Gorleben: Kein Dialog ohne Paradigmenwechsel

Während Bundesumweltminister Norbert Röttgen immer wieder sein Angebot zum „Gorleben-Dialog“ wiederholt, haben sich in den vergangenen Wochen viele Anti-Gorleben-Initiativen verständigt und am Dienstag Abend einer Staatssekretärin aus dem BMU geschlossen ihre ablehnende Haltung begründet.

 

Drei Podiumstische reichten nicht aus, um alle Vertreter der Initiativen, Gruppen und Parteien aufzunehmen, die sich zum „Schulterschluss“ gegen Röttgens Dialog-Angebot zusammengetan hatten. Neben Parteienvertretern von Landes- und Europagrünen, SPD, LINKE, GLW und UWG waren es auch Vertreter der Kirche, des DGB, von Greenpeace, BUND, NaBu, der Bäuerlichen Notgemeinschaft sowie die Familie von Bernstorff, die sich einhellig gegen einen Dialog mit dem Bundesumweltministerium unter den gegenwärtigen Bedingungen aussprachen.

Bemerkenswert: auch einige CDU-Abgeordnete und der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutzes, Wolfram König, fanden sich zu der öffentlichen Veranstaltung im Lüchower Ratskeller ein – und wurden nicht ausgebuht. An manchen Stellen war in dem rund 70 Menschen zählenden Publikum nur ein mitleidiges Raunen zu hören …

Unisono forderten alle Redner den Neustart der Atommülldebatte unter veränderten Vorzeichen. An einem Dialog würde man sich nur beteiligen, wenn in der Bundesregierung ein echtes Umdenken erkennbar würde. „Vorher können wir Ihnen nicht abnehmen, dass Sie es ernst meinen“, musste sich BMU-Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser von mehreren Seiten anhören.

Nichts Neues aus dem BMU

Vergeblich bot die Volkswirtschaftlerin den Initiativen an, sich am Dialog zu beteiligen. Doch angesichts ausbleibender Erklärungen über die konkreten Pläne für die nächsten Schritte in Sachen Atomkraft, verstärkte sich sowohl auf dem Podium als auch im Publikum im Laufe des Abendes das Misstrauen gegen das Ministerium eher als dass es abnahm.

BI-Sprecher Wolfgang Ehmke erinnerte an einige dunkle Punkte in der Geschichte der Bestimmung Gorlebens als Standort für ein nukleares Endlager wie z.B. die bis heute bestehende Beauftragung von Instituten, die sich in der Vergangenheit eindeutig und alternativlos für Salz als Einlagerungsmedium entschieden und Gorleben schon lange vor Erkundungsende für geeignet erklärt hatten. „Das ist für uns neben vielen anderen Indizien ein eindeutiges Zeichen, dass es nur noch um die Durchsetzung von Gorleben geht und keinerlei Alternativ-Standorte gewünscht sind.“

Zurück auf Anfang

Die Einleitung eines vergleichenden Standort-Suchverfahrens, eine grundlegende Neu-Diskussion der Endlagerungsmethode (Stichworte: Wiederauffindung, Rückholbarkeit, sicheres Versenken), eine Neubewertung der Sicherheitskriterien unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe aber vor allem auch die Rücknahme des im letzten Jahr beschlossenen Atomgesetzes, mit dem auch Enteignungen möglich sein sollen, waren einhellige Forderungen der „Schulterschluss“-Partner, bevor sie sich auf einen Dialog mit der Regierung einlassen.

Rebecca Harms, Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament: „In der Asse ist der Super-GAU längst passiert. Nun muss eine Neubewertung der Atommüllrisiken heißen, die Lehren aus der Asse zu ziehen und einen Neuanfang bei der Endlagerung durchzusetzen.

Skepsis auf beiden Seiten

Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser ließen die unzähligen, teilweise sehr fachlichen Argumente unbeeindruckt. Stereotyp wiederholte sie das Angebot des Ministers, sich am Dialog zu beteiligen. „Benennen Sie uns Ihre Wissenschaftler, dann werden wir einen Austausch führen“, so Heinen-Esser. Doch vor der Brust verschränkte Arme, verächtlich herabgezogene Mundwinkel oder die Bemerkung „Wir machen Ihnen das Angebot – aber wenn Sie nicht wollen ...“ ließen nicht den Eindruck entstehen, dass die Vertreterin des Bundesumweltministeriums an einem ernsthaften Austausch „auf Augenhöhe“ interessiert ist. Ein weiteres Indiz für diesen Eindruck: weder Heinen-Esser noch einer ihrer Begleiter machte sich trotz der Fülle der Informationen Notizen über das Vorgetragene.

So sprach Gräfin Anna von Bernstorff den Satz des Abends, der das Grundproblem vielleicht am grundsätzlichsten skizziert: „Politik muss wieder anfangen, sich am Gemeinwohl zu orientieren.“

PS: Heute (Mittwoch) trifft sich in Berlin die Reaktorsicherheitskommission, um die neuen Sicherheitsanforderungen für Atomkraftwerke zu diskutieren – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nicht einmal diese Information war Heinen-Esser einer Mitteilung wert.

Foto [M]: Angelika Blank (links: Ursula Heinen-Esser, wiederum links von ihr Referatsleiter Ahrens, ebenfalls BMU; rechts: Asta von Oppen, rechts neben ihr Rebecca Harms)




2011-03-30 ; von Angelika Blank (autor),

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