Im April trafen sich erstmalig die Wissenschaftler, die gemeinsam in den nächsten fünf Jahren erforschen werden, unter welchen Bedingungen radioaktiver Abfall langfristig entsorgt werden könnte. Einer von ihnen, der Politologe Lutz Mez, informierte am Mittwoch Abend über die Arbeit der Forschungsplattform "ENTRIA".
Eingeladen zu der Informationsveranstaltung hatte Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament. „Zunächst geht es darum, zu verstehen, was die rund 60 Wissenschaftler in den nächsten fünf Jahren erarbeiten wollen, um dann entscheiden zu können, wie uns die Forschungsarbeit dabei helfen kann, nachhaltige Lösungen für das Atommüll-Problem zu finden,“ so Harms in der Veranstaltung. Vor allem für die Bürger rund um Gorleben könnten die Forschungsergebnisse entscheidende Bedeutung bekommen, so Harms. „Deswegen sollten wir überlegen, welche Möglichkeiten die Arbeit der Wissenschaftler uns im Kampf gegen ein Endlager in Gorleben eröffnet.“
Seit Januar 2013 fördert das Bundes-Forschungsministerium den auf fünf Jahre angelegten Forschungsprozess mit insgesamt 15 Mio. Euro. Beteiligt sind neben der Freien Universität Berlin, für die der Politologe Lutz Mez an den Forschungen mitarbeitet, die Leibniz Universität Hannover, das Karlsruher Institut für Technologie, die Technische Universität Clausthal , die TU Braunschweig, das Öko-Institut, die Christian-Albrechts-Universität Kiel sowie die risicare GmbH.
Das Besondere bei dieser neu eingerichteten Forschungs-Plattform: neben Naturwissenschaftlern arbeiten Geistes- ebenso wie Sozialwissenschaftler gemeinsam an Lösungsansätzen für das hochkomplizierte Problem der Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Da viele renommierte Institute in den Forschungsverbund integriert sind, hat Lutz Mez auch wenig Zweifel daran, dass die Arbeit direkte Auswirkungen auf die Arbeit der im Rahmen des Endlager-Suchgesetzes vorgesehenen Enquete-Kommission hat.
Technische und gesellschaftliche Bedingungen ausloten
„Diese Kommission muss sich ja auch wissenschaftlichen Rat holen,“ so Mez. „Da wird sie um die in der ENTRIA kooperierenden Wissenschaftler bzw. Institute nicht herumkommen.“
Die Forschungsplattform hat nicht das Ziel, einen Standort für ein nukleares Endlager zu finden oder präzise Vorgaben für die Endlagerung zu entwickeln. Vielmehr geht es darum, Bedingungen zu untersuchen (und zu beschreiben), die für eine Entsorgung radioaktiven Abfalls notwendig sind – auf technischer Ebenso wie auf gesellschaftlicher.
Für
den Politologen Lutz Mez bietet die fünfjährige Forschungsarbeit
deswegen auch die Möglichkeit, Handlungsempfehlungen für
Entscheidungs- und Beteiligungsstrukturen in einer
„post-parlamentarischen“ Demokratie zu entwickeln. Denn: „Dieses
kaum zu lösende Problem der Entsorgung kann nicht von Politikern
gelöst werden, die im 4-Jahres-Rhythmus wechseln,“ so Mez. „Es
wird ein langer Kampf werden, der durchaus länger als fünf Jahre
dauern kann.“ Denn im Forschungsverbund sitzen beileibe nicht nur
Wissenschaftler wie Lutz Mez, für die die Entsorgungsfrage
grundsätzlich und in allen gesellschaftlichen und technischen
Facetten neu überdacht werden muss. Es sind auch durchaus
Wissenschaftler beteiligt, die sich bisher positiv gegenüber den
Entsorgungsplänen für Gorleben geäußert haben.
Keine Euphorie - aber gute Chancen auf weiterführende Ergebnisse
Doch allen Befürchtungen aus dem Publikum, dass auch dieser Forschungsverbund von ministerieller oder wirtschaftlicher Seite bereits mit klaren Zielvorstellungen versehen sein könnte, trat Mez entgegen. „Durch die Vielzahl der Fachbereiche wird zunächst das Problem entstehen, die gegenseitigen 'Sprachen' zu verstehen,“ so Mez. „Doch nach meiner derzeitigen Sicht sind die meisten beteiligten Wissenschaftler ernsthaft daran interessiert, eine nachhaltige Lösung für ein immens großes Problem zu finden.“
Skepsis und Misstrauen einiger Zuhörer - gewachsen in jahrzehntelanger Widerstandserfahrung - konnte Mez damit nicht zerstreuen, doch immerhin wurde anerkannt, dass die neue Form der Zusammenarbeit vielleicht tatsächlich zu neuen Wegen führt. Rebecca Harms
sieht derzeit zwar auch keinen Grund zu vorzeitiger Euphorie, aber „gute
Chancen, dass die fachübergreifende Zusammenarbeit zu Ergebnissen
führt, die helfen, eine Lösung zu finden.“
Foto / Angelika Blank: Rebecca Harms und der Politologe Lutz Mez informierten am Mittwoch über die "Forschungsplattform Entsorgungsoptionen für radioaktive Reststoffe"