Thema: endlagersuche

Endlager-Gipfel in Berlin - worum geht es eigentlich?

Am Dienstag trifft sich die Bund-Länder-Kommission zur finalen Endlagersuchgesetz-Besprechung - doch mehrere Anti-Atomkraftinitiativen sind sich bereits seit vergangener Woche einig: so geht es nicht! verkündeten sie auf einer Pressekonferenz und kündigten ihre Mitarbeit auf, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Worum geht es eigentlich bei dem Streit?

Während Kritiker einer schnellen Endlagersuche davor warnten, ein Gesetz im Schnellverfahren durchzubringen, will Bundesumweltminister Peter Altmaier das Gesetz noch vor der Sommerpause vom Bundestag beschließen lassen. Kein Wunder: am 22. September ist Bundestagswahl und der Wahlkampf soll möglichst nicht vom Endlagerthema belastet werden.

Ein erster Entwurf, den Bundesumweltminister im Januar vorgelegt hatte, fand in der neuen rotgrünen Landesregierung in Niedersachsen keine Zustimmung. Ministerpräsident Stephan Weil und Umweltminister Stefan Wenzel präsentierten vor zwei Wochen ihren Kompromissvorschlag, der zunächst auf vorsichtige Zustimmung bei der Basis stieß. 

Darin schlugen sie die Einrichtung einer Enquete-Kommission aus 24 Mitgliedern vor, die, paritätisch besetzt, mit 2/3 Mehrheits-Beschlüssen u.a. Kriterien für den späteren Endlager-Standort für hoch radioaktiven Abfall entwickeln und festlegen. Vorgesehen sind 24 Vertreter aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden, Kirche und Gesellschaft. Über die tatsächliche Zusammensetzung dieses Gremiums müssen sich Bund und Länder abstimmen.  

Nach Ansicht von Umweltverbänden und -initiativen wie Greenpeace, der Bürgerinitiative Umweltschutz, der Bäuerlichen Notgemeinschaft sowie ausgestrahlt!. ist die Arbeit der Kommission von vornherein entwertet, da ihr im Gesetzesentwurf keinerlei Verbindlichkeit zugeschrieben werde. Nicht nur deswegen lehnten die Initiativen vergangene Woche eine Mitarbeit in der Kommission ab. Auch die nach ihrer Ansicht mangelnde Öffentlichkeitsbeteiligung oder die Enteignung erleichternde Planungsverfahren brachten sie zu ihrer ablehnenden Haltung.

War es die harsche Kritik der Basis oder hatten die niedersächsischen Verhandlungspartner eh eine Präzisierung der Verbindlichkeit ausgehandelt? Im Vorblatt zum neuesten Gesetzesentwurf aus dem Bundesumweltministerium (Stand 03.04.2013) wurden jeweils unter B. "Lösung" zwei zentrale Absätze eingefügt:

1. "Dem Auswahlverfahren vorgelagert wird eine Erörterung und Klärung von Grundsatzfragen für die Entsorgung Wärme entwickelnder Abfälle, insbesondere auch zu Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und Abwägungskriterien für die Standortauswahl sowie zu den Anforderungen an das Verfahren des Auswahlprozesses und die Prüfung von Alternativen, durch eine pluralistisch zusammengesetzte Bund-Länder-Enquete-Kommission. Auf der Grundlage der
Ergebnisse der Kommission wird das Gesetz evaluiert und gegebenenfalls geändert.
"

Und wenig später heißt es im Entwurf: " Der Deutsche Bundestag wird dieses Gesetz auf der Grundlage des Berichtes (der Enquete-Kommission) evaluieren. Die Ausschlusskriterien, die Mindestanforderungen, die Abwägungskriterien und die weiteren Entscheidungsgrundlagen werden von der Enquete-Kommission als Empfehlungen erarbeitet und vom Deutschen Bundestag als Gesetz beschlossen. "

Letztendlich werden wohl die Ergebnisse der Kommission darüber entscheiden, ob Gorleben im Rennen bleibt oder nicht: § 12 des Entwurfs legt fest, dass der Vorhabenträger die in Betracht kommenden Standortregionen nach dem  - auf der Grundlage der Empfehlungen der Kommission gefassten - Bundesgesetzes sowie allerdings auch "unter Berücksichtigung sonstiger öffentlicher Belange" ermitteln soll.  

Des weiteren macht der neue Entwurf deutlichere Aussagen zur Öffentlichkeitsbeteiligung und der Aufgabe, den gesamten Auswahlprozess transparent zu gestalten.

Auch neu: das Datum für die Beendigung des Auswahlprozessess wurde auf 2031 verschoben, im vergangenen Entwurf war es auf 2029 festgelegt worden.

EINE WEISSE LANDKARTE?

Das Standortauswahlverfahren soll ergebnisoffen geführt werden - der Salzstock Gorleben wird allerdings nicht im Vorfeld ausgeschlossen (ein weiterer scharfer Kritikpunkt von Gegnern des Gesetzes). Grüne und SPD sind allerdings der Ansicht, dass sich der Standort in dem jetzt vorgeschlagenen Verfahren im Laufe des Prozesses diskreditieren wird. Atomkraftgegner glauben daran nicht und fürchten, dass Gorleben weiter manifestiert wird.

Im Gesetzesentwurf werden Kosten für die Erkundung von insgesamt fünf Standorten kalkuliert. Allerdings sollen letztendlich nur zwei davon untertägig erkundet werden.

Auch die Forderung von Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel könnte ausschlaggebend für das Wohl oder Wehe des Standortes Gorleben sein. Er hatte bereits auf der Veranstaltung im Wendland gefordert, dass die Sicherheitskriterien je nach Wirtsgestein (Salz, Ton, Kristall ...) unterschiedlich festgelegt werden müssen.  Diese Forderung ist jetzt als beschriebene Aufgabe für die Enquete-Kommission in den Gesetzesentwurf übernommen worden.

Allerdings wird es nach der ebenfalls beabsichtigten Änderung des Atomgesetzes leichter sein, Grundstückseigentümer von benötigten Flächen zu enteignen. §  9d Atomgesetz soll wie folgt geändert werden: "Die Einfügung in Absatz 2 Satz 1 regelt klarstellend, dass eine Enteignung für Zwecke der vorbereitenden Standorterkundung auch für die Offenhaltung eines im
Standortauswahlverfahren befindlichen Standortes zulässig ist."

KEINE CASTOREN MEHR INS WENDLAND

Ein wichtiges Ergebnis der niedersächsischen Hartnäckigkeit ist auch, dass es keine Castortransporte nach Gorleben mehr geben soll. In den ersten Stunden nach Bekanntwerden dieses Kompromissvorschlags jubelten Gorlebengegner noch "Das ist ein Wunder!". Doch inzwischen haben sie ihre Ansicht geändert und reden von einer "Verneblungstaktik."

Hintergrund: Immer noch muss Deutschland aufgrund internationaler Verträge die Reste der zur Wiederaufbereitung ins Ausland gebrachten hochradioaktiven Elemente zurücknehmen. Ab 2015 müssen zum Beispiel die Abfälle aus Sellafield angenommen werden. Bisher war geplant, diese nach Gorleben zu bringen. Daraus wird wohl jetzt nichts mehr. 

Die hochradioaktiven Abfälle in ihren Castorbehältern sollen in den Zwischenlagern an verschiedenen Atomkraftwerken untergebracht werden - so wie es Atomkraftgegner seit Jahren fordern. Inzwischen gibt es bereits Signale aus verschiedenen Bundesländern wie z.B. Schleswig-Holstein, dass sie bereit sind, den Müll aufzunehmen.

RESÜMEE

Auch der neueste Gesetzesentwurf ist immer noch ein Entwurf - leicht erkenntlich an den vielen Änderungseinschüben und Erläuterungskommentaren, die in einem Gesetz nichts zu suchen haben. Angesichts der unzähligen Löschungs- und Änderungsnotizen, Querverweisen und gelöschten Paragraphen ist eine schnelle abschließende Bewertung des neuesten Vorschlags kaum möglich.

Was Öffentlichkeitsbeteiligung oder die Rolle der Enquete-Kommission angeht, so besteht allerdings vorsichtige Hoffnung, dass bei wirklich paritätischer Besetzung des Gremiums am Ende ein reelles Ergebnis herauskommt.

Hier!  geht es zum aktuellen Entwurf des Endlagersuchgesetzes - Stand 03.04.2013
Hier!  geht es zum Entwurf des Endlagersuchgesetzes - Stand 16.01.2013

2013-04-08 ; von Angelika Blank (autor), Dirk Drazewski (autor),
in Berlin, Deutschland

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