HEIMAT ZU VERKAUFEN - VON STERBENDEN DÖRFERN

Info clenze 21|05|2019

Einladung zu Vortrag mit anschl. öffentlicher Diskussion im Rahmen der 11. Kulturbrauerei Wendland.
Probleme und Lösungswege von Gemeinden entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze mit Michael Pöhnlein (parteilos), Bürgermeister von Nordhalben (Oberfranken)

Am Donnerstag, 6. JUNI UM 19:00 UHR BEI WENDLANDBRÄU IN KUSSEBODE

Wendland und Oberfranken sind struktur- und finanzschwache Regionen fern der Metropolen direkt an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze - mit ähnlichen daraus resultierenden Problemen: Bevölkerungsrückgang, Überalterung, Aufgabe von Infrastruktur, Leerstand etc. Ein Blick über den eigenen Tellerrand hinaus in Bezug auf die Probleme des ehemaligen Grenzlandes, aber auch der Chancen, z.B. als neuem Wohnort für stadtmüde Bürger aus den Ballungsräumen (nicht selten im ersten Schritt Besucher der KLP), kann für beide Regionen nur hilfreich sein.

In diesem Sinn freue ich mich auf einen spannenden Gedankenaustausch beim Bier! Sozusagen von Provinz zu Provinz - zwischen Wendland & Frankenland. Und bewusst während der Kulturellen Landpartie zu ihrem 30. Jubiläum: Nur gemeinsam - jenseits von Parteipolitik und künstlich aufgebauten Gegensätzen z.B. zwischen Einheimischen und Zugezogenen, zwischen Landpartie und Schützenfest - schaffen wir eine lebenswerte Zukunft in der Provinz.

Seitdem der oberfränkische Bürgermeister Michael Pöhnlein in der Dokumentation des Bayrischen Rundfunks "Heimat zu verkaufen" seinem Ministerpräsidenten Markus Söder in der fernen Metropole München sympathisch aber bestimmt die Leviten gelesen hat, gilt der Forstwirt als Politstar aus der Provinz. Auf Druck der ausgebluteten Kommunen an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze investiert Söders Landesregierung mit der "Nordbayern-Initiative" nun Millionen in die Region.

Mathias Edler (Brauer & Politikwissenschaftler)

Die Jungen ziehen weg, die Alten sterben weg

Was war passiert? Mit der Grenzöffnung 1989 fallen nicht nur die Einnahmen durch die West-Berliner Touristen weg, sondern auch die Zonenrandförderung, während ein paar Kilometer weiter für den Aufbau-Ost üppige Fördergelder fließen. Industrie- und Handwerksbetriebe gehen nach "drüben", Geschäfte geben auf. Mit Ihnen verschwinden viele Arbeitsplätze. Wie überall in der Provinz wird die Infrastruktur immer schlechter: Automaten ersetzen Post- und Bankfilialen, ein Hausarzt hört aus Altersgründen auf, für den Erhalt der Grundschule sind kaum mehr genug Kinder da. Jedes siebte Haus steht in Nordhalben inzwischen leer, marode Gebäude machen den Ort nicht gerade attraktiver.

Pöhnleins Gemeinde wehrt sich mit Eigeninitiative gegen das Dörfersterben an der ehemaligen Grenze: Als 2010 der EDEKA-Markt dichtmacht, zeichnen 468 Nordhalbener Haushalte Anteilsscheine eines neu zu gründenden Marktes, kaufen das Gebäude und machen ihren eigenen Supermarkt auf. Sieben Jahre später ist daraus der größte Dorfladen in ganz Bayern geworden, 13 Angestellte und 3 Auszubildende arbeiten heute dort - fast alle aus der Gemeinde. Der nächste Coup ist ein eigenes Nahwärmenetz mit Heizkraftwerk für 48 Gebäude mitten im Ort. Ein Künstlerhaus im leerstehenden Krämerladen nimmt sich dagegen schon fast unscheinbar aus: Kunstschaffende aus den Metropolen arbeiten hier weit ab vom Schuss - die Kulturelle Landpartie Wendland war mit Ideengeber für das Projekt.

Pöhnlein und seine Mitstreiter wollen, dass etwas passiert auf dem Land - aber zielgerichtet und nicht um jeden Preis. Sie kritisieren das kurzfristige Verbrennen von Fördergeldern in angeblich "innovativen Projekten": Seit Jahrzehnten schreiben die immer gleichen Agenturen aus der Stadt für viel Steuergeld Gutachten und Konzepte für den ländlichen Raum, die - an der Realität vorbeigeplant - nicht selten wirkungslos verpuffen.

Kussebode, 29459 Clenze, Deutschland

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