Die anhaltend warmen Temperaturen lassen die knackigen Triebe sprießen – versprechen ausgiebige Gourmetgenüsse. Doch die Fachleute wissen, dass das Wetter im vergangenen Frühjahr die Ernte dieses Jahres bestimmt.
Wabernd steigt der Frühnebel über der Elbe auf, noch hat die Sonne nicht die Wipfel der Bäume erklommen. Lange Schatten ziehen sich über die noch blassen Felder.
06.00 Uhr morgens. Für Andrej, Karol und Pawec aus Polen hat der Arbeitstag schon längst begonnen. Bereits seit dem ersten Tageslicht sind sie mit Spargelstechern und Sammelkörben bewaffnet auf dem Spargelfeld der Familie Grimm unterwegs, das „weiße Gold“ zu ernten. Reihe für Reihe werden die Spargeldämme von ihren schützenden Hüllen befreit, mit geübtem Blick die ans Licht drängenden Stangen entdeckt, abgestochen und zum Einsammeln abgelegt.
Jeder Handgriff ist eingeübt, das Team perfekt aufeinander eingespielt. Ab und zu rufen sie sich über die Reihen kurze Sätze zu, leises Gelächter ist zu hören. Ich verstehe kein Wort – vielleicht machen sie sich über die Fotografin lustig, die es nicht einmal schafft, beim Fotografieren mit ihnen Schritt zu halten. Dabei liegt überhaupt keine Hektik über dem Feld. Obwohl die Drei emsig Kilo für Kilo des kostbaren Guts in ihre Körbe sammeln, machen sie nicht den Eindruck, unter Druck zu stehen.
EIN GEMÜSE MIT GESCHICHTE
Überall liegen die weißen Stangen zum Abholen bereit auf der Erde. Was ist es bloß, was diese weißen Dinger, fast vollständig aus Wasser bestehend und – seien wir mal ehrlich – ziemlich geschmacklos, so attraktiv macht? Etwas müssen diese Triebe ja haben, denn Spargel ist als Gemüse und Heilpflanze seit langem bekannt. Die Ägypter verwendeten ihn schon vor 4.500 Jahren, Griechen und Römer kannten ihn bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. Abführend und harntreibend sollen die kalorienarmen Stangen wirken sowie gegen Gelbsucht helfen. Die Römer machten den Spargel auch nördlich der Alpen bekannt, bald geriet er hierzulande allerdings wieder in Vergessenheit – vermutlich weil der Nährwert gering und Anbau aufwändig ist. Erst im 16. Jahrhundert wurde der Spargel als edles Gemüse wieder entdeckt. Teuer, weil selten angebaut blieb er allerdings lange Zeit den Reichen vorbehalten.
Spargel liefert die Vitamine A und B und ist reich an Calcium, Phosphor, Thiamin, Kalium und Eisen. Durch seinen dezenten Eigengeschmack können Köche ihre Fantasie spielen lassen: ob gesotten, gekocht, gebraten, in Teig eingewickelt oder überbacken, mit Schinken, Käse oder Lachs... die Palette der Zubereitungsarten ist schier endlos.
Vielleicht ist aber auch nur das wundersame Ereignis, jedes Frühjahr die Sprossen der Spargelpflanze als dicke feste Triebe aus der Erde schießen zu sehen, der Grund für die hohe Attraktivität. Wem kommen nicht beim Anblick der dicken Stangen mit ihren aufbrechenden und dennoch zarten Köpfen höchst erotische Assoziationen? „Veronika, der Spargel wächst, die ganze Welt ist wie verhext...“ , sang man schon im alten Berlin. Ja, ja, ... Vielleicht ist das der wahre Grund für die hohe Beliebtheit des Spargels - wer weiß. Tatsache ist jedenfalls, dass allein in Niedersachen letztes Jahr 18 000 Tonnen des weißen Gemüses geerntet wurden.
Für Familie Grimm aus Langendorf ist der Spargelanbau Ehrensache. Bei Rolf Grimm wird der Spargel nicht „verfrüht“, wie es im Fachjargon heißt. Diese Technik, bei der dem Spargel mit speziellen Folien, Vlies und oft einer transparenten Überdachung sozusagen ein Gewächshaus simuliert wird, führt dazu, dass der Spargel rund zwei Wochen früher geerntet werden kann. Und wer früher als alle anderen mit seinem Spargel auf dem Markt ist, kann natürlich höhere Preise verlangen.Für Rolf Grimm kommt das nicht in Frage. „Was kommt, das kommt...“ ist sein Motto. Dabei ist für ihn höchste Qualität Ehrensache. Ein Teil seiner Felder werden biologisch bewirtschaftet. Keine Spritzmittel, keine Düngemittel... Frische und Geschmack sind das Ergebnis. Handernte ist beim Spargel sowieso üblich. Sämtliche Versuche, automatisierte Ernteverfahren für Spargel zu entwickeln, schlugen bisher fehl bzw. waren letztendlich auch nicht kostengünstiger als der persönliche Einsatz.
„In diesem Jahr ist wohl mit einer durchschnittlichen Ernte zu rechnen“, weiß Rolf Grimm. Denn trotz des warmen Wetters bleibt abzuwarten, wie sich die zweite Triebphase kurz vor dem Johannitag (24. Juni) entwickelt. Denn die Wurzelrizome, aus denen sich die Triebe (Spargelstangen) entwickeln, wird bereits im Vorjahr angelegt. Und da es im letzten Frühjahr in der zweiten Triebphase sehr kalt war, bleibt abzuwarten, wie lange und wieviel Spargel noch geerntet werden kann. Doch Rolf Grimm ist optimistisch: „Wir ernten im Moment recht gut, so dass wohl jeder auf seinen Geschmack kommen kann.“
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