Hamburger Besuch bekam am Mittwoch Mittag das soziale Gartenprojekt in Dannenberg, in dem 15 Langzeitarbeitslose eifrig dabei sind, den Garten zu bestellen, um später üppig Obst, Gemüse und Kräuter für die Ernte vorzubereiten. Vertreter des Hamburger Bezirksamtes waren auf der Suche nach innovativen Projekten - und zeigten sich begeistert von der Dannenberger Initiative.
Wenn Herr Schwemer im Garten arbeiten kann, dann ist er zufrieden. Für den 61-jährigen ist das Gartenprojekt in Dannenberg zum zweiten Zuhause geworden. "Hier bin ich den ganzen Tag an der frischen Luft, mit Menschen zusammen und leiste dazu noch eine sinnvolle Arbeit," so der gelernte Schmied.
2012 hatte das Jobcenter der Agentur für Arbeit gemeinsam mit der Samtgemeinde Dannenberg und der Bürgerstiftung die Projektidee aufgegriffen, sinnvolle Betätigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose zu schaffen und Gelder für das "Gartenprojekt" bereit gestellt. Seitdem können jährlich zehn bis fünfzehn EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt, jeweils ein halbes Jahr lang über einen 1-Euro-Job lernen, wie Pflanzen angezogen, gepflanzt, gepflegt und geerntet werden.
In der Caritas fand die Agentur für Arbeit eine Institution, die das Gartenprojekt durchführt, für kompetente sozialpädogische und handwerkliche Anleitung sorgt. So konnte in den vergangenen Jahren regelmäßig eine Vermittlungsquote von 25 % erreicht werden, wie Caritas-Geschäftsführer Clemens Jansen den Gästen am Mittwoch erläuterte. "Das ist ein enorm hoher Prozentsatz, den wir da regelmäßig erreichen," konnte Jansen stolz berichten. "Und auch die über 90%ige Anwesenheit unserer TeilnehmerInnen belegt, dass die Allermeisten mit Begeisterung und Motivation bei der Sache sind."
Die Gäste des Hamburger Bezirksamtes zeigten sich begeistert von dieser "tollen Initiative" und fragten intensiv nach, wie ein solches Projekt initiiert und am Leben gehalten wird.
GIBT ES EINEN WEG ZURÜCK INS ARBEITSLEBEN?
Herrn Schwemer interessiert der Besuch der Hamburger Delegation inklusive Bürgermeister Jürgen Meyer nicht sonderlich. Gelassen häufelt er weiter "seine" Kartoffelreihe an und entschuldigt sich dafür, dass zwei Gurkenpflanzen in der benachbarten Beetreihe nicht so richtig in Gang kommen wollen. "Die haben wohl zu wenig Wasser bekommen," so sein sorgenvoller Kommentar zu den traurigen Pflänzchen.
Mit 18 hatte Herr Schwemer bereits eine Lehre zum Schmied gemacht, musste sich dann aber eine andere Arbeit suchen, als sein Arbeitgeber keinen Nachfolger fand und den Betrieb schloss. Bis er 55 Jahre alt war, konnte er dann im Gymnasium Lüchow als Gärtner und Gehilfe des Hausmeisters arbeiten - bis ihm auch hier gekündigt wurde.
Wer aber stellt einen 55-jährigen Schmied ein, der zudem seinen Beruf schon lange nicht mehr ausgeübt hat? Niemand. Da kam das Angebot, am Gartenprojekt in Dannenberg mitzumachen, gerade recht. Seitdem hat Herr Schwemer wieder eine Aufgabe - und weiß, dass er mit seiner Hände Arbeit Gemüse, Obst und Kräuter für andere Bedürftige schafft.
Genauso wie die vierzehn anderen Langzeitarbeitslose mit "multiplen Vermittlungshemmnissen", wie es im Amtsdeutsch heißt. Auch sie sind aufgrund verschiedener Problematiken, von "A" wie Alkoholismus bis "Z" wie Zwangsvollstreckung aus dem Arbeitsleben gefallen, haben kaum eine Chance, ohne Unterstützung wieder einen Broterwerb zu finden.
Im "Sozialgarten" finden sie vieles: Arbeit, Unterstützung, Kontakte und das gute Gefühl, etwas Gemeinnütziges getan zu haben. Denn die Ernteergebnisse des Dannenberger Gartens, ob Kartoffeln, Kürbis, Gurken, Puffbohnen oder Erdbeeren, werden an Initiativen wie "Die Tafel", "Die Brücke" und das Mehrgenerationenhaus abgegeben. Und natürlich dürfen auch die TeilnehmerInnen einen Teil der Ernte selbst verwerten.
NEUE FÄHIGKEITEN ENTDECKEN UND SINNVOLLES TUN
Im Garten entdecken sie neue Fähigkeiten, sind mit Eifer dabei, Sämereien auszubringen, die kleinen Pflänzchen dann zu "pikieren" und später an einen geeigneten Standort im Beet auszupflanzen. So manch Einer hat hier schon seine Leidenschaft für die Gärtnerei entdeckt.
Und wenn "Oma Grete" kommt, Eigentümerin und Verpächterin der rund 2000 qm großen Fläche, dann gibt es viele Fragen. Die beinahe 80-jährige Gärtnerin, die ihre Pflanzen und Gemüse seit Jahren auf dem Dannenberger Markt verkauft, steht immer gern mit Rat und Erfahrung zur Seite.
Klar, einen Garten aufrecht zu erhalten, die Pacht zu finanzieren sowie drei Vollzeitstellen kostet Geld, wäre ohne die Unterstützung der Bürgerstiftung und diverser großzügiger Sachspenden regionaler Unternehmen nicht möglich. Aber, so das vehemente Plädoyer von Clemens Jansen an die Politik: "2,5 Millionen Arbeitslose fehlen als Arbeitskräfte in der Gesellschaft. Vergessen Sie sie nicht. Sonst werden die Kosten am Ende weitaus höher sein als solche Projekte kosten."
Die Gäste aus dem Bezirksamt Altona hörten die Worte sehr wohl und überlegten bereits während des Besuchs eifrig, ob und wie sich auf den teuren Hamburger Grundstücksflächen ein ähnliches Projekt umsetzen ließe.
Foto / Angelika Blank: Glücklich zogen die Besucher des Dannenberger Sozialgartens mit ihren Gastgeschenken, kleinen Physalis-Pflänzchen, von dannen. Die Delegation des Hamburg-Altonaer Bezirksamtes, begleitet von Vertretern des Jobcenters, der Caritas sowie der Samtgemeinde Elbtalaue hatte sich am Mittwoch vor Ort über das erfolgreiche Projekt informiert.