Zur konstituierenden Sitzung des Biosphärenreservats-Beirats fand sich am Mittwoch auch Umweltminister Stefan Wenzel in Bleckede ein. Ein Schwerpunktthema der Sitzung: Strategien für den Hochwasserschutz, unter anderem: Umgang mit Verbuschung.
Mit dem Geschäftsführer des Bauernverbandes Nordostniedersachsen, Wolf Winkelmann, hatte das Gremium am Morgen erneut einen führenden Vertreter der Landwirtschaft zum Vorsitzenden des Beirats für das Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue gewählt.
Die enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz ist denn auch ein Anliegen von Umweltminister Stefan Wenzel, wie er in dem nachfolgenden Pressegespräch erläuterte. "Der Beirat spielt da eine wichtige Rolle," so Wenzel. "Er soll anregen und initiieren, aber auch kritischer Begleiter und Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen sein - so sorgt er für eine gute Verankerung und Akzeptanz des Biosphärenreservats in der Bevölkerung."
Vertragsnaturschutz und Partnerbetriebe sind dabei für Wenzel wichtige Module, um Naturschutz und regionale Wirtschaft ohne Konflikte weiter zu entwickeln.
Auch im Beirat stand am Mittwoch zunächst der Hochwasserschutz an oberster Stelle der zu bearbeitenden Themen. "Im Umgang mit der Verbuschung müssen allerdings komplexe Untersuchungen angestellt werden, um sicher zu gehen, dass auch die richtige Maßnahme an der richtigen Stelle eingesetzt wird, um den gewünschten Effekt zu erzielen," so Wenzel. Der Rückschnitt an der Elbe ist dabei für den Umweltminister nur eine Maßnahme nach vielen anderen, die es zunächst zu untersuchen gilt.
Ein hydraulisches Modell soll Auskunft über Fließverhalten geben
Derzeit wird nach Wenzels Angaben ein hydraulisches Modell der Elbe in Niedersachsen erstellt, um fundierte Klarheit darüber zu bekommen, wie sich das Fließverhalten des Flusses tatsächlich darstellt. Unter anderem wird durch das Modell auch deutlich werden, wo und in welchem Ausmaße sich tatsächlich Aufstauungen im Flussbett entwickeln.
Viel mehr Sorge als die Gehölze in der Elbaue macht dabei den Fachleuten die Auflandung im Uferbereich, die an manchen Stellen bis zu 1,50 hoch wird. "Zum Teil sind es sogar Rückschnitte, die diese Auflandung verursachen," so Johannes Prüter, Leiter der Biosphärenreservatsverwaltung. Denn die Eigenart der Weiden bringt es mit sich, dass diese nach einem massiven Rückschnitt rings um den Baumfuß neu austreiben, so dass nach einigen Jahren sogar eine noch größere Verbuschung entsteht als zuvor. Auf der Windrückseite dieser Stumpen, die wie ein Kamm wirken, sammelt sich Material an, dass zusätzlich wie eine Staumauer wirkt.
Mit anderen Worten: Rückschnitt macht keinen Sinn, wenn nicht in der Folge regelmäßige Pflegemaßnahmen organisiert werden. (Anmerkung: wie übrigens bis Ende der 90er Jahre durch die Bundeswasserstraßen-Verwaltung regelmäßig geleistet. Erst seitdem diese Pflege nicht mehr durchgeführt wird, entstand das Problem des überbordenden Weidenbewuchses).
Außerdem: "Die Sedimentation ist ein zentraler Faktor beim Hochwasserschutz," so
Johannes Prüter. Bei einer Flussbefahrung nach der Juni-Flut hat er
festgestellt, dass es im Uferbereich erhebliche Auflandungen gibt, aber
auch deutliche Abrisse im Gelände bis hin zu regelrechten Ausspülungen.
Das Problem ist nicht neu. Im Hitzackeraner Bereich ist seit langem
bekannt, dass Wanderdünen am Grund der Elbe dazu führen, dass die
Fahrrinnen-Markierungen auf dem Fluss im Abstand von wenigen Monaten
regelmässig neu gesetzt werden müssen.
Wenzel: Vielfältige Maßnahmen für guten Abfluss planen
Für Wenzel steht deshalb beim Hochwasserschutz der Rückschnitt der Weiden nicht im Vordergrund. "Wir müssen für den Schutz gegen Hochwasser alle Aspekte im Auge behalten," so Wenzel. Die regelmäßige Beweidung der Auen, Rückdeichungsmaßnahmen sowie die Benennung von Überschwemmungsgebieten gehören für ihn ebenso dazu. "Dort wo er nicht wirkt, soll auch kein Rückschnitt durchgeführt werden," so Wenzel.
Bis die hydrologische Untersuchung abgeschlossen ist - geplant ist dies bis Februar 2014 - können Rückschnitt-Maßnahmen nach von den Landkreisen festgelegten Vorgaben durchgeführt werden. Karten mit den Bereichen, in denen Rückschnitt erforderlich sind, wurden von beiden Landkreisen längst erstellt und werden nach Auskunft von Biosphärenreservats-Leiter Johannes Prüter jährlich aktualisiert.
Im Landkreis Lüneburg wird der gesamte Rückschnitt von der Kreisverwaltung koordiniert. Während man dort kritisiert, dass für die 100 km lange Elbstrecke lediglich ein Einsatzteam unterwegs ist, gibt es in Lüchow-Dannenberg keine zentrale Koordination.
Zwar sind alle Eigentümer von elbnahen Grundstücken dort schon vor einiger Zeit angeschrieben und gebeten worden, Rückschnitte nach einem vorgegebenen Raster durchzuführen, doch geschehen ist im Landkreis bisher nicht viel. Einerseits stand das Wasser bis in den Mai hinein auf den Wiesen, andererseits sehen sich viele Eigentümer gar nicht in der Lage, die Bäume zu beseitigen. An anderen Stellen wiederum werden Weiden beseitigt, die womöglich gar nicht Hochwasser-relevant sind.
Hochwasserschutz europaweit planen
Jenseits aller konkreten Maßnahmen, die regional umgesetzt werden können, ist es für Wenzel jedoch zwingend notwendig, dass alle Anlieger an der Elbe, inklusive des Nachbarlandes Tschechien, sich an einer gemeinsamen Hochwasserschutz-Planung beteiligen.
"Die Umweltministerkonferenz am Montag hat dazu entscheidende Weichen gestellt," so Wenzel. So wurde "konzeptionell vorbereitet", so Wenzel, dass auch Maßnahmen der Oberlieger von den Ländern am unteren Flusslauf mit finanziert werden können, womöglich über die Gelder aus der "Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz (GAK)". Außerdem seien weitere verbindliche Absprachen in Vorbereitung, die gemeinsame Beschlüsse über die Öffnung und Schließung von weiteren Polderflächen vorsehen. Für den Havelpolder gibt es bereits seit 2008 einen Staatsvertrag, in dem festgelegt ist, dass die Anrainerländer Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam beschließen, zu welchem Zeitpunkt die Polder der Havel geöffnet und wieder geschlossen werden.
"Um einen effektiven Hochwasserschutz für alle Anrainer längs der Elbe zu organisieren, ist es notwendig, dass alle Bundesländer, die an der Elbe liegen, aber auch die tschechischen Nachbarn gemeinsam entscheiden, welche Maßnahmen wo umgesetzt werden müssen," so Wenzel. Nicht zuletzt werde Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels immer dringender, da die Wasserstände nachweislich mit jeder Flut steigen.