Als Maler ist Burkhard Driest bisher nur wenigen bekannt - dabei beschäftigt er sich schon seit früher Jugend mit der Malerei. Erstmalig ist nun im Westwendischen Kunstvereins eine umfassende Werkschau von Driest zu sehen - politisch und satirisch, wuchtig und farbmächtig erzählen die 48 großformatigen Bilder von Machtgelüsten, imposanten Männlichkeiten oder schuldbelasteter, qualvoller Resultate von Sex.
"Wenn Journalisten schreiben, ich sei der Maler der geöffneten Schenkel, so haben sie nicht verstanden, worum es mir geht," so Burkhard Driest in seiner kurzen, aber prägnanten Rede zur Vernissage am Samstag Nachmittag im Gartower Zehntspeicher. "Die Beweglichkeit der Körper, ihr Zusammenspiel ist immer wieder aufs Neue eine Herausforderung für die formale Gestaltung eines Bildes."
Wuchtige Körper, oft nackt, sind in vielen der 48 Gemälde zu sehen - dabei durchaus einige mit geöffneten Schenkel . Für manchen Feingeist mögen sie in ihrer drastischen Darstellung provozierend wirken. Doch immer wieder schimmert auch Ironie in den Werken durch - wenn sie bedauerlicherweise nicht ohne einen vergleichenden Blick in den umfangreichen Katalog wahrnehmbar ist, wie zum Beispiel bei dem Bild "Cogito ergo sum" (Ich denke, also bin ich).
Das lebensgroße Bild zeigt zwei Männer in schwarzen Anzügen, die an einer weißen Wand lehnen, rote Farbe tropft wie Blut aus den Händen und kriecht am Boden entlang. Wie Driest bei der Vernissage erzählte, stellt das Gemälde ihn und seinen Freund, den Regisseur Werner Herzog, dar, die in einer Schnapslaune im Klo wetteten, wer es wohl länger an der Toilettenwand lehnend in sitzender Haltung aushalten würde. Wer die Wette gewann, blieb im Dunkeln.
Selbstironisch fehlen den beiden Männern auf dem Gemälde die Köpfe, wegretuschiert - von Alkohol und Drogen "weggeschossen"? Es sind Geschichten, die Driest in seinen Bildern erzählt. Geschichten von Menschen, ihren Leidenschaften und Besessenheiten - durchaus mit Bezügen zu seinem eigenem, wilden Leben.
Als Bankräuber war Driest in den 60er Jahren zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt worden, ein Prozess in den USA wegen Vergewaltigung folgte. Frauengeschichten und Schlägereien brachten ihm zweifelhaften Ruhm. Seinen Gefängnisaufenthalt verarbeitete Driest in einem Roman (Die Verrohung des Franz Blum). Später arbeitete das Multitalent als Regisseur, Drehbuchautor, oder Schauspieler.
Als Maler ist Burkhard Driest bisher wenig bekannt, obwohl er sich mit der Malerei schon seit seinen frühen Jugend beschäftigt. Für Jahrzehnte blieben die großformatigen Bilder Öffentlichkeit verschlossen - erst im vergangenen Jahr waren die ersten Ausstellungen in Galerien zu sehen. Im Zehntspeicher Gartow präsentiert der Westwendische Kunstverein nun noch bis Ende Juli eine umfassende Werkschau des Malers Burkhard Driest - nach eigenem Bekunden die erste in diesem Umfang.
Malen - der Moment des inneren Freiseins
Malen - das ist für Driest nach eigenem Bekunden, der "Moment des inneren Freiseins, der Befreiung von Gefühlen, guten wie schlechten." Kunst sei die Bewegung zum Zustand der Katharsis, zum Einssein mit der Welt hin, wird Driest im Werkkatalog von Autor und Kurator Nikolaus Neumann zitiert.
Dabei ergeht sich Driest nicht in emotionalen Heilserkundungen, sondern setzt sich mit den sehr realen Gegebenheiten der Wirklichkeiten auseinander. So sind die Auseinandersetzungen um das Atomkraftwerk Wackersdorf ebenso Thema seiner Arbeiten wie Erfahrungen mit Drogen oder sein Gefängnisaufenthalt (Serie "Licht und Gitter").
Ekstatisch ineinander verschlungene Menschengruppen, brennende Himmel oder rote Fluten sind Motive aus Driest' Serie "Die Deutschen". Im Bild "Der Innenminister träumt" zum Beispiel wird ein in rote Tarnkleidung gehüllter Mann mit ebenso rotem wie durchflecktem Helm gezeigt, der mit Ultramarinblauer Brille von startenden titanweißen US-Raketen in einem dichten Gestänge in Tarnfarben träumt. Unter ihm ein ebenso blauer See mit kryptischen Zeichen durchsetzt - oben steht in roter Schrift "Böll in Mutlangen".
Auch Aids spielte im Leben von Driest immer wieder eine Rolle. "Alle meine intimen Freunde waren schwul. All meine intimen Freunde sind tot" - in diesen zwei Sätzen deutet sich die Seelenpein an, die Dreist antrieb, die Serie "Aids" zu schaffen - Bilder von Verzweiflung, Leere und den unmöglichen Versuchen, der Elendssituation zu entfliehen.
Bilder von animalischen Wahrheiten
Die Serie "König und Königin", aus der ebenfalls einige Werke in Gartow zu sehen sind, ist vielleicht die provozierendste Teil der Ausstellung. "Manchmal bin ich (in meinen Träumen) Räuber und heirate eine Prinzessin. Aber wehe, sie stürzt mich die steilen Treppen in die Hölle der irdischen Leidenschaften hinab!", so überschreibt Driest diese Serie im Katalog.
Kindliche Träume sind es, die ihn zu dieser Serie motivierten, Träume davon, dass die eigenen Eltern Könige sind und man in einem Schloss aufwächst - jedoch immer mit der Angst im Hinterkopf, dass der "bunte Hahn bald krähen" wird. Doch folgt man den Bildern von Driest, so ist das Leben im Schloss keine reine Idylle, sondern geprägt von der Angst vor dem Kommenden, Einsamkeit oder von wilden Ekzessen, in denen das königliche Bett zum Ort der Folter wird.
Soviele Geschichten Dreist auch zu erzählen weiß - immer ist es die gestalterische Form, die im Mittelpunkt seiner Auseinandersetzung steht. Dabei ist den Bildern anzusehen, dass er sich vor allem mit den Malern des späten Impressionismus bzw. des Expressionismus beschäftigt hat. Hier inspirierte ihn der Stil eines Ernst Ludwig Kirchners, dort findet sich die Bildsprache von Paul Gauguin. In anderen Bildern wiederum nutzt Driest die fast kindlichen Bildelemente der Art Brut mit ihren wilden, unbeholfen anmutenden Strichsetzungen, um der hinter dem sichtbaren Motiv liegenden Thematik einen Ausdruck zu geben.
Welche Selbstironie in den Bildern steckt, wieviel Bezüge zur eigenen Biografie zu finden sind, erschließt sich in ihrer Komplexitität dem Betrachter allerdings erst, wenn er den umfangreichen Katalog zu Hilfe nimmt, der viel Aufschlussreiches über Gedankenwelten des Burkhard Driest preisgibt.
Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Juli 2012 jeweils freitags von 15.00 bis 19.00 Uhr und samstags/sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr im Zehntspeicher Gartow zu sehen.
Mehr Informationen gibt es beim Westwendischen Kunstverein.
Der 199 Seiten starke, reich bebilderte und informative Katalog (Burkhard Driest, Malerei) erschien im renommierten Kunstverlag Belser und ist für 49,95 Euro im Buchhandel erhältlich.
Foto: Angelika Blank ... Burkhard Driest vor seinem Bild "Cogito ergo sum", in dem er eine Begegnung mit dem Regisseur Werner Herzog thematisiert.