Sanfte Agrarwende: den Einen zu wenig, den Andern zu viel

Wenn ein grüner Landwirtschaftsminister rund 200 Landwirten seine Vorstellungen einer sanften Agrarwende erklärt, dann kann er schon froh sein, wenn er nicht ausgebuht wird. Im Lüchower Gildehaus durfte Christian Meyer am Mittwoch beides erleben: Zustimmung und Ablehnung. 

Ausgerechnet am 1. April machte sich Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer, doch als Aprilscherz endete die Reise für ihn nicht. Während der Tag noch sehr angenehm mit einer Besichtigung der von Bernstorffschen ökologischen Waldbewirtschaftung und des "Waldgartens" verlief, stellte sich der Minister am Abend einer geballten Ladung Landwirte.

Hauptsächlich aus dem konventionellen Bereich kamen die Bauern, die hören wollten, wie Meyer sich die - von ihm so genannte - "sanfte Agrarwende" vorstellt. Lag es an der Fülle der Informationen oder daran, dass die "Konventionellen" sich längst eingeschworen hatten, die "sanfte Agrarwende" abzulehnen - viele Landwirte mochten nicht verstehen, wie sie als eher kleinere Betriebe von den grünen Förderplänen profitieren können.

Dabei hatte Meyer in seinem Vortrag immer wieder betont, dass er es ablehne, nur 13 % der Landwirte mit massiven Fördergeldern zu unterstützen, während 87 % in die Röhre gucken würden. Und diese 87 % sind die kleinen Familienbetriebe, die nicht in der Lage (und oft auch nicht willens) sind, millionenschwere Investitionen in die Aufstockung von Tierbeständen und in der Folge in größere Ställen zu stecken.

Am Beispiel der gerade erst aufgehobenen Milchquote machte Meyer deutlich, wie sehr die Landwirte sich immer mehr in der Größer-schneller-weiter-Spirale der globalen Märkte zu verheddern drohen. "Um am Markt mitzuhalten, werden die Bauern gezwungen sein, immer mehr Milch zu produzieren. Die Folge wird mit Sicherheit kein höherer Milchpreis sein," prophezeite Meyer.

Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, aber auch im Sinne von Artenvielfalt und artgerechter Haltung wird Meyer die Agrarförderung in Niedersachsen immer stärker an Obergrenzen binden. Ein Rinderhalter wird z.b. in Niedersachsen nur eine Förderung erhalten, wenn er unter 300 Tieren hält, ein Legehennenbetrieb darf nicht mit mehr als 6000 Hühnern gehalten werden usw.

Für Ackerbauern gibt es z. B. zusätzliche Boni, wenn sie die Imker in ihre Anbauplanung einbeziehen, sich von den Bienenzüchterin sozusagen einen "Persilschein" holen, der ihnen bescheinigt, dass ihre Anbauplanung den Bedürfnissen von Bienen nützt. Heißt im Klartext: plant der Landwirt eine Mischkultur, die auch Blühstreifen in ausreichender Größe mit einbezieht, gibt es 100,00 Euro pro Hektar extra. (Der Berufsverband der Berufs- und Erwerbsimker hatte Meyer übrigens für diese Initiative erst im Januar mit dem "Goldenen Stachel" geehrt).

Insgesamt deklinierte Meyer in seinem Vortrag in Lüchow all die Maßnahmen durch, die er in seiner Regierungszeit umgesetzt hat bzw. umsetzen wird. Neben der Ringelschwanzprämie, der Imkerbonus, die gezielte Förderung bäuerlicher Familienbetriebe oder Maßnahmen gegen das Schnabelkürzen bei Geflügel wird es demnächst auch ein Label für Weidemilch geben. Letzteres ersetzt zwar nicht eine Milcherzeugergemeinschaft, hilft aber zumindest dabei, höhere Preise für die aufwändiger produzierte Milch von Weidekühen zu erzielen, ist Meyer überzeugt.

Nach Überzeugung von Meyer sind es nicht die Verbraucher, die "alles schlucken, so lange es nur billig ist", sondern vielmehr Discounter und Großhändler, die sich auf dem europaweiten Markt die günstigsten Einkaufspreise organisieren. "Schließen Sie sich zusammen, damit Sie in die Lage kommen, bessere Preise zu erzielen," rief er den  Landwirten zu.

Auch das geplante Transnationale Abkommen mit den USA (TTIP) sieht Meyer höchst skeptisch. "Ich habe große Sorge, was passiert, wenn TTIP kommt," so Meyer. "Viele Hühnerzüchter, ich schätze rund 30 %, werden dann wohl aufgeben müssen, da in den USA wesentlich billiger produziert wird," prophezeite Meyer. "Deswegen bin ich auch froh, dass die Verbraucherministerkonferenz bereits vergangenes Jahr TTIP abgelehnt hat."

Den Einen gehts nicht schnell genug - den Anderen ist es zu viel Artenschutz

Welchen Spagat Meyer in der Umsetzung seiner "sanften Agrarwende" üben muss, wurde in der Diskussion deutlich. Während ökologisch interessierte Verbraucher und Landwirte teilweise "das Verbot von großen Tierställen" forderten, kam aus den Reihen der konventionellen Landwirte der Vorwurf, dass "Herr Minister" mit "DDR-Parolen" arbeite und nicht wisse, was die Landwirte wirklich umtreibe.

Mit der "DDR-Parole" war ein Zitat Meyers gemeint - "Bauernland statt Bankenland" - mit dem er deutlich machen wollte, was eines seiner Ziele der Agrarförderung ist: den Familienbetriebe über das Grundstücksverkehrsgesetz die Möglickeit zu sichern, eigene Flächen zu kaufen und sie nicht Banken oder externen Großinvestoren überlassen zu müssen, weil die Pacht- und Grundstückspreise ins Unermessliche steigen. "Ich will nicht, dass Sie demnächst nur noch als Angestellte oder Abhängige von Finanzinstituten arbeiten werden," begründete er seine Haltung.

Mit seiner Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht auch für Bio- und Fleischprodukte konnte sich Meyer allerdings auch den Beifall einer Mehrheit im Saal abholen. Im Allgemeinen hatten vor allem die konventionellen Landwirte aber ihre Schwierigkeiten, einzusehen, dass die Umstellung auf artgerechtere Haltung und mehr Ökologie im Anbau, den Landwirten langfristige Perspektiven öffnet - und ihr Verhältnis zur Gesellschaft deutlich verbessert.

In der öffentlichen Diskussion gaben sich die Landwirte den ministeriellen Plänen gegenüber denn auch verhalten bis skeptisch - am Rande der Veranstaltung war aber zu hören, dass zumindest die Anträge für Blühstreifen-Förderung sich bereits im letzten Jahr verdoppelt hatten.

Foto / Angelika Blank: Legehennenbetriebe wie Fried von Bernstorffs' (li.) "Waldgarten" in Nienwalde sind ganz nach dem Geschmack des Ministers.





2015-04-02 ; von Angelika Blank (autor),
in Tannenbergstraße 1, 29439 Lüchow, Deutschland

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