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Angepisst: Medienhype um ein Pipithema

Der lokale Beinahestreit über Design-Urinale im Lüchower Stones-Museum ist in der letzten Woche zum weltweiten Medienhit geworden. Für das Museum „ein Sechser im Lotto“, wie es ein Stern-Redakteur ausdrückte – für den Lüchower Journalisten, der die Medienlawine ins Rollen brachte, bleibt dabei kaum mehr als ein wenig Ruhm.

Was kein noch so ausgeklügeltes Marketingkonzept der Region jemals schaffte, ist ganz aus Versehen dem Leiter des Rolling-Stones-Museums in Lüchow gelungen: sein Museum ist seit vergangener Woche weltweit in den wichtigsten Gazetten genannt worden. Allein auf youtube.com gibt es unter dem Stichwort „urinals stones“ vier Videos, die den „freaky german“ Streit durch den Kakao ziehen.

Aber auch seriöse Medien wie die Los Angeles Times oder die Huffington Post berichten über den skurrilen Streit in der deutschen Provinz. Ist gerade so sehr Saure-Gurken-Zeit, dass selbst ein lokaler Streit um Pinkelbecken weltweites Echo hervor ruft? Oder hat ein kleiner Lokalredakteur einen genialen Weg gefunden, lokale Themen weltweit zu platzieren?

Chronologie eines Medienhypes

Die Wahrheit ist weitaus schlichter: Nachdem die Zeitung mit den vier großen Buchstaben den Bericht von Björn Vogt (Generalanzeiger Lüchow) „eingekauft“ und veröffentlicht hatte, hängten sich andere Medien an. Niemand wollte diese skurrile Geschichte verpassen. Gibt sie doch so schön Stoff für Satire: empörte Emanzen, ein Igitt-Thema, das Ganze garniert mit etwas Sex und Rockn'Roll sowie einem Weihnachtsbaum-ähnlich dekorierten Museumsleiter, der sich stur weigert, die Urinale auszubauen. "Sie waren verdammt teuer - und bleiben drin. Basta", wurde Schröder immer wieder zitiert.

So gaben sich NDR, SAT1 und andere Privatsender bei Museumsleiter Ulli Schröder die Klinke in die Hand.

Nachdem dann auch die Deutsche Presseagentur (DPA) eine eigene Mitteilung über die üblichen Verteiler verschickt hatte und SPIEGEL online die Story auf seiner „International“-Seite auf englisch veröffentlicht hatte, rollte die Medienlawine unkontrollierbar um die Welt.

Hier nur eine Auswahl der Medien, die den deutschen Streit aufgriffen: Los Angeles Times, Huffington Post, tmz.com, Politiken (Dänemark), Pakistan Daily Times, TVN24 (Polen), Rolling Stone, TN (Argentinien) usw. usw. - allein asiatische Medien scheinen das Thema noch nicht aufgegriffen zu haben. Letzteres ist allerdings nicht wirklich überprüfbar, da hierzulande kaum jemand asiatische Schriftzeichen zu lesen versteht.

Ein Thema zwischen toten Bräuten und gesegneten Hunden

Doch wer glaubt, dass die Aufregung der Frauenrechtlerinnen nun weltweit ernsthaft diskutiert wird, sieht sich getäuscht. Bei FOCUS Online wird der Streit unter „Das Letzte“ abgehandelt, gleich neben der Meldung über taiwanesische Schweine, die auf 1000 kg gemästet werden, um dann einer Gottheit geopfert zu werden. Bei Huffington Post läuft das Video neben einem Bericht über eine Hochzeit mit einer toten Braut und einer Segnung aller möglichen Haustiere. … und tmz.com lädt in seinem satirischen Video alle ein, nach Deutschland zu fahren, denn „“We got freaky here ...“ (Wir sind abgefahren). Dies übrigens, nachdem am Anfang des Videos Bilder aus dem 2. Weltkrieg eingespielt werden, unterlegt mit der Anmerkung "...dass in Deutschland jetzt eine andere Art Krieg ausgebrochen sei...."

So bekommt der Pinkelstreit „eine Dynamik, die irgendwo zwischen Politik, Kunststreit und Posse angesiedelt ist“, wie es ein Kollege von der Landeszeitung in Lüneburg ausdrückte.

Angesichts dieses weltweiten Hypes war es wohl klug von den Lüchow-Dannenberger Frauenbewegten, ihre Protestaktionen vor dem Stones-Museum nicht mehr fort zu führen. Marianne Jönsson-Olm als Lüchower Gleichstellungsbeauftragte hätte sich wohl nie vorstellen können, mit ihrem Namen bei Google 292.000 Ergebnisse (Stand 5.02.2012) zu erreichen.

Björn Vogt allerdings, der mit seinem Artikel bei der BILD-Zeitung den aktuellen Wahn ausgelöst hatte, wird seinen Enkelkindern erzählen können, wie er „beinahe ganz berühmt wurde und beinahe ganz viel Geld verdient“ hätte.

Foto: Still aus dem tmz.com-Video, in dem Ulli Schröder als Hitler persifliert wird, der unbeirrt auf seinen Klos besteht.




2012-02-05 ; von Angelika Blank (autor),

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