Thema: kunst

"Broken Brushes" - die Kunst-Rebellen der 20er Jahre

Bis vor kurzem wanderte die Ausstellung „Broken Brushes“ durch Museen und Galerien. Nun haben rund 80 Druckgraphiken von berühmten deutschen Expressionistesn wie Kandinsky, Marc oder Liebermann für zehn Jahre ihre Heimat im Kunsthaus Salzwedel gefunden.

Als Gus Kopriva, texanischer Sammler, rund 80 seiner 300 Werke umfassenden Sammlung von Druckgraphiken des deutschen Expressionismus am Freitag erstmalig im Kunsthaus Salzwedel hängen sah, leuchteten seine Augen auf. „Die Präsentation ist äußerst gelungen,“ so seine erste begeisterte Reaktion.

In fünf Räumen sind seit Samstag im Kunsthaus Salzwedel Werke so berühmter deutscher Expressionisten wie Max Liebermann, Wassily Kandinsky, Käthe Kollwitz oder George Grosz zu erleben. Das Konzept, die Vielzahl der Künstlerinnen durch thematische Klammern zu präsentieren, überzeugt ebenso wie die sparsame Gestaltung der Räume. Das Wagnis, einen Teil der Wände mit einem erdigen Orange zu versehen, dass stark an die Farben der mexikanischen Malerin Frida Kahlo erinnert, gibt den überwiegend in schwarz-weiß gehaltenen Drucken Bodenhaftung. Gleichzeitig lassen Räume, Licht und Hängung den kleinformatigen Werken genug Luft, um sie einzeln auf sich wirken zu lassen.

Dabei gibt die Zuordnung zu bestimmten Themen, den Besuchern die Möglichkeit, Einblicke in die philosophischen Grundlagen der Künstler und die gesellschaftliche Situation zu gewinnen. Einen Katalog für die Ausstellung gibt es zwar (vorerst) nicht, allerdings ist eine Broschüre in Arbeit, die Hintergrundinformationen liefern wird. Eine Medienstation gibt interaktiv Auskünfte und natürlich werden bei Führungen viele Fragen beantwortet. 

Mit Führungen, Themenabenden, Workshops und anderen Veranstaltungen arbeitet das Kunsthaus daran "den Besuchern einen vielschichtigen Eindruck von der expressionistischen Kunst und ihrer  Zeit zu bieten. "

Verantwortlich für die sensible Ausstellungskonzeption ist die vom Kunsthaus engagierte Kuratorin Elisabeth von Hagenow aus München. Die promovierte Kunsthistorikerin gilt als "Spezialistin, wenn es darum geht, visuelle Inszenierungen politischer Ereignisse und ihrer Protagonisten zu untersuchen." (Deutsche Welle)  

Gus Kopriva - von Kunst besessen

Gus Kopriva, der zur Vernissage eigens angereist war, kennt jedes Bild ganz genau. Faszinierend zu erleben, wie er beim Durchgang zu jedem Bild eine Geschichte zu erzählen hatte. Seine Bilder wählt er bedachtsam aus, beschäftigt sich mit ihrer Entstehung und der Geschichte drum herum. Auch die zeitgeschichtlichen Umstände zur Entstehung sind ihm dabei wichtig. Denn Kopriva sammelt nicht nach Wert und Vollständigkeit, sondern nach Faszination und Bedeutung. "Wenn mir ein Bild nicht gefällt, dann kaufe ich es auch nicht," ist ein Credo, dass er schon seit Jahrzehnten bei der Auswahl der Bilder für seine Sammlung hegt. Berühmtheit oder Wert spielen da nur eine Nebenrolle.

Begonnen hat der deutschstämmige Texaner seine Sammlung, als er einen Professor seiner  künstlerisch tätigen Frau Sharon kennenlernte, der einige Kataloge deutscher Expressionisten mitgebracht hatte. "Damals begann eine Leidenschaft, die bis heute anhält," erzählte Kopriva in Salzwedel. "Manche rauchen oder trinken Alkohol - ich sammle Kunst," so Kopriva augenzwinkernd über seine Motivation zu sammeln. Jahrzehnte war Kopriva für die international tätige Dow Chemical tätig. "Ich liebe meinen Beruf," so Kopriva in einem Interview für chron.com. "Gab er mir doch die Möglichkeit, meine Sucht nach Kunst zu finanzieren."

Bei den deutschen Expressionisten fasziniert ihn vor allem, dass sie mit ihrer Art zu malen, mit ihrer Art, sich mit Menschen und Gesellschaft auseinanderzusetzen, bis heute eine "enorme Relevanz" haben. Deshalb war es für den Sammler auch ein Anliegen, einen Ort zu finden, an dem die Werke in Deutschland gezeigt werden können. 

Ein ehemaliges Lyzeum als Hort der Kunst

In Leipzig lernte er vor einiger Zeit den Salzwedeler Künstler Hans Molzberger kennen, der in auf die Idee brachte, sich in Salzwedel nach geeigneten Räumen umzusehen. Bereits 2002 kam Kopriva bei einem Besuch der Mönchskirche auf die Idee, dass Salzwedel ein geeigneter Ort für seine Sammlung sein könnte. Das Projekt "Kunsthaus" im ehemaligen Lyzeum war damals zwar schon in den Köpfen vorhanden, bekam aber durch die Aussicht, diese außerordentliche Sammlung dauerhaft zu beherbergen, neuen Schwung. 

"In Salzwedel haben wir nicht nur großartige Räume gefunden, sondern auch einen Ort, der durch seine Geschichte wie prädistiniert erscheint, die Werke der vielfach Geflüchteten auszustellen," so Gus Kopriva über seine Entscheidung für Salzwedel. Nach über 100 Jahren scheint sich so ein Kreis zu schließen: von Salzwedel aus starteten viele Auswanderer zu den Nordseehäfen, um dann hauptsächlich von Bremerhaven aus ihre lange Reise nach Amerika anzutreten. Auch die Flüchtlinge in der nationalsozialistischen Zeit nutzten diese Zugverbindung zum sicheren Ziel Amerika.

Nun sind viele der schon vor dem 2. Weltkrieg nach Amerika verkauften Werke in dem Ort zu sehen, der für frühere Generationen der Startpunkt in die neue Welt war. Eine "neue Welt" zu kreieren, die eine Überwindung der bürgerlichen Normen der wilhelminischen Zeit zum Ziel hatte, war u. a. ein Anliegen, das alle ausgestellten KünstlerInnen einte. 

Auseinandersetzung mit Mensch und Gesellschaft

Doch die Grauen des Ersten Weltkrieges desillusionierten die Künstler (von denen viele zunächst begeistert am Krieg teilgenommen hatten). So entwickelte sich ein Bild vom Menschen und der Gesellschaft, welches sich stark am subjektiven Erleben orientierte. Gleichzeitig setzten sich die KünstlerInnen es Expressionismus, aber auch des Sezessionismus und der Neuen Sachlichkeit (die auch mit einigen Werken in der Ausstellung vertreten sind) kritisch mit den damaligen gesellschaftlichen Verhältnissen auseinander. Nicht nur in der Themengruppe "Großstadt" ist dies eindrucksvoll nachzuvollziehen.

Einige Zeichnungen von Heinrich Zille, aber u. a. auch des Satirikers George Grosz zeigen tiefe Einblicke in eine Gesellschaft, die von Ungerechtigkeit und jämmerlichen Lebensverhältnissen geprägt war - ebenso eindrucksvoll zu nachzuvollziehen in den "Hungernden Kindern" von Käthe Kollwitz.

Natur, ein weiterer Themenbereich, ist bei den Expressionisten keine Idylle, sondern wird in ihrer Wildheit und Bedrohlichkeit dargestellt. Und auch mit der Art, mit dem Aktzeichnen umzugehen, fand nicht die Zustimmung der Nationalsozialisten. Kein Wunder, denn die expressionistischen KünstlerInnen nutzten den Akt, um "die Grundlage aller bildenden Kunst in freier Natürlichkeit zu studieren", wie es Ernst Ludwig Kirchner einmal ausdrückte.

Es ist leicht nachzuvollziehen, warum Gus Kopriva die Werke der unter den Nationalsozialisten verfemten KünstlerInnen für bis heute bedeutsam hält. "Im Grunde hat sich an den gesellschaftlichen Verhältnisse nichts geändert," so seine Einschätzung. "Und auch die künstlerischen Themen sind bis heute aktuell."

Für 10 Jahre hat Kopriva die Sammlung dem Kunsthaus Salzwedel überlassen - womit die Hansestadt für die nächsten Jahre eine Kunst-Attraktion in die Stadt bekommen hat, die für überregionale Aufmerksamkeit sorgen wird.

Öffnungszeiten: täglich von 14.00 bis 18.00 Uhr außer montags.

Foto / Angelika Blank: Erleichterung und Begeisterung herrschten kurz vor der Vernissage bei den Hauptverantwortlichen für die Ausstellung "Broken Brushes" (von links): Hans Molzberger, Gus Kopriva, Dietrich von Gruben (Stiftungs-Gründer und -Vorsitzender)



2016-01-17 ; von Angelika Blank (autor),
in Neuperverstraße 18, 29410 Salzwedel, Deutschland

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