Thema: atommüll

Doppelt soviel Atommüll - und keiner weiß wohin damit

Am frühen Morgen sorgte die sueddeutsche für einen Schock unter Atomkraftgegnern: Deutschland muss in den nächsten Jahrzehnten viel mehr Atommüll entsorgen, als bisher angenommen wurde. Allein die Mengen Atommüll, die für Schacht Konrad vorgesehen ist, dürfte sich demnach verdoppeln. UPDATE!.

Nach den Recherchen der Süddeutschen Zeitung wurde im nationalen Entsorgungsbericht, der derzeit zwischen Bundesregierung und -ländern abgestimmt wird, erstmalig der schwach- bis mittel radioaktive Abfall aus der Urananreicherungsanlage in Gronau in die Berechnung der zu erwartenden Müllmengen einbezogen. Bisher war dieser Abfall als wiederaufbereitungsfähig eingestuft worden.

Nach dem Bericht der SZ wurde für Schacht Konrad eine Abfallmenge von 298 000 Kubikmetern Atommüll prognostiziert, meist aus dem Abriss der Atomkraftwerke. Stattdessen gehe der Bund nun "von einer Gesamtmenge der zu entsorgenden Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung von rund 600 000 Kubikmetern" aus, heißt es in dem Entwurf.

Unerklärlich bleibt zunächst, warum in der Abfallbilanz , die das Bundesumweltministerium erst am 3. November der Endlagerkommission vorstellte, immer noch von 300 000 Kubikmetern in Schacht Konrad einzulagernder Atommüll ausgegangen wird. Der Abfall aus der Urananreicherungsanlage Gronau war hier schon eingerechnet und wurde in der Bilanz mit insgesamt 29 Kubikmetern und 7,5 Mg Masse an Rohabfällen und unbehandelten Abfällen angegeben. In dem von der SZ angesprochenen Bericht ist nun die Rede von rund 13 000 Tonnen, die in der Urananreicherung an Atommüll anfallen. Eine Stellungnahme zu diesen Widersprüchen war vom Bundesumweltministerium zur Stunde nicht zu erhalten.

Was bedeutet das für das Abfalllager Gorleben?

Noch ist unklar, wo die zusätzlichen 200 - 300 000 Kubikmeter schwach- und mittelaktiven Atommüllls (MAW) zwischengelagert werden sollen. Ebenso unklar ist, ob es überhaupt eine Notwendigkeit gibt, zusätzliche Zwischenlagerkapazitäten aufzubauen, bis das für MAW vorgesehene Endlager Schacht Konrad betriebsbereit ist. Das soll im Jahre 2023 der Fall sein.

Für GNS-Pressesprecher Jürgen Auer ist jedenfalls eines klar: in das Abfalllager Gorleben kommt der zusätzliche Atommüll nicht. Wie Auer gegenüber wnet erklärte, gibt es keinerlei Überlegungen, im Abfalllager auch Atommüll aus anderen Quellen wie der Urananreicherung oder aus dem Rückbau des Asse-Bergwerkes zwischenzulagern. "Da reichen die Kapazitäten gar nicht aus," so Auer. Man sei schon bei 70 % der Einlagerungskapazität angelangt. Einen weiteren Erweiterungsbau am Abfalllager kann Auer sich nicht vorstellen. "Das dauert sehr lange und macht soviel Kosten, dass es sinnvoller ist, über neue Zwischenlager an den Kraftwerksstandorten nachzudenken," so Auer. 

.ausgestrahlt!: Hiobsbotschaften in Sachen Atommüll häufen sich  

Zu den neusten Meldungen zum Atommüll-Desaster erklärt Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt:

„Doppelt so viele radioaktive Abfälle, als bisher angenommen. 2.000 beschädigte Strahlen-Fässer bundesweit. Die Hiobsbotschaften in Sachen Atommüll häufen sich. Es ist kein gutes Gefühl, als Atomkraftgegner mit seinen Warnungen so oft richtig zu liegen.

Nötig sind jetzt Konsequenzen aus den unhaltbaren Zuständen in Sachen´Atommüll. Wenn selbst schwach radioaktive Abfälle nicht einmal über wenige Jahrzehnte sicher gelagert werden können, wenn die Hälfte des vorhandenen Atommülls über Jahre verschwiegen wurde, wenn niemand weiß, wo diese Stoffe über Jahrtausende ohne Schäden zu verursachen aufbewahrt werden können, dann ist es an der Zeit, die weitere Produktion von Atommüll zu beenden. Das gilt sowohl für die noch neun laufenden Atomkraftwerke, die Brennelementefabrik in Lingen, wie auch für die gigantische Mengen Müll produzierende Urananreicherungsanlage in Gronau.

Wenzel:

Umweltminister Wenzel: Nebel über dem Atommülldesaster lichten sich

Stefan Wenzel, niedersächsischer Umweltminister, hat seine Forderung nach einer umfassenden Bilanz der Mengen und Kategorien des Atommülls in Deutschland erneuert. „ Stück für Stück wird das ganze Ausmaß des Atommülls sichtbar, der in den letzten Jahrzehnten produziert wurde“, sagte der Minister am Dienstag in Hannover. „ Aber immer noch fehlt eine internationale Klassifizierung, und es fehlen nachvollziehbare Aussagen zur Konditionierung des Mülls, zum radioaktiven Inventar und zu vorliegenden Leitnukliden.“

Erst wenn alle Fakten auf dem Tisch lägen, könne man klären, welche Optionen es für eine dauerhaft sichere Lagerung gebe. Wenzel setzte sich erneut dafür ein, dass die in Berlin tagende Atommüllkommission von Bund und Ländern alle denkbaren Pfade prüft, Fehler der Vergangenheit analysiert und am Ende Vorschläge für Sicherheitsanforderungen und Eignungskriterien unterbreitet.

Der Minister warnte vor „ hemdsärmeligen Versuchen zur Erweiterung von Schacht Konrad“. (Im Entwurf des "Nationalen Entsorgungsprogramms" wird eine Erweiterung von Schacht Konrad in Erwägung gezogen). Derzeit stehe ein aktualisierter Nachweis für die Einhaltung der Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses aus. Niedersachsen habe zudem schlechte Erfahrungen mit Lieferanten gemacht, die selbst nicht mehr wüssten, was in ihren Atommüllfässern sei. Wenzel: „ Davon kann man hier ein Lied singen. Der Maßstab für die Sicherheit sind Langzeitsicherheitsnachweise nach dem Stand von Wissenschaft und Technik und nicht das Volumen eines bestimmten Abfalls!“

Auch seine Parteikollegin Miriam Staudte wehrt sich gegen eine womögliche Erweiterung des Endlagers Schacht Konrad. „Das Einlagerungsvolumen von Schacht Konrad kann und darf nicht nach Belieben erweitert werden. Noch immer fehlt eine aktualisierte Sicherheitsbetrachtung, ob das bereits geplante Endlager dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Für eine Erweiterung der Einlagerungskapazitäten wäre ein neues Planfeststellungsverfahren für den gesamten Standort notwendig," so Staudte. „Diese Abfallbilanz zeigt die volle Tragweite des Problems. Für rund 300.000 Kubikmeter strahlenden Müll fehlt ein Entsorgungsnachweis. Es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, sichere Entsorgungskonzepte für alle Arten von radioaktiven Abfällen vorzulegen.“  

Foto / Christina Palitzsch ... publixviewing: Im Juni 2013 protestierten Atomkraftgegner in Berlin gegen die weitere Produktion von Atommüll, da (bis heute) ungeklärt ist, wo die aus der Wiederaufbereitung zurückzunehmenden radioaktiven Abfälle zwischengelagert werden sollen.





2014-11-18 ; von Angelika Blank (autor),
in Gedelitzer Straße, 29475 Gorleben, Deutschland

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