Anfang der Woche wurde bekannt, dass Bundesumweltminister Norbert Röttgen den ersten Entwurf für ein Endlager-Suchgesetz vorgelegt hat. Nach dem Entwurf, der wnet vorliegt, soll eine Ethikkommission das Verfahren begleiten und eine neue Behörde die Erarbeitung von wissenschaftlichen Kriterien übernehmen. Ein mögliches Endlager in Gorleben wird in dem Papier nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
In einem neu einzurichtenden "Bundesinstitut für Endlagerung" sollen nach dem Entwurf des Ministeriums, die "Aufgaben der Vorgabe von wissenschaftlichen Kriterien für Standortauswahl und Errichtung, der Genehmigung und Aufsicht" gebündelt werden. Um die notwendige Unabhängigkeit zu gewährleisten, soll es als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts eingerichtet werden und "in seinen wissenschaftlichen Bewertungen" weisungsunabhängig sein.
Derzeit errichtet und betreibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Endlager und ist direkt dem Bundesumweltministerium unterstellt. Begründet wird die Einrichtung einer neuen Bundesbehörde mit dem Verweis auf eine Richtlinie der EURATOM-Richtlinie 2011/70, die vorschreibt, dass Genehmigung und atomrechtliche Aufsicht vom Betrieb der Endlager zu trennen sind.
Vom BfS war bislang keine Stellungnahme zu den ministeriellen Planungen zu erhalten. "Wir kommentieren dieses Thema nicht", so BfS-Pressesprecher Florian Emrich am Mittwoch gegenüber wnet.
Für Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag riecht die Einrichtung eines neuen "Bundesinstituts" sehr nach einer geplanten Entmachtung des BfS. "Ich sehe nicht, dass die EURATOM-Richtlinie die Einrichtung einer neuer Behörde zwingend fordert," so Wenzel in einer ersten Stellungnahme. Wenzel fragt sich außerdem, warum die Endlager-Such-Regelungen nicht im Atomgesetz verankert werden, sondern eine separate Gesetzes-Grundlage geschaffen werden muss.
Auch die BI Lüchow-Dannenberg sieht in der Einrichtung der neuen Behörde eine Entmachtung des BfS.
Des weiteren soll eine Ethikkommission „Sichere Entsorgung“ zur "ganzheitlichen periodischen Begutachtung der verantwortungsethischen Entscheidungsgrundlagen und zur Begleitung des Prozesses der Standortauswahl und seiner Schlussfolgerungen eingerichtet werden.
Öffentlichkeitsbeteiligung
Interessant ist, dass das Papier ausdrücklich eine Unterscheidung zwischen Information der (allgemeinen) Öffentlichkeit sowie Beteiligung von betroffener Öffentlichkeit unterscheidet. Wie sich "betroffene" Öffentlichkeit letztendlich definiert und bei welchem Verfahrensstand sie informiert/beteiligt wird, bleibt offen.
Für die BI Lüchow-Dannenberg fehlt im Entwurf die Beteiligung von Umweltverbänden und anderen Kritikern. "Ein Parteienkonsens, der garniert wird durch Empfehlungen einer handverlesenen Ethikkommission, überregelt wieder die Expertise der Bürgerinitiativen. Beständig wird die Zivilgesellschaft außen vor gehalten", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. "Entweder Neuanfang, dann muss das auch basisdemokratisch und transparent erfolgen, dann muss aber auch Schluss sein mit dem 35-jährigen Getrickse in Gorleben, wo nicht einmal ein atomrechtliches Genehmigungsverfahren eröffnet wurde", fordert die BI.
Das Suchverfahren
Nach den Vorschlägen im Gesetzesentwurf soll die neue Bundesbehörde einen Bericht erstellen, " in dem es Inhalt und Ergebnisse des bisherigen Verfahrens sowie die vorläufigen Sicherheitsanalysen zusammenfasst und Standortregionen für die obertägige Erkundung vorschlägt." Über die Standorte für die obertägige Erkundung sollen dann Bundestag und Bundesrat entscheiden.
Nach diesen obertägigen Erkundungen soll wiederum das Bundesinstitut diejenigen Standorte benennen (im Gesetzesentwurf heißt es: "ggfls. zusätzlich zu dem Salzstock Gorleben"), die auch untertägig erkundet werden sollen. Die Bundesregierung soll dann "nach Vorlage des Auswahlvorschlages" einen Entwurf für ein Gesetz einbringen, in dem diese Standorte ausgewählt und ausgewiesen werden. Wie bei jedem Gesetz solen hierüber auch Bundestag und Bundesrat entscheiden.
Was die Sicherheitsfragen angeht, so bleibt der Gesetzesentwurf unklar. Die Sicherheitskriterien für die Einrichtung eines Endlagers werden nicht benannt. Im Entwurf heißt es lediglich: "Erweisen sich mehr Standorte als sicherheitstechnisch gleichwertig, so muss die Auswahl der Standorte Ergebnis einer Abwägung sein, die insbesondere […] berücksichtigt."
Gleichzeitig soll aber auch das Atomgesetz insofern geändert werden, dass es möglich sein soll, auch vorläufige Planfeststellungsgenehmigungen zu erteilen. Denn nach Ansicht der Autoren des aktuellen Gesetzesentwurfs ist das Planfeststellungsverfahren im Anschluss an das Stnadortauswahlverfahren keine Planung im materiellen Sinne, sondern eine gebundene Entscheidung, "so dass die Gliederung in teilplanfeststellungsfähige Stufen möglich ist ohne Verletzung des Abwägungsgebotes und des Gebotes der einheitlichen Problembewältigung."
Reaktionen
Anti-Atomkraft-Initiativen bewerten den Gesetzesentwurf durchweg kritisch. Wolfgang Ehmke, Sprecher der BI Lüchow-Dannenberg sieht darin unter anderem den Versuch, Gorleben hoffähig zu machen.
Für Jochen Stay, Sprecher der Initiative "ausgestrahlt!" ist der Entwurf enttäuschend: "Damit wird es nicht gelingen, einen wirklichen gesellschaftlichen Konsens in der Atommüll-Frage herzustellen. Vorrausetzungen für einen solchen Konsens sind aus unserer Sicht vier Punkte. Die Produktion von Atommüll muss so schnell wie möglich eingestellt werden. Gorleben muss aufgegeben werden, denn nur dan wird es einen objektiven Vergleich von Standorten geben können."
Ausserdem müssten zunächst die Fehler der Vergangenheit aufgearbeitet werden. "Bisher haben die offiziell eingesetzten Wissenschaftler nicht aufgearbeitet, warum ihnen so viele Fehleinschätzungen unterlaufen sind. Wer aber die Fehler der Vergangenheit nicht erkennt, läuft Gefahr, sie in Zukunft zu wiederholen. Gleiches gilt für die politischen Prozesse, die zu diesen Fehlentscheidungen geführt haben," so Stay.
Die im Gesetzesentwurf beschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung ist darüber hinaus nach Stays Ansicht "Simulation". "Die im Gesetzentwurf vorgesehene Ethikkommission und das Abhalten von Diskussionsveranstaltungen in möglichen Standortregionen ist keine echte Bürgerbeteiligung. Ein gesellschaftlicher Konsens kann nur entwickelt werden, wenn alle Beteiligten die gleichen Rechte und die gleichen Möglichkeiten der Einflussnahme haben und die Entscheidung nicht am Ende von einer staatlichen Behörde gegen die Bürgerinnen und Bürger getroffen werden kann.
Foto (Archiv): Andreas Conradt / Röttgen vor dem Kreistag