Eine funktionierende Kreislaufwirtschaft reicht Dr. Michael Braungart nicht aus. Seine Vision ist, dass für alle Produkte Materialien eingesetzt werden, die nicht recycelt werden müssen, sondern kompostierbar sind - und der Umwelt sogar Nährstoffe zurückgeben. Am Donnerstag wurde das "Cradle to Cradle"-Lab in Dannenberg mit einem Vortrag des Professors für Öko-Design eröffnet.
Gemeinsam mit dem Landkreis Lüneburg will Lüchow-Dannenberg "Cradle to Cradle Modellregion Nordost- Niedersachsen" werden. Ende 2021 ist dieses Projekt gestartet. Am Dienstag stellte sich nun der Verein Connect Circular vor, der in Dannenberg ein "C2C-Lab" einrichten will (und soll).
Gemeinsam mit regionalen und kommunalen Akteuren aus beiden Landkreisen soll ein
Masterplan für eine Cradle to Cradle (C2C) Modellregion entstehen, der
auf das Jahr 2035 gerichtet ist. Er soll eine strategische Steuerung der Regionalentwicklung ermöglichen. Das Leuchtturmprojekt, ein Lab für
Nachhaltigkeitsinnovationen, soll Ansätze für eine C2C-Wirtschaft und
die Entstehung innovativer Projekte in strukturschwachen Räumen voranbringen. Nicht nur Landrätin Dagmar Schulz zeigte sich stolz darüber, dass dieses zentrale Modul des Gesamtvorhabens in Dannenberg angesiedelt wird.
Mitte 2023 hatte der Verein Connect Circular unter Führung von Remo Röntgen (ehemals Nya Nordiska) und Gunnar Harms (Unternehmensberater) vom Träger der Modellregion den Auftrag erhalten, das Projekt konkret umzusetzen.
Cradle to Cradle - mehr als Kreislaufwirtschaft
Was heißt eigentlich Cradle to Cradle? Da haben die Partner im Geschehen unterschiedliche Vorstellungen. Für die finanzierenden Bundesministerien geht es um die Kreislaufwirtschaft der Zukunft. Für Prof. Dr. Michael Braungart, Spiritus rector der Cradle to Cradle-Idee, geht es um weitaus mehr. "Kreislaufwirtschaft ist nur das Minimum. Dieses Konzept ist das weniger schlechte, aber kein gutes", so Braungart in seinem einstündigen Vortrag während der C2C-Lab Vorstellung. "Es geht nicht darum, zu recyceln, sondern grundsätzlich Baustoffe und Materialien zu verwenden, die direkt kompostierbar sind und nach ihrer Nutzungszeit der Umwelt Nährstoffe zurückgeben".
Das ist keine Utopie. An zahlreichen Universitäten und Institutionen werden Materialien aus Pilzen, Algen und Sonnenlicht entwickelt, die z.B. Kunststoffe oder Beton ersetzen sollen. Pilze können beispielsweise verwendet werden, um biologisch abbaubare Verpackungen und Baumaterialien herzustellen. Sie haben das Potenzial, herkömmliche Kunststoffe zu ersetzen, da sind sich Wissenschaftlicher inzwischen sicher.
Algen werden ebenfalls als nachhaltige Baustoffe erforscht, da sie
schnell wachsen und daraus eine Vielzahl von Materialien wie Biokunststoffe,
Dämmstoffe und sogar Betonersatz hergestellt werden kann. Teilweise sind die Produktentwicklungen so weit gediehen, dass sie auf dem Markt bereits gehandelt werden wie z. B. Akustikplatten.
Um die Notwendigkeit eines veränderten Denken und Handelns auch in der Produktentwicklung darzustellen, lieferte Braungart einen komplexen Fakten-Ritt durch sämtliche Lebensbereiche. Die Textilindustrie spielt bei der Entstehung von Mikroplastik eine bedeutende Rolle. Nach Braungarts Recherchen stammen 1/3 des Mikroplastik in der deutschen Nordsee aus Textilabrieb. Beispiel: Schuhe. Allein durch den Abrieb eines Sportschuhs sollen laut Braungart 110 mg Mikroplastik in die Umwelt abgegeben werden.
Das Ziel, Klimaneutralität zu erreichen, hält Braungart für unrealistisch. Das gelänge erst dann, wenn die Nährstoffe, die der Mensch verbraucht, in die Umwelt zurückgegeben werden. Sein Ziel: Im Jahr 2100 eine CO2-Belastung erreichen wie im Jahre 1900. Er weiß aber auch, dass dieses Ziel nicht mit Verboten und Geboten zu erreichen ist, sondern mit Inspiration.
Die Region als Modellregion für Nachhaltigkeit
Inspiration durch konkrete Projekte, das ist die Aufgabe von Connect Circular, also Remo Röntgen und Gunnar Harms. Sie bauen in Dannenberg das C2C-Lab auf, welches der Motor der nachhaltigen Regionalentwicklung werden soll.
Als erste Initiativen konnten Harms und Röntgen am Dienstag bereits mehrere innovative Unternehmen gewinnen, die in der Region aktiv werden wollen.
Zum einen ist da "oceanSafe", ein Unternehmen, welches Textilien
produziert, die völlig frei von
Schadstoffen und zu 100% biologisch abbaubar sind. Nach Gebrauch kann
das Produkt (Bettwäsche, Handtücher etc.) an OceanSafe zurückgegeben
werden. Es wird dann nach Aussagen des Unternehmens über
eine Kompostierungsanlage in den biologischen Kreislauf zurückgeführt. Daraus werden Nährstoffe für neue Textilien gewonnen. Die Testhandtücher,
die zur Vorstellung auf dem Tisch lagen, machten nicht nur optisch einen
guten Eindruck - sie fühlten sich auch sehr angenehm an. Komfort und
Ökologie gehen hier Hand in Hand. Mehrere große Händler - darunter OTTO - bieten inzwischen oceanSafe-Produkte an - Handtücher, Bettwäsche und Spieltiere aus FlipFlops.
Jenseits des C2C-Prozesses geht Continental in Dannenberg schon seit einiger Zeit mit gutem Beispiel voran. Das Unternehmen hat gemeinsam mit universitären Partnern einen Fahrradreifen entwickelt dessen "Kautschuk" aus Löwenzahn gewonnen wurde.
Die Beratung, Unterstützung und Einbindung regionaler Unternehmen ist die zweite große Aufgabe des C2C-Labs. Der Aufbau eines Netzwerks in dem Informationen und Know How ausgetauscht werden können, ist ein weiteres Vorhaben.
Foto | Angelika Blank: Neben den beiden Machern des C2C-Labs Gunnar Harms (rechts stehend) und Remo Röntgen (3. von links) sowie Referent Dr. Michael Braungart (4. von links hintere Reihe) waren auch zahlreiche Projektteilnehmer gekommen - von der Suederelbe AG, der Leuphana-Universität, der TU Hamburg-Harburg sowie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg. Mit dabei waren auch einige GründerInnen und Vorstandsmitglieder des Vereins Connect Circular.