Neues Leben für ausgediente Sandsäcke

Während des Hochwassers 2013 wurden über zwei Millionen von ihnen von mehreren tausend Helfern befüllt ... Nun erwachen einige der "flutgeschädigten" Sandsäcke zu neuem Leben: sie sind zu Handytaschen und anderen Accessoires geworden.

Nadine Teicher und ihr Mann verbringen mit ihrem vierjährigen Söhnchen schon seit Jahren gerne ihren Urlaub im Wendland. Besonders Seedorf, das kleine Dörfchen nahe der Elbe, hat es ihnen angetan. "Die vielen Kreativen hierzulande, die vielfältigen gemeinsamen Projekte, die wunderbare Natur, das hat uns angezogen," so die Studentin für Kunst und Textil.

Doch im vergangenen Jahr konnten sie erst nach der Flut ins Wendland reisen. "Das war schon ein richtig mulmiges Gefühl, in eine Gegend zu fahren, die gerade erst eine Katastrophe überstanden hatte." Lange zögerte die Familie, ob sie wirklich fahren sollte - konnten sie doch für die Betroffenen nichts mehr tun.

Doch dann kam Nadine Teicher, die sich im Studium viel mit Textilien auseinander setzt, die zündende Idee. "Überall auf den Deichen lagen die ausgedienten Sandsäcke herum, vollgefüllt mit Sand und stumme Zeugen der abgelaufenen Dramen," so Nadine Teicher. Sie fragte nach, ob sie nicht einige der Sandsäcke haben könnte, bekam prompt die Erlaubnis und begann, sich mit dem Material auseinander zu setzen. Die Säcke wurden geleert, gewaschen und fein säuberlich für die weitere Verarbeitung vorbereitet.

elbsack - hier kommt der Widerstand zum Tragen

"Schnell war mir klar, dass diese Säcke ein Stück Geschichte repräsentieren, dass sie für jeden, der die Flut miterlebt hat, herbe Erinnerungen bergen," erinnert sich Nadine Teicher. "Und ich wusste auch, wie ich auch nachträglich noch helfen kann: indem ich aus diesen geschichtsträchtigen Säcken Produkte herstelle, deren Verkauf über eine Spende sogar noch dem Hochwasserschutz zugute kommt." Ein Label war auch schnell gefunden: elbsack - mit einem dicken gelben Kreuz durchzogen.

Auch das kein Zufall: "Bei der Flut 2013 machte sich in meinen Augen wieder einmal der unbändige Widerstandswille der Wendländer bemerkbar, der schon seit über 30 Jahren den Widerstand gegen die Gorlebener Anlagen am Leben erhält," so Nadine Teicher. "Da war es für mich logisch, das gelbe Kreuz, das Symbol des Gorleben-Widerstands, in das Projekt 'elbsack' mit aufzunehmen." Der Slogan von "elbsack" lautet denn auch: "Hier kommt der Widerstand zum Tragen".

Um das leicht gewebte Jutematerial haltbarer zu machen, arbeitete Nadine Teicher LKW-Plane mit ein, die Handytaschen bekamen ein weiches Filzinnenleben und die Schlüsselanhänger ein kräftiges Gurtband. So bestehen alle "elbsack"-Produkte bestehen im Wesentlichen aus der Jute von Sandsäcken, die beim Elbhochwasser 2013 im Wendland zum Einsatz gekommen sind. Die Sandsäcke wurden vor der Verarbeitung gründlich gereingt. Dennoch hat die Natur nachhaltige Spuren als dunkle Marmorierung auf dem Gewebe hinterlassen. Somit ist jedes elbsack-Produkt ein absolutes Unikat und erzählt seine eigene Geschichte.

Und wie geht es weiter? Noch hat Nadine Teicher genügend Sandsäcke vorbereitet, um aus ihnen noch einige hundert Taschen oder Accessoires herstellen zu können. Nun hofft sie, dass die bei der Flut so wichtigen Sandsäcke viele, viele Liebhaber finden - um einerseits über den Spendenanteil viel Geld in die Kassen der Deichverbände zu spülen und andererseits ihr ein (zusätzliches) Auskommen zu sichern. 

Zu sehen und zu kaufen sind die "elbsäcke" auf der Kulturellen Landpartie im Ausstellungsort Seedorf. Erhältlich sind sie aber auch im Internet unter elbsack.de 

Foto / Angelika Blank: Nadine Teicher aus Dortmund




2014-06-05 ; von Angelika Blank (autor),
in Lüchow-Dannenberg, Deutschland

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