssen Sicherheitskriterien entwickelt werden, die Lagerungsvoraussetzungen für die unterschiedlichen Abfallarten berücksichtigen,“ so Wenzel.

Für den Umweltminister ist die Arbeit der Bund-Länder-Kommission aber nicht nur in technischer Hinsicht eine entscheidende Größe im Endlager-Suchverfahren. In einer „öffentlichen, nachvollziehbaren Diskussion“ sollen die Kommissionsmitglieder offene und kritische Fragen klären, die Öffentlichkeit einbeziehen und letztendlich zu einem einheitlichen Ergebnis kommen. „Schafft die Kommission das nicht, dann werden wir auch keinen gesellschaftlichen Konsens über einen Standort für dauerhaft einzulagernden Abfall bekommen,“ so Wenzel. "Und da wir in einer Demokratie leben, besteht ohne einen allgemein akzeptierten Konsens die Gefahr, dass das Gesetz jederzeit geändert werden kann." Deswegen sei eine einheitliche Entscheidung der Kommission unabdingbar notwendig für ein Gelingen des Prozesses. 

"Wir müssen es hinkriegen, dass die Gesamtgesellschaft Verantwortung für das Problem Atommüll übernimmt," appellierte Wenzel an die Anwesenden. "Und wir müssen die Chancen nutzen, die das Endlagersuch-Gesetz bietet."

Foto / Angelika Blank: Umweltminister Stefan Wenzel (li.) stellte sich am Mittwoch den Fragen des Kreistags, rechts neben ihm Landrat Jürgen Schulz.










2013-07-04 ; von Angelika Blank (autor),
in Hitzacker (Elbe), Deutschland

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