Ein Dorn im Auge ist der Stadt Dannenberg das Polizei-Containerdorf unweit der Castor-Verladestation bei Breese in der Marsch. Die Stadt hatte schon mehrfach – erfolglos - juristische Schritte gegen die „Siedlung“ unternommen, die bei Atommüll-Transporten rund 1000 Einsatzkräften Unterkunft bietet.
Unterlegen war die Stadt auch, als sie es ablehnte, dass eine Mehrzweckhalle auf dem Gelände am Breeser Weg zur für polizeiliche Zwecke umfunktioniert wird. Vor wenigen Wochen hat das Verwaltungsgericht in Lüneburg in der Sache erneut gegen die Stadt entschieden. Ob und wie dagegen Rechtsmittel eingelegt werden, wird nun im Rat der Stadt erörtert.
Das Kommunalparlament befasst sich am Montag, dem 14. Dezember, mit der Angelegenheit im Rahmen einer öffentlichen Sitzung. Sie beginnt um 18.30 Uhr in Tramm im Restaurant „Zur Landdrostei“. Formell geht es dabei „nur“ um die Klage gegen die Umnutzung der Mehrzweckhalle. „Aber im Hinterkopf haben wir natürlich den ganzen Komplex“, hieß es aus dem Rathaus der Jeetzelstadt. Ob der Rat weiteren rechtlichen Schritten zustimmt, sei offen, war aus den Reihen des Kommunalparlaments zu hören, die Entscheidung hänge nicht zuletzt davon ab, ob alle Ratsmitglieder am Montag anwesend sind.
Stadt sähe lieber Unternehmen im Gewerbegebiet
Wohl jedes Plattenbau-Viertel wirkt einladender und lebendiger, als das an Tristesse kaum zu überbietende Polizeidorf am Breeser Weg. Neben grün-beige gestrichenen Gebäudeteilen dominieren graue Container-Klötze außerhalb der Castor-Tage das Bild: Quartiere für die Polizistinnen und Polizisten, die während der Atommülltransporte nach Dannenberg befohlen werden. Ein Gitterzaun, dahinter Bewegungsmelder und Wachhunde, riegelt das Gelände ab. Viel lieber als diese unwirtliche „Festung“ sähe die Stadt Dannenberg dort einen florierenden Betrieb der freien Wirtschaft, denn als Gewerbegebiet ist das Areal gedacht – und auch formalrechtlich ausgewiesen. Und so hatte die Stadt schon vor rund sieben Jahren gehofft, mit Blick auf dieses Nutzungsziel die ungeliebten Container loszuwerden.
Rückblende: Schon die Tatsache, dass in der Nähe des Gewerbegebietes Breeser Weg die Castor-Behälter transportiert und umgeladen werden, missfällt manchen Firmen, die sich für eine Ansiedlung am Breeser Weg interessieren. Das ganze Drumherum mit Absperrungen und Umleitungen könnte den betrieblichen Verkehr behindern, befürchteten potentielle Investoren: Diese Sorgen trug Dannenbergs Samtgemeinde-Bürgermeister Jürgen Meyer im Sommer 2002 der damaligen niedersächsischen Wirtschaftsministerin Susanne Knorre vor, die zu einem Informationsbesuch ins Kreisgebiet gekommen war.
Und nun stand auch noch die zeitweise Einrichtung eines ein Polizei-Dorfs am Breeser Weg vor der Tür – mit je nach Bedarf auf- und abbaubaren Containern! „Bitte nicht am Breeser Weg“, hieß es seitens der Stadt, welche die Attraktivität jenes Gebietes für ansiedlungsfreudige Unternehmen schwinden sah. Die Stadtverwaltung beantragte „vorläufigen Rechtsschutz“ gegen das Dorf und pochte dabei auf den Status des Terrains als Gewerbegebiet; eine Nutzung als Polizeiunterkunft, so die Argumentation damals sinngemäß, verstoße gegen das Baurecht.
Doch die Einwendungen der Stadt waren erfolglos. Das Verwaltungsgericht in Lüneburg entschied im Oktober 2002: Es sei verständlich, dass die Polizei möglichst nah an ihrer Einsatzstelle untergebracht werden solle. Aufgrund dieser Entscheidung konnte das Land Niedersachsen nun auf dem Areal, das es seither von Privateigentümern gepachtet hat, die Container aufstellen lassen. Der Rat der Stadt nahm sich der Sache an, ließ noch im selben Monat Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) einreichen – und die Stadt musste eine weitere Niederlage einstecken: Im Sommer 2003 wies das OVG die Beschwerde ab, vertrat ebenfalls die Ansicht, im Interesse der polizeilichen Aufgaben sei die Präsenz der Beamten am Breeser Weg hinzunehmen.
Die nächste Hiobsbotschaft erreichte die Stadt im Januar 2004: Das Land Niedersachsen kündigte an, künftig sollten keine mobilen Behausungen immer zur Castor-Zeit auf- und abgebaut werden, sondern: Die Container wolle man auf Dauer installieren – an eine Nutzung bis 2010 war gedacht, und die Aussagen des Oberverwaltungsgerichts ließen eine solche Zeit zu, hieß es seinerzeit aus der Verwaltung. Im Herbst 2004 entstand sodann das „Container-Dorf“, so wie es sich nun darstellt.
Regierungsvertretung erlaubt Polizeihalle
Neben den Containern stand auch eine – unter anderem als Kantine für die Castor-Polizei genutzte - Mehrzweckhalle auf dem Gelände, und zu jener Halle mussten am frühen Morgen des 13. Oktober 2007 über 150 Feuerwehrleute ausrücken: Das Gebäude stand in Flammen, wurde durch den Brand völlig zerstört. Ursache des Feuers war, das ergaben die Ermittlungen, ein technischer Defekt. Im Herbst 2008 war eine neue Halle fertiggestellt – und diese möchte die Polizei, wie das gesamte Containerdorf, für ihre Zwecke bis 2018 nutzen können. Offiziell darf sie das aber nur, wenn amtlich die Umnutzung der – ja in einem Gewerbegebiet stehenden – Mehrzweckhalle zur „Polizeihalle“ erlaubt wird. Die Erlaubnis kam; erteilt wurde sie von der Regierungsvertretung des Landes in Lüneburg. Dagegen wiederum erhob die Stadt Dannenberg Klage.
Kurt Herzog: Rechte der Stadt ausgehebelt
Doch die Stadt – und damit sind wir wieder im Jahr 2009 – erlitt eine weitere Niederlage: Das Verwaltungsgericht Lüneburg unterstützte mit seiner jüngsten Entscheidung im November in dieser Sache die Interessen der Polizei, was die Nähe der Unterkunft zum Einsatzbereich während der Castor-Transporte betrifft. Die Kunde aus Lüneburg ist Dannenbergs Stadtdirektor Jürgen Meyer, wie zu hören war, ebenso sauer aufgestoßen wie beispielsweise auch dem in dieser Sache engagierten Dannenberger GLW-Ratsherr Kurt Herzog, Landtagsabgeordneter der Linken im Niedersächsischen Parlament. Seiner Ansicht nach folgt das Gericht voll und ganz der Argumentation der zuständigen Landesbehörde. „Aus meiner Sicht werden damit die hoheitlichen Rechte der Stadt verletzt und ausgehebelt.“, kritisiert der Abgeordnete. Obwohl das Land inzwischen mit dem Besitzer der – schon bei bisherigen Castor-Transporten als Polizeiquartier genutzten - ehemaligen Kaserne Neu Tramm einen neuen Vertrag geschlossen habe, der sogar eine ganzjährige Nutzung dieser Liegenschaft durch die Polizei zulasse, folge das Gericht unverständlicherweise auch in diesem Punkt der Landesregierung.
Die hatte ausgeführt – so erinnert Kurt Herzog - dass aus strategischen Gründen die Nähe zur Umladestation in Breese nötig sei. Der Abgeordnete: „Das ist nicht hinreichend, schon gar nicht für eine Quasi-Enteignung, noch dazu ohne einen einzigen Euro Entschädigung. Aber besonders empörend ist die die Verlängerung der Nutzungsdauer bis 2018, nachdem das Gericht schon 2002 die Befristung bis 2010 als angemessen vorgeben hatte.“ Zwar hätten die Verwaltungsrichter jetzt eingeräumt, dass der „Eingriff“ bis 2018 ungleich höher sei als bis 2010 und dass sich inzwischen etliche Betriebe im Gewerbegebiet angesiedelt hätten, um dann trotzdem lapidar die Interessen von Polizei und Ministerium als „überwiegend“ zu definieren. Der Standort im Gewerbegebiet sei eben schön nah dran an der Umladestation und deshalb „wirtschaftlicher“, konstatiert Herzog. Es bestünde laut Ablehnungsbegründung der Klage „aus logistischen und einsatztechnischen Gründen für die Polizei wegen der Nähe zu den Einsatzorten ein besonderes Interesse an diesem Standort.“
Stadt soll in Revision gehen
Herzog fordert nun, dass die Stadt die Möglichkeit nutzen müsse, in die Revision zu gehen. Das Rechtsanwaltsbüro, das Dannenberg vertritt, habe dazu Möglichkeiten aufgezeigt. „Einer der möglichen Zulassungsgründe für eine Berufung ist, dass hier ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Diese Chance müssen wir unbedingt nutzen“, meint Herzog und konstatiert: „Die vom Verwaltungsgericht gestützte staatliche Willkür ist unerträglich und nicht hinnehmbar.“