Der Schuhmacher Peter Krause ist in Lenzen einer der Letzten seines Standes. Nur noch wenige kennen sich mit Lederwaren so gut aus wie der gebürtige Lenzener.
Wenn in der Werkstatt von Peter Krause die alte Claes-Nähmaschine rattert und klopft, dann ist Arbeit angesagt. Dann gilt es, Stiefelschäfte enger zu machen oder Schuhe und Taschen zu nähen. Dabei schwört Krause auf "seine alte Claes", die er bis heute ohne Strom betreibt. "Zwischendurch hatte ich mal einen Motor angebracht," erzählt der gelernte Schuhmacher. "Aber insbesondere beim Nahtbeginn ließ sich die Dynamik schlecht regulieren. Deswegen betreibe ich die Nähmaschine lieber per Hand." Außerdem ist das Geräusch der aus den 50er Jahren stammenden Maschine ohne Strom wesentllich sinnlicher als das surrende Motorgeräusch.
Peter Krause ist in der kleinen Stadt Lenzen an der Elbe einer der letzten verbliebenen Handwerker seiner Zunft. Gab es früher mehrere Dutzend Schuhmacher in dem Elbort, so sind es heute nur noch zwei - einer davon ist das Schuhmachergeschäft Krause.
Schuhmacherstadt Lenzen ist längst ein Fall fürs Heimatmuseum
Viele Handwerker wurden nach dem Mauerbau aus der Grenzstadt ausgesiedelt. Lenzen leidet bis heute unter diesem Ausbluten, denn nach der Wende siedelte sich kaum ein Gewerbebetrieb wieder an. Das ehemalige Handwerkerzentrum Lenzen ist heute nur noch im Heimatmuseum nachzuvollziehen. Krauses Schuhgeschäft ist heute im Umkreis von rund 40 km das einzige Geschäft, welches Schuhe verkauft.
Seinen Handwerksbetrieb hatte das Ehepaar Krause im Jahre 1988 nach der Schuhmacher-Lehre von Peter Krause eröffnet. Schuhe verkaufen war ihnen damals allerdings nicht erlaubt. Nach DDR-Spielregeln sollte der Verkauf von Neuwaren dem "HO" und dem "Konsum" überlassen bleiben. Aber Reparaturen konnte und durfte er machen. "Damals gab es viel zu tun", erzählt Krause. Kunden gab es genügend, lediglich die Preisbestimmungen der DDR machten dem Ehepaar zu schaffen.
Minutiös listete die Preisverordnung Nr. 325 "Regelleistungspreise für Reparaturen" auf. So durfte Krause für das Nähen mit Leder von "Kindersohlen Größe 19 - 24" ganze 3,77 Mark in der Ortsklasse B nehmen. "Diese Preise deckten sich nicht wirklich mit dem, was wir hätten nehmen müssen, um den Betrieb wirtschaftlich betreiben zu können," so Krause.
Die Wende kam - die Kunden blieben aus
Doch dann kam die Wende und die Freiheit kam. Mit ihr ging das Reparaturgeschäft aber erst einmal massiv zurück. Reparaturen waren nicht mehr gefragt, es wurde lieber neu gekauft als repariert. "Teilweise war es so schlimm, dass wir überlegen mussten, das Geschäft zu schließen," berichtet Krause.
Obwohl Lenzen keine 10 km von Gartow entfernt liegt, verirren sich kaum "Wessis" in den Elbort. Bei einer kleinen wnet-Umfrage im Gartower Raum kam denn auch heraus, dass niemand von der Existenz eines hervorragenden Schuhmachers mit Schuhverkauf im nahe gelegenen Lenzen wusste. Alle Befragten fahren regelmäßig nach Lüchow, Dannenberg oder sogar Salzwedel zum Einkaufen.
Mit Beharrlichkeit und immer wieder neuen Ideen gelang es dem Ehepaar Krause, die schwierigen Zeiten zu überwinden und das Schuhmachergeschäft aufrecht zu erhalten. Heute bietet "Lederwaren Krause" alles, was von einem Schuhgeschäft erwartet wird: Damen- und Herrenschuhe für innen und außen, Sportschuhe und -taschen, Rucksäcke, Gürtel und zahlreiches Zubehör wie Pflegemittel oder Schnürbänder. Eine Annahmestelle für Reinigung und Mangel ergänzt den Kundenservice. Und mit einem Onlineshop stellen sie sich auf die Bedürfnisse einer internetorientierten Käuferschaft ein.
Bestmögliche Qualität zum mittleren Preis
Krauses wissen, dass ihre Kundschaft sich teure Luxusschuhe zum größten Teil nicht leisten kann. Deswegen bemühen sie sich in der mittleren Preisklasse die "bestmögliche Qualität" einzukaufen. "Das ist heute nicht mehr ganz einfach," so Peter Krauses Erfahrung. "Die Qualität der Schuhe in der Mittelklasse ist seit der Euro-Einführung deutlich schlechter geworden." Dennoch schaffen es Krauses immer wieder, solide Ware einzukaufen, die länger als eine Saison hält.
Von Kunststoff-Schuhen kommen die Krauses dabei immer mehr ab. "Es gibt zu viele Probleme", berichten sie. Immer wieder erleben sie, dass Schuhe und Tasche lange vor der Zeit reparaturbedürftig werden. Um den Kunden Wartezeit bei Hersteller-Rücksendungen zu ersparen, repariert Krause diese "Rückläufer" lieber selbst als ihnen die umständlichen Verfahren der Herstellerrücknahme zuzumuten. Das schmälert zwar die Rendite, aber die Kunden wissen den Service zu schätzen - und kommen immer wieder.
"Geht nicht gibt's nicht"
Wie zum Beispiel der Flohmarkthändler, der einen historischen Boxsack zur Reparatur bringt. Morsche Laschen an der Aufhängung und verrostete Ösen schrecken Peter Krause nicht. Er weiß sofort, wie das Problem zu lösen ist. Im Regal steht auch noch eine antike Reptilientasche, die dringend einer Aufarbeitung bedarf.
Krause liebt diese Aufträge, bieten sie doch eine Abwechslung zum alltäglichen Besohlen, Nähte reparieren oder Reißverschlüsse einziehen. Inzwischen hat er so viele verschiedene Aufträge erledigt, dass er als Allround-Handwerker gelten kann. Ein neues Sonnendach für ein Motorboot, eine solide Messertasche, eine individuell angepasste Plane für einen Pferdeanhänger oder Pferdegeschirr - für Peter Krause alles kein Problem. Er verarbeitet alle Materialien, die nicht dicker als 2,7 cm sind. Denn maximal diese Dicke kann er mit seinen kraftvollen Maschinen verarbeiten.
Mit der fachkundigen Beratung von Heike und Peter Krause sollte jeder Kunde "bei Lederwaren Krause" ein Paar Schuhe finden, die ihn längere Zeit durch den Alltag begleiten.
Es geht solange wie es geht
Wie für viele Handwerksbetriebe sieht die Zukunft für "Lederwaren Krause" langfristig düster aus. Die eigenen Kinder wollen den Betrieb nicht übernehmen, Auszubildende finden sich nicht und der letzte Geselle, den Krauses eingestellt hatten, machte mehr Arbeit als er einbrachte. "Wir stellen uns darauf ein, dass wir irgendwann die Tür abschließen und das war es dann," ist die nüchterne Einschätzung des Ehepaars. In Lenzen hat lediglich der traditionsreiche Schlachterbetrieb eine Nachfolge in Aussicht. Viele der ehemaligen Handwerksbetriebe sind längst dahin gegangen. In der DDR-Zeit ausgesiedelt, aus Altersgründen geschlossen oder wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben.
Da Peter Krause erst 54 Jahre alt ist und noch viele Ideen hat, sollte bis zur Betriebsaufgabe noch viel Zeit vergehen. Aber wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird die Region einen weiteren Meister seines Fachs verloren haben.
Fotos / Angelika Blank: Einblicke in eine Schuhmacherwerkstatt