Über 100 000 Mensch protestierten am Wochenende gegen die weitere Nutzung der Atomkraft und den Stopp der Endlagerpläne für Gorleben. Unangeachtet dessen verkündete die Betreiberin des Gorlebener Zwischenlagers, die Gesellschaft für Nuklearservice (GNS), dass sie die Anlagen in Gorleben erweitern will.
Wie GNS-Sprecher Jürgen Auer auf Anfrage von wnet bestätigte, ist der Bauantrag für ein sogenanntes "Prüf- und Qualifizierungsgebäude " bereits gestellt. Dort sollen dann nach Fertigstellung des Baus im Jahre 2012 die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle für ihren späteren Transport in das Endlager Schacht Konrad vorbereitet werden.
In dem neuen Gebäudekomplex soll der jetzt noch im Zwischenlager Gorleben stehende Atommüll geprüft, getrocknet, und in andere Behälter umgepackt werden.
Die jetzt im Zwischenlager eingelagerten Abfälle sind zwar schon vor ihrer Einlieferung "endlagergerecht" verpackt worden und entsprachen den vorläufigen Annahmebedingungen einer Regelung von 1995. Doch nun muss der gesamte eingelagerte Abfall neu verpackt werden, weil derzeit die Annahmebedingungen für die Einlagerung im Endlager Schacht Konrad überarbeitet werden und vermutlich strenger ausfallen als die alten Vorschriften. Deswegen der Erweiterungsbau.
Was ist mit dem Strahlenschutz?
Neben den Fässern mit hochradioaktivem Müll, die im Hauptlager stehen, befinden sich im "Abfalllager" der Gorlebener Anlagen zur Zeit rund 2000 "Gebinde" mit schwach- und mittelradioaktivem Müll aus Atomkraftwerken oder anderen atomtechnischen Anlagen. Die Abfälle aus Forschung und Wissenschaft gehen in die sogenannten Sammelstellen, die in den einzelnen Bundesländern eingerichtet wurden - in Niedersachsen ist diese in Jülich angesiedelt.
"Natürlich werden bei der Transport-Vorbereitung für Schacht Konrad Strahlenschutz-Bestimmungen eingehalten. Aber da es sich hier um schwach- bis mittelradioaktiven Müll handelt, können zum Beispiel beim Verfüllen der Behälter mit Beton auch Menschen eingesetzt werden. Durch die eingesetzte Technik wird sichergestellt, dass keine Aktivität freigesetzt wird", so Jürgen Auer. Desweiteren sei bereits seit 1983 eine Umweltüberwachungsanlage in Gorleben installiert worden.
Gerüchten, dass in der neuen Halle auch Müll aus der Asse aufbereitet werden soll, tritt Jürgen Auer entschieden entgegen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Abfälle aus der Asse nach Gorleben geschafft werden. Für diese Mengen reichen die Kapazitäten hier gar nicht aus. Aber für alle Fragen, die mit der Asse zusammen hängen, ist das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig", dementiert der Pressesprecher. Und betont: "Hier sollen nur die Abfälle verarbeitet werden, die schon im Zwischenlager liegen." Übrigens: Mehrfach pro Jahr wird neuer schwach- bis radioaktiver Müll aus bestehenden Verträgen angeliefert.
Baubeginn für den Erweiterungsbau wird voraussichtlich 2012 sein - bereits im Jahr darauf soll das rund 11 000 Kubikmeter umfassende Gebäude bezugsfertig sein. Wie Gorlebens Bürgermeister Herbert Krüger wnet bestätigte, ist ein entsprechender Bauantrag bei der Gemeinde bereits gestellt. Auch nach Kenntnisstand des Bürgermeisters ist der neue Bau lediglich für die endlagergerechte Verpackung des Atommülls für den Transport nach Schacht Konrad vorgesehen.
Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, misstraut den Aussagen der GNS: "Zunächst einmal ist überraschend, dass die Information über den Erweiterungsbau ausgerechnet am Tage der Anti-Atom-Menschenkette in Norddeutschland bekannt wurde. Nach Auskunft der GNS sollen nur die Fässer, die im Abfalllager eingelagert sind, Konrad-gängig verpackt werden. Das heißt aber nicht, dass diese Anlage auf diesen Zweck beschränkt bleiben muss. Dazu hat die GNS natürlich keine Angaben gemacht." Der Erweiterungsbau in Gorleben ist für die Europaabgeordnete ein weiterer Beleg dafür, dass der Endlager-Standort Gorleben mit weiteren Investitionen als atomare Wiederaufbereitungs- und Entsorgungsstätte manifestiert werden soll.
"Für mich ist das ein weiterer Schritt in den Ausbau der nuklearen Infrastruktur. Und es belegt, Für mich ist das ein weiterer Schritt in den Ausbau der nuklearen Infrastruktur ist. Es belegt , dass weiter in den Standort Gorleben investiert werden soll", so Harms weiter.
BI: Niemand hat die Endlagerung im Griff
Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) sieht in dem Erweiterungsbau ein weiteres Eingeständnis, dass bisher niemand die Atommüllendlagerung in Griff hat: "Angeblich wurden in der Lagerhalle konradgängige Container verwandt, nun - fünfzehn Jahre nach Einführung dieser Konditionierungstechnik - ist sogar ein Erweiterungsbau vonnöten, um die Einlagerungsbedingungen im geplanten Endlager für schwach- und mittelaktive Abfälle in Salzgitter erfüllen zu können: ein Disqualifizierungsgebäude soll errichtet werden", so die BI in einer Erklärung.
Gorleben werde, so die Befürchtung der Gorleben-Gegner, zur Drehscheibe bei der Verpackung schwach- und mittelaktiver Abfälle. "Eine Neuinvestition in Millionenhöhe tätigt die GNS nicht, um nur die Abfälle, die bisher in Gorleben unzureichend verpackt wurden, neu zu verpacken", schreibt die BI. Da warten die Abfälle, die möglicherweise in der Asse II wieder ans Tageslicht befördert würden, auf eine Konditionierung, und das würde zu einem ständigen Hin- und Hertransport von Atommüll führen und damit zu einer zusätzlichen Gefahr, zum Beispiel bei einer Kollision auf der Straße.
Sorgen bereite auch die Strahlenexposition, wenn mit verpresstem Rohabfall hantiert werde: "Mit der Abluft gerät Strahlung in die Atemluft", warnt die BI. Man werde nun den GNS-Antrag unter die Lupe nehmen und den Fokus nicht allein auf die Castortransporte, sondern auf den gesamten Betriebsablauf der GNS richten, kündigt die Bürgerinitiative an.
Foto: GNS / Luftaufnahme des Zwischenlagers Gorleben; im gelben Bereich soll der Erweiterungsbau entstehen.
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