Kriminalstatistik 2011: Ohne den Castortransport wäre die Bilanz positiver

Wäre im Jahre 2011 nicht ein "intensiver" Castortransport gelaufen, so wäre die Kriminalstatistik für Lüchow-Dannenberg wesentlich positiver ausgefallen. Doch mit knapp 2700 Straftaten im ganzen Jahr 2011 bleibt LÜDAN eine Region mit einer der niedrigsten Häufigkeitsziffern in Niedersachsen.

 

"In Lüchow-Dannenberg wirken immer noch die Vorteile der ländlichen Region", so der Leiter des Polizeikommissariats Lüchow Polizeioberrat (POR) Thomas Meyn. "Für die Entwicklung der Kriminalität ist die schlechte Verkehrsstruktur sehr günstig. So haben wir hier nicht das Phänomen der reisenden Täter, die sich hauptsächlich längs der größeren Verkehrswege wie Autobahnen bewegen."

Mit einer Aufklärungsquote von 61,25 % konnte die Polizeiinspektion ihre Ergebnisse noch einmal verbessern (2010 lag diese Quote bei 60,25 %).

Castortransport verschlechtert die Statistik

Auf den ersten Blick sah die Straftatenauflistung für Lüchow-Dannenberg nicht rosig aus: ganze 8 % mehr Straftaten weist die Statistik für 2011 auf. Doch diese zusätzlichen 201 Straftaten erwiesen sich bei näherem Hinsehen als besondere Fälle, die zum größten Teil dem im November gelaufenen Castortransport zuzuordnen sind.

"Mit über 100 Versammlungen hatten wir sehr viel mehr Veranstaltungen im Rahmen des Castortransport als das Jahr zuvor", so Thomas Meyn. "Daraus resultierten auch mehr Straftaten." Denn für die Polizei ist das Überklettern von Zäunen (rings um das Erkundungsbergwerk), das Besetzen von Gleisen, die Auseinandersetzungen mit Polizisten oder das Blockieren von Straßen nun einmal Straftaten, die im Strafgesetzbuch "Hausfriedensbruch", "Nötigung", "Sachbeschädigung", "Körperverletzung" oder "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" heißen.

Die Straftaten, wegen derer die Anzeigen erstattet wurden, finden sich in der Jahresstatistik unter "Roheitsdelikten" oder "Gewaltkriminalität" wieder. Allerdings sind beileibe nicht die meisten der 400 Roheitsdelikte oder der 108 Fälle von Gewalt dem Castorgeschehen zuzuordnen, sondern "ganz alltäglichen" Auseinandersetzungen oder Übergriffen.

Auch in anderer Hinsicht schlug sich der Gorlebenprotest in der Kriminalstatistik nieder: mit einem Anstieg von 3 auf 14 Fällen fielen die Straftatbestände "Korruption, Amtsdelikte" auf. Nach Auskunft von Thomas Meyn verbergen sich hierunter in elf Fällen Anzeigen von Castordemonstranten gegen Polizeibeamte.

Über hundert verschwundene Postsendungen gefunden

Ein anderer Deliktsbereich, der eigentlich schon der Vergangenheit angehört, belastet die Statistik 2011 zusätzlich: bereits im Jahre 2010 war ein Postdienstunternehmen in die Schlagzeilen geraten, das stapelweise Post- und Paketsendungen hatte verschwinden lassen. Juristisch stellt dies einen "Verstoß gegen das Post- und Fernmeldegeheimnis" dar. Im Jahre 2011 wurden nun noch einmal bei einem Angestellten dieser Firma 164 Postsendungen gefunden, die nicht zugestellt worden waren - juristisch zählen diese als 164 einzelne Straftaten, obwohl die Firma im Landkreis längst nicht mehr aktiv ist.

Mord und Totschlag hatte es im Jahre 2011 in Lüchow-Dannenberg glücklicherweise nicht gegeben. Allerdings beschäftigt eine Anzeige wegen fahrlässiger Tötung bis heute die Staatsanwaltschaft in Lüneburg: im Sommer vergangenen Jahres wurde wegen eines Todesfalls in der Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik die Polizei eingeschaltet - es bestand der Verdacht über Übermedikation. Der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt  - die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen noch nicht abgeschlossen.

Resümee

Vor allem bei den Rauschgiftdelikten kann die Polizei in Lüchow-Dannenberg Erfolge vorweisen: mit 109 Fällen haben sich die Straftaten in diesem Bereich gegenüber 2010 (196) nahezu halbiert - was laut Thomas Meyn einerseits auf die bessere Ausbildung aber vor allem auch auf die intensive Ermittlungsarbeit zurück zu führen ist.

Diebstähle und Körperverletzungen halten sich dagegen auf dem Niveau der Vorjahre.  Angesichts von insgesamt 768 Diebstählen in der Region, davon 294 "schwere Diebstähle", wird die Polizei ihre Anstrengungen in diesem Bereich verstärken. Vor allem gegen Haus- und Wohnungseinbrüche sowie Fahrraddiebstähle sollen 2012 weitere Maßnahmenkonzepte durchgeführt werden (Aufklärung ...).

Auch 257 Körperverletzungen im Jahre 2011 will die Polizei nicht tatenlos hinnehmen, zumal diese Roheitsdelikte sich seit Jahren auf dem Niveau halten. Da die meisten Körperverletzungen im Zusammenhang mit Festen oder Kneipenbesuchen passieren (Kneipenstreits, Schlägereien ...) und die Tendenz zu gefährlichen Körperverletzungen durch Einsatz von Knüppeln, Flaschen etc. steigt, will die Polizei gezielt mit den Veranstaltern bzw. Gastronomen zusammen arbeiten. "Die Veranstalter sollen mehr Verantwortung für das Verhalten ihrer Gäste übernehmen", so Meyn.

Mit 35 Fällen befinden sich die Sexualdelikte im Landkreis zwar auf einem erfreulich geringen Niveau, kamen aber im Jahre 2010 nur 23-mal vor. Die wenigsten dieser Fälle waren sexuelle Übergriffe auf Kinder. Meistens waren es laut Thomas Meyn Anzeigen wegen sexueller Übergriffe im Beziehungsbereich, die sich im "Grenzbereich zwischen Freiwilligkeit und Nötigung" bewegen. Und meistens waren es Jugendliche, die die Übergriffe anzeigten - aber auch angezeigt wurden. "Hier hat sich der Anzeigewillen eindeutig gesteigert", so Thomas Meyn. Mehr Aufklärung, mehr Selbstbewusstsein machen sich hier bemerkbar.

Stark angestiegen sind die Fälle von Stalking. Mit Sturmklingeln, unablässigen emails oder Anrufen nervten die unglücklich Verliebten ihre "Angebeteten" 2011 in 22 Fällen. 2010 waren es lediglich 10 genervte Betroffene, die Anzeige erstattet hatten. Aber auch hier geht Thomas Meyn davon aus, dass sich weniger die Taten als die Anzeigebereitschaft stark erhöht haben.

Wie auch 2009 bereits sind die Zahlen der Betrügereien zwar leicht gesunken (230 Fälle) - aber die Art der Betrugsfälle verlagerte sich weiter in den elektronischen Bereich. Internet- und Email-Betrug sowie andere elektronische Betrügereien haben auch in Lüchow-Dannenberg die "klassischen" Betrugsverfahren immer mehr abgelöst.

70-mal wurden immer noch Graffiti-Sachbeschädigungen angezeigt. "Doch hätten wir Aktionsgruppen wie 'Initio' in Lüchow nicht, so wären es noch weitaus mehr", ist sich der Leiter des Polizeikommissariats sicher.

Bild: "Bauernrauferei beim Skatspiel" (Adrian Brouwer) - auch im 17. Jahrhundert gehörten Kneipenschlägereien zum Alltag - mit mehr oder weniger schlimmen Folgen.




2012-02-22 ; von Angelika Blank (autor),

kriminalstatistik  

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