Was Manche schon lange vermuteten, wurde nun bestätigt: Der große Ökostromanbieter „Lichtblick“ wurde dabei erwischt, dass er Strom aus nicht näher zu benennenden Quellen an der Strombörse eingekauft hat. Zwar nur in einer Größenordnung von rund 2 % des gesamten Stromangebots – doch immerhin genug, um für öffentliche Erregung zu sorgen.
Neben greenpeace energy, den Schönauer Elektrizitätswerken und Naturstrom gehört Lichtblick zu den Anbietern, die ich in der Region zwischen Elbe und Altmark sehr aktiv sind. Mit dem Stromgeschäft Vertraute regt das Kaufverhalten von Lichtblick allerdings nicht allzu sehr auf. „Je größer das Stromvolumen eines Anbieters, desto unkalkulierbarer wird die tatsächliche Stromabnahme innerhalb eines Jahres. Schwankungsgrößen von 3 – 5 % gelten da als normal.“ Heißt es aus Insiderkreisen.
Dies wurde Lichtblick vom TÜV Nord bestätigt: „Für nicht vorhersehbare Überschreitungen der geplanten Stromliefermengen ist es eine branchenübliche Praxis, die Abdeckung des sich tatsächlich einstellenden Bedarfs auf Kundenseite gegebenenfalls auch durch Zukauf von Strom sicherzustellen, der nicht auf regenerativer Basis erzeugt worden ist.“ (Auszug aus der Stellungnahme des TÜV Nord, veröffentlicht auf der Website von Lichtblick).
Für Mitbewerber allerdings ist es keine unabwendbare Tatsache, Fehlmengen an der Strombörse einkaufen zu müssen. „Wir kaufen keinen Strom an der Börse“, betont Robert Werner, Vorstandsmitglied von Greenpeace Energy. „Unser Ökostrom stammt aus sauberen Kraftwerken, die in Lieferverträgen exakt definiert sind.“ Eventuelle Differenzen zwischen Prognose und der eingekauften Menge gleicht Greenpeace Energy nicht mit Börsenstrom, sondern mit Hilfe „offener Lieferverträge“ aus, bei denen die Liefermenge aus Ökokraftwerken täglich angepasst wird. Damit seien sie auch für steigende Kundenzahlen gewappnet. „Unsere Methode ist sicherlich nicht die billigste, aber die glaubwürdigste“, sagt Robert Werner.
~hidden~ Ein weiterer - vielleicht schwerwiegenderer - Kritikpunkt: Lichtblick hatte in der Vergangenheit immer geleugnet, Strom an der Europäischen Energy Exchange, der Strombörse in Leipzig, einzukaufen. Dieses Ertapptwerden ist für eine Branche, die sich immer viel darauf zu gute hielt "ehrlich" zu sein, womöglich ein grösseres Problem, als der Einkauf selbst. ~/hidden~
Hintergrund
Jeder Stromanbieter hat zwar aufgrund von Verbrauchsdaten eine ziemlich präzise Vorstellung vom voraussichtlichen Strombedarf seiner Kunden. Dementsprechend werden auch Lieferverträge mit Stromproduzenten abgeschlossen. Über den genauen Stromverbrauch der Kunden lassen sich aber keine 100%igen Aussagen treffen. Branchenweit wird von einer Differenz von 3 – 5 % gesprochen, die ausgeglichen werden muss.
Hierfür gibt es verschiedene Strategien: offene Lieferverträge (wie bei Greenpeace), beständige Überkapazitäten (die für weniger Geld an die Strombörse verkauft werden, falls sie nicht gebraucht werden) oder eben Zukauf an der Börse. Hier setzt die Kritik an: während andere Ökostromanbieter (z. B. greenpeace energy, naturstrom oder Schönauer Elektrizitätswerke) teils aufwändige Strategien entwickelt haben, um auf die Zukäufe an der Strombörse verzichten zu können, hält Lichtblick dies offensichtlich für legitim, ja geradezu „branchenüblich“.
Damit kann Lichtblick allerdings nur die Strombranche im Allgemeinen meinen, und nicht die Ökostrom-Anbieter. Denn diese bestreiten durchweg, an der Börse Strom zu kaufen. Da die Strombörse in Leibzig (EEX) keine Daten über ihre Kunden herausrückt, wird sich nicht nachweisen lassen, wer dort tatsächlich "grauen" Strom einkauft.
Handelspartner der Strombörse sind die meisten Ökostromanbieter allemal: denn auch sie müssen ihre Überkapazitäten verkaufen. Denn da die Speichermöglichkeiten für produzierten Strom praktisch nicht vorhanden sind, muss die überproduzierte Energie so schnell wie möglich verkauft werden - da bleibt oft nur die Strombörse als Abnehmer.
Wirklich mehr Transparenz?
Lichtblick verkündet inzwischen auf seiner Website, Konsequenzen gezogen zu haben. So heißt es dort: "Den Fremdbezug werden wir zukünftig durch eine gezielte Überspeisung in die Spot- und Ausgleichsenergiemärkte umstellen, so dass dann auch der 0,5 prozentige Fremdbezug mengengleich regenerativ geliefert und ausgeglichen sei". Eine Formulierung, die auch Experten erst nach dreimaligen Lesen verstehen. Also noch mal für Dummis: Wir kaufen zukünftig mehr Ökostrom bei unseren Lieferanten ein, verkaufen die Überschüsse (0,5 %) an die Strombörse und kaufen dann - im Bedarfsfall - 0,5 % an der Strombörse ein.
Ob das (energie-) politisch korrekt ist? Eine Umstellung im Geschäftsverhalten von Lichtblick ist es allemal: für den Bezug von Ökostrom muß der Anbieter grundsätzlich mehr bezahlen als er durch den Verkauf erzielen kann. Es könnte also für Lichtblick Kunden auf die Dauer teurer werden. Vorerst wird der Preis bis zum 31.12. 2009 garantiert. Allerdings ist Lichtblick mit 19,99 Ct/kwh jetzt schon ein paar Prozentpunkte teurer als mindestens ein Mitbewerber. Die Zeiten da Lichtblick mit aggressiver Preispolitik am Ökostrom-Markt punkten konnte, sind vorbei.
PS: Nach dem 8. Juni wurde auf der Website von Lichtblick ein Nachtrag eingefügt, der einen womöglichen Zukauf „geringer Mengen Stroms undefinierter Herkunft zur Deckung von Verbrauchsabweichungen“ ankündigt.
In der Region
zählt Lichtblick immer noch zu den grössten Anbietern. Allerdings: bei lediglich 6,1 % der Bevölkerung Lüchow-Dannenbergs, die als Bezieher von Ökostrom gelistet sind, dürfte selbst ein geschlossener Umzug aller Lichtblick-Kunden hierzulande den Konzern wenig kümmern.
In Zahlen: ganze 1633 Haushalte (von etwas über 26 000) beziehen Ökostrom.
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