Nicht nur die großen Ströme wie Elbe oder Rhein passieren auf ihrem weiten Weg viel Sehenswertes und Geschichtsträchtiges: Auch ein kleiner Fluss sieht zwischen Quelle und Mündung allerlei Interessantes. Gut nachzuempfinden ist dies in dem vor wenigen Tagen erschienenen Buch „Die Jeetzel erzählt“, verfasst von Helmut Dau aus Hitzacker, illustriert mit Zeichnungen von Julia Sindermann aus Tießau.
Heimatkunde in kindgerechter Form
„Meine Quelle liegt weit hinten in der Altmark bei dem kleinen Dorf Altferchau“, berichtet die Jeetzel, die dort noch ein Bach ist, „Jeetze“ heißt und erst hinter der einstigen Grenze, beim Erreichen des Landkreises Lüchow-Dannenberg, das „L“ angehängt bekommt.
Ihre Erlebnisse mit Kuh, Kuckuck und Frosch schildert die Jeetze, an ihre längst vergangene Aufgabe des Mühlrad-Drehens erinnert sie, und vom Lehrer Schulze erbittet sie beim Erreichen von Salzwedel Auskunft darüber, was denn eine Hansestadt ist. Ganz bewusst hat Helmut Dau den Bericht vom Jeetzel-Weg dem Fluss selbst in den Mund gelegt – märchenhaft eben, denn: Die 48-seitige Erzählung wendet sich in erster Linie an Kinder.
Ihnen will der Autor ein Stück Heimatkunde an die Hand geben – nicht im manchmal „trockenen“ Schulbuchstil, sondern leicht und wahrhaft „flüssig“ lesbar. Kindgerecht vermittelt „die Jeetzel“ ihren Zuhörern mancherlei Wissenswertes: über die innerdeutsche Grenze beispielsweise, über die Kirchen in Wustrow und Lüchow, den Fluss als Löschwasserspender oder den alljährlichen Besuch der Störche im Wendland. „Jetzt geht es im großen Strom elbabwärts auf Hamburg zu und weiter in die Nordsee“ verabschiedet sich die Jeetzel schließlich von ihren jungen Leserinnen und Lesern nach dem 73 Kilometer langen Weg.
Jurist schrieb auch Märchen für die Enkel
Für Helmut Dau ist „Die Jeetzel erzählt“ kein „Erstlingswerk“: Der 83-jährige Hitzackeraner war schon Anfang der 60er Jahre als Autor tätig: Seine vielbändige „Bibliographie juristischer Festschriften“, mit der er damals begann, ist in der Fachwelt wohl bekannt. Zu seinen beruflichen Stationen zählten der juristische Verlagsbuchhandel, die Bibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das Bundesverwaltungsgericht in Berlin, wo Dau als Leiter des wissenschaftlichen Dienstes wirkte. Im Ruhestand widmete sich der Jurist erstmal den Märchen: Mehrere verfasste er für seine Enkelkinder – die Geschichten fanden Aufnahme in eine Anthologie des R. G. Fischer-Verlags, der nun auch „Die Jeetzel erzählt“ herausgebracht hat.
Idee kam beim Vorlesen
Auf die Idee, einen Fluss berichten zu lassen , kam Helmut Dau, als er ein Buch aus vergangener Zeit zur Hand nahm: „Die Duhn erzählt“ heißt es – auch die Duhn ist ein kleiner Fluss -, und verfasst wurde es 1940 von Helmut Daus Deutschlehrer auf dem Gymnasium in Leverkusen, Heinrich Plönes. Während er seiner – mittlerweile verstorbenen - Frau Christel aus diesem Buch vorlas, wurde in Helmut Dau der Gedanke wach „Warum sollte nicht auch die Jeetzel etwas über sich erzählen!?" Das tut sie nun.
Illustrationen von Julia Sindermann aus Tießau
Besonders bei einem Buch, das sich an Kinder wendet, sollten Bilder nicht fehlen, überlegte Helmut Dau während seiner Arbeit zum Jeetzel-Buch. Zeichnungen sollten es sein, und so tat der Autor via Zeitungsannonce kund: Er suche jemanden, der Freude zu solchen Illustrationen habe. „Profis“ meldeten sich - sogleich mit entsprechenden Honorarforderungen, aber auch eine Schülerin, bei der die Freude am Zeichnen im Vordergrund stand und steht: Julia Sindermann aus Tießau. Ihr Können überzeugte den Autor – und schon war die gute Zusammenarbeit von Alt und Jung perfekt.
Freude am Zeichnen und an der Musik
Mit 32 Zeichnungen hat die 17-jährige Schülerin, die das Dannenberger Fritz-Reuter-Gymnasium besucht, die Jeetzel-Erzählungen bereichert: Vom Salzwedeler Steintor über den Amtsturm in Lüchow bis zur Johanniskirche in Hitzacker reichen die Eindrücke aus Orten, welche Jetzige und Jeetzel unterwegs durchfließen oder berühren. Schon seit ihrer Kindheit weiß Julia Sindermann ihr Talent kreativ umzusetzen: Aus einfachsten Mitteln schuf sie kleine Skulpturen, zunehmend fand sie Freude am Zeichnen, erweiterte ihre Fähigkeiten Autodidakt, und sie nutzt auch die im Gymnasium gegebenen Möglichkeiten, sich künstlerisch zu entfalten.
Im Kunstkurs, den Julia dort belegt hat, sind ihre Leistungen bereits mehrmals mit „sehr gut“ belohnt worden. Ebenso nahe wie das bildnerische Schaffen ist der Gymnasiastin die Musik: Geige und Querflöte sind ihre Instrumente. Bei „Kreativität“, dem Jugendprojekt der Sommerlichen Musiktage Hitzacker, war Julia Sindermann 2009 von zwölf Teilnehmern die einzige aus der Region, als es galt, „Klang-Bild-Collagen“ zu erstellen.
Beeinflussen Zeichnen und Musik auch die Berufswahl? Weniger, sagt die 17-Jährige; ihr schwebt eher etwas Naturwissenschaftliches vor. Aber auch künftig will sie sich dem Zeichnen widmen; die Illustration zur Jeetzel-Erzählung sind keinesfalls eine „Abschlussarbeit“.
„Die Jeetzel erzählt“ von Helmut Dau ist für 9,80 Euro im Buchhandel erhältlich; ISBN: 978-3-8301-9883-3.
Foto: Helmut Dau und Julia Sindermann: Kreatives Zusammenarbeiten von Alt und Jung.