Jahre dauerte es, bis Kathrin Ollendorf und Holger Linde endlich die Genehmigung in der Hand hielten, dass ihre Schweine im Wald laufen dürfen.
Am Dienstag erhielten die Betreiber des Hutewaldhofes in Riskau ihre Zertifizierungsurkunde als Archebetrieb.
Die Zeiten, in denen die Steuer für Waldflächen nach der Anzahl der dort gehaltenen Schweine berechnet wurde, sind längst vorbei. In der Moderne hat sich das Verhältnis zum Wald grundlegend geändert: Forstwirtschaft, Jagd und Freizeitnutzung haben die landwirtschaftliche Nutzung längst verdrängt.
Angst vor Seuchen tat ihr Übriges, um Hausschweine endgültig aus den Wäldern zu verbannen. In Deutschland ist die Schweinehaltung im Wald regelrecht verboten. Doch Kathrin Ollendorf und Holger Linde vom "Hutewaldhof" in Riskau ließen sich von den Schwierigkeiten nicht abschrecken. Sie arbeiteten jahrelang hartnäckig daran, dass ihre Schweine ein "tolles Schweineleben" führen können, so wie es ihrer Natur entspricht. "Schweine wollen sich ihr Futter selber suchen, sie wollen wühlen und sich in Matschkuhlen suhlen," so Kathrin Ollendorf, Agraringenieurin.
Also "wühlten" sich Kathrin Ollendorf und Holger Linde mehrere Jahre durch die Vorgaben vier verschiedener Fachabteilungen des Landkreises. Die Schweinehaltung im Wald musste sowohl vom Forstamt, der Fachabteilung für Wasserwirtschaft, dem Veterinäramt sowie der Unteren Naturschutzbehörde genehmigt werden.
Letztendlich können die Schweine nur unter bestimmten Auflagen in den Wald gelassen werden (jahreszeitlich begrenzt und mit begrenzter Besatzdichte), außerdem muss ein Drittel der eingezäunten Waldfläche als Ausgleichsfläche auf dem Acker bereitgestellt werden, wo z. B. umfangreiche Heckenpflanzungen stattfinden. "Das waren alles Kosten, mit denen wir nicht gerechnet haben", so Ollendorf am Dienstag. Weitere gesetzliche Vorgaben erschweren auch das Anliegen der beiden Landwirte, Interessierten die Schweinehaltung nahe zu bringen: der Zugang zur Schweineweide ist mit einem Tor abgeriegelt. Der dahinter liegende Weg darf nur mit entsprechender Schutzkleidung betreten werden.
Nach Überwindung unzähliger formaler Hindernisse konnte vergangenes Jahr endlich die Schweinehaltung mit 25 Angler-Sattelschweinen beginnen. Im Sommer leben die robusten Schweine einer alten, gefährdeten Rasse auf ausgedehnten (9 ha) großen Grünflächen , suchen sich selber ihr Futter, schlafen in Holzhütten oder sich in Schlammkuhlen, wenn ihnen danach beliebt. Und die Ringelschwänze sind ihnen natürlich auch geblieben, denn bei der Freilandhaltung stellt sich die Frage des Schwänzekupierens gar nicht erst.
In den 2,5 ha Wald, den die Schweine im Herbst und Winter nutzen können, finden sie Eicheln, aber auch Gras,
Kräuter, Pilze, Insekten und andere Bodentiere. Noch gibt es in dem Mischwald auch Kiefern, diese sollen aber im Laufe der Zeit entnommen werden, um den zahlreichen jungen Eichen mehr Licht und Raum zum Wachsen zu geben. Bei der Holzrückearbeit hilft ein Ochse, der ebenfalls auf dem Hof lebt. Auf diese Art und Weise wird der Waldboden am meisten geschont.
Archebetrieb in der Archeregion Flusslandschaft Elbe
Anlass der Hofbegehung am Dienstag war die Übergabe der Zertifizierungsurkunde, die den beiden Schweinehaltern die Anerkennung als Archebetrieb nach den Spielregeln der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) bestätigt.
In ihrer Rede betonte Antje Feldmann, Vertreterin der GEH, wie wichtig es gerade im Schweinebereich ist, alte Nutztierrassen verstärkt zu nutzen. "Es gibt heute keine einheimische Schweinerasse mehr, die nicht auf der Liste der gefährdeten Arten steht," so Feldmann. Anfangs hätten lediglich 46 Rassen auf der Roten Liste gestanden, heute seien es 143 wie zum Beispiel das Gelbvieh oder das Deutsche Edelschwein.
Veränderter Kundengeschmack und die Industrialisierung der Landwirtschaft hätten die alten Nutztierrassen immer mehr aus der Landwirtschaft verdrängt, so Feldmann. Die GEH-Geschäftsführerin plädierte deshalb dafür, dass die Landwirtschaft beginnt, andere Wege zu gehen.
Prof. Johannes Prüter, Leiter des Biosphärenreservates Niedersächsische Elbtalaue, zeigte sich dankbar, dass "wir das Projekt Archeregion geschenkt bekommen" haben. "Mit dem Netzwerk der vielen Engagierten in der Archeregion sowie der Partnerbetriebe können wir die Idee 'Mensch und Biosphäre' deutlich voranbringen," so Prüter.
Bezugnehmend auf die komplizierte Gesetzeslage merkte Prüter an, dass die Verordnungen gängig gemacht werden müssten. "Es geht nicht nur darum, etwas Museales zu machen, sondern die Betriebe müssen auch nach ökologischen Kriterien wirtschaften können," ergänzte er. Des weiteren erinnerte Prüter daran, dass die alten Hutewälder aus früheren Zeiten trotz Nutzungsaufgabe bis heute einen derartigen Naturschutzwert haben, dass sie unter strengstem Schutz stehen. "Und heute untersagen wir strengstens, dass die Wälder wieder als Hutewald genutzt werden könne," plädierte Prüter für eine Veränderung der Richtlinien.
Wie - und ob - sich der Wald unter der Nutzung der Schweine langfristig verändert, wird übrigens durch ein 10-jähriges Monitoring überprüft. Kathrin Ollendorf dokumentiert regelmäßig, wie sich die Bodenbedingungen oder die Fauna und Flora verändern.
Ganz nach dem GEH-Prinzip "Erhalten durch Verwerten" werden die Schweine nach einem "tollen Schweineleben", wie es Kathrin Ollendorf ausdrückte, nach rund 14 Monaten geschlachtet und über den eigenen Hofladen als Fleisch, Wurst und Schinken vermarktet. Einige der zehn zur Schlachtung anstehenden Schweine sind übrigens schon per Schweineleasing verkauft worden: Für rund 800,00/900,00 Euro (inklusive Schlachtung, Zerlegung und Lieferung) können einzelne Interessierte die Aufzucht eines Schweines finanzieren - um es dann nach ca. 14 Monaten zerlegt als verzehrfertiges Fleisch für die eigene Gefriertruhe angeliefert zu bekommen. Mehr Infos zum Schweineleasing gibt es hier!
Fotos / Angelika Blank: Sauwohl fühlen sich die Angler Sattelschweine auf dem Hutewaldhof von Kathrin Ollendorf in Riskau.