Kommentar
Bei der Erzeugung und Entsorgung von Abfällen soll die Maßnahmen bevorzugt werden, die den "Schutz von Mensch und Umwelt unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips" am besten gewährleisten. So sagt es das Kreislaufwirtschaftsgesetz des Bundes. Deswegen sollen auch Privatleute verpflichtet werden, ihren Biomüll den öffentlichen Stellen zu überlassen.
Das betrifft auch Landkreise wie Lüchow-Dannenberg, wo fast jeder seinen Biomüll selbst zu Kompost macht. Sinn würde die Biotonne hier nur in Lüchow oder Dannenberg machen. Doch auch wenn die meisten Lüchow-Dannenberger die Biotonne gar nicht nutzen werden - zahlen müssen für die Biotonne alle. Und nicht zu knapp: 30 - 40%ige Gebührenerhöhungen kalkuliert der Landkreis zum Ausgleich der erhöhten Kosten, die die Einführung der Biotonne mit sich bringt.
Die Entsorgungsunternehmen reiben sich derweil die Hände. Sollte die Biotonne tatsächlich flächendeckend eingeführt werden, so wird ihnen ihre Handelsware nicht nur kostenlos in die Hand gegeben - sie kassieren für die Abfuhr auch noch ab. Nach den Berechnungen des Landkreises würde der Entsorger 50 Euro pro Tonne Biomüll erhalten + einmalig 25 000 Euro für sogenannte "Vorhaltungskosten".
Dass Bioabfall gewinnbringend verwertbar ist, haben viele Entsorgungsträger schon länger erkannt und sich darauf eingerichtet. Zum Beispiel betreibt die AWA in Würselen bei Aachen eine eigene Biovergärungsanlage. Auch die ALBA Group, die einen Teil des Abfalls im Landkreis entsorgt, bietet auf ihrer Homepage die Entsorgung von Biomüll an. Kein Wunder, denn selbst bei einem Niedrigpreis von 5,00 Euro/25 kg "Qualitätskompost" dürfte der Entsorger noch genügend Gewinn machen.
Mit anderen Worten: die Bürger bezahlen mit ihren Abfallgebühren dafür, dass Entsorger ihre Handelsware erhalten können.
Die Probleme mit der Verwertung des Bioabfalls haben dann allerdings auch die Entsorger zu lösen. Beispiel Würselen: dort klagt die Entsorgerfirma AWA darüber, dass viele Bürger nicht verwertbaren Restmüll in der Biotonne entsorgen, der in der Biovergärungsanlage nicht verarbeitt werden. Deshalb nimmt dort die Qualität des Komposts immer mehr ab - es wird immer schwieriger den Kompost als "Qualitätskompost" zu vermarkten. Folge: für den Entsorger wird das Geschäft unlukrativ, der ach so kostbare Biomüll landet letzten Endes doch wieder in der Müllverbrennungsanlage.
Ein anderes Problem bleibt aber wiederum bei den Bürgern hängen. Sie sind für die Entleerbarkeit der Biotonne zuständig. D.h., im Winter gilt es, die Biotonne entweder an einem frostsicheren Standort aufzustellen oder sie gut auszulegen, damit der Biomüll nicht an der Tonnenwand festklebt. Oder mit Stock und Stiel den Abfall wieder freistochern. Gelingt dies nicht, bleibt die volle Tonne schlichtweg stehen.
Also: der Bürger darf nicht nur für die "Überlassung" des Biomülls an einen öffentlichen Träger zahlen, sondern muss auch noch selbst dafür sorgen, dass er abgeholt werden kann. Aber die zusätzliche Tonne ist ja in den um 30 - 40 % erhöhten Gebühren enthalten.
Zum Trost für den genervten Bürger sei gesagt, dass bis jetzt nirgendwo Beispiele dafür zu finden sind, wie der Bund gedenkt, mit renitenten Kommunen umzugehen. Aus dem Brandenburgischen wird gemunkelt, dass dort von Berlin aus ein Zwangssystem eingeführt wurde, für das der Landkreis bezahlen soll. Ob dies allerdings schon in der Umsetzung ist oder nur angedroht wird, bleibt zur Zeit im Dunkeln. (PS: das Land Brandenburg hatte sich entschieden, nur in Ballungsräumen ab 20 000 Einwohner die Biotonne verpflichtend einzuführen, ansonsten setzt das Land auf Freiwilligkeit).
So besteht Grund zur Hoffnung, dass das "Kreislaufwirtschaftsgesetz" sich als Rohrkrepierer erweist und der Landkreis weiterhin von der Einführung der Biotonne verschont bleibt. Und falls nicht: das Kreislaufwirtschaftsgesetz ist so schwammig (und an manchen Stellen falsch) ausformuliert, dass es diverse Klagemöglichkeiten bietet.