Deutschlandweit müssen über 315 Castorbehälter überprüft werden,
bei denen die Qualitätsprüfung hinsichtlich der Tragzapfen nicht
ausreichend dokumentiert ist. Im Zwischenlager Gorleben betrifft das 28
mit hochradioaktivem Müll befüllte Behälter.
Mitte April hatte das Niedersächische Umweltministerium
mitgeteilt, dass die Qualitätssicherung bei der Herstellung von
Tragzapfen (an denen die über 100 Tonnen schweren Castorbehälter beim
Transport hochgezogen werden) nur unvollständig dokumentiert ist. Am Dienstag ließ sich der Atomausschuss über die Konsequenzen der "Tragzapfenproblematik" und der Legitimität der Pilotkonditionierungsanlage (PKA) berichten.
wnet fragte jenseits des Atomausschusses bei der GNS, der Betreiberin des Zwischenlagers in
Gorleben nach, welche Konsequenzen das Unternehmen aus der
Tragzapfenproblematik gezogen hat und wie es die Genehmigungslage der PKA bewertet.
In einem Gespräch mit
GNS-Pressesprecher Jürgen Auer und Werksleiter Lutz Oelschläger wurde
deutlich, dass im Gorlebener Zwischenlager 28 Castorbehälter stehen, bei
denen die Herstellerfirma die Qualitätssicherung gemäß der
Prüfvorschriften nicht nachweisen kann.
Rein vorsorglich hatte das Niedersächsische Umweltministerium Anfang
April angeordnet, dass die in niedersächsischen Lagern stehenden 58
Behälter bis zur Klärung der Problematik nicht bewegt werden dürfen.
Heißt: sie dürfen in der Halle nicht mehr bewegt werden. Einen durch dies Niedersächsische Umweltministerium verhängten Transportstopp für Castorbehälter hat es dagegen nie gegeben, auch wenn dies fälschlicherweise verschiedene Medien berichtet hatten.
Was ist bis jetzt geschehen?
Das Ergebnis dieser Recherchen liegt seit Mitte März vor: von rund 1100 bereits beladenen und eingelagerten Behältern wurden 315 identifiziert, deren Tragzapfen weiter zu untersuchen sind und für die sogenannte "Tolerierungsverfahren" durchzuführen sind "Im Zwischenlager Gorleben stehen 28 Castorbehälter, bei denen die Herstellerfirma die erforderlichen Sicherheitschecks nicht nach den vorgegebenen Prüfverfahren durchgeführt hat," erklärten Auer und Oelschläger übereinstimmend.
Seitdem werden in der GNS-Zentrale in Essen die tatsächlichen Abweichungen von der Prüfnorm für jeden einzelnen der insgesamt 112 in Gorleben eingebauten Tragzapfen dokumentiert. " Wenn diese Arbeit fertig gestellt ist, wird mit dem Ministerium und der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) zu diskutieren sein, welche Abweichungen von der Prüfnorm tolerierbar sind," so Jürgen Auer. Wie er und Werksleiter Oelschläger erläuterten, geht es darum, dass die Herstellerfirma die Metallstange zur Herstellung der Tragzapfen vor dem Durchtrennen geprüft hat und nicht wie vorgeschrieben die aus der Stange geschnittenen Einzelstücke.
Nach Fertigstellung der genauen Dokumentation der Prüfungsabläufe werden also die Ingenieure des Ministeriums und der BAM entscheiden, ob die Qualitätssicherungsverfahren nachträglich abgesegnet werden können o der nicht. "Die Sicherheit der Castorbehälter in den Zwischenlagern ist auf jeden Fall nicht beeinträchtigt," das hatte die GNS bereits Mitte April mitgeteilt.
Schon bevor das Ministerium die Anordnung herausgab, dass die Castoren in der Halle nicht bewegt werden dürfen, hatte die GNS nach Aussagen von Auer und Oelschläger beschlossen, konkrete Überprüfungen oder eventuell notwendig werdende Reparaturen an den Castorbehältern erst dann vorzunehmen, wenn ein Transport bzw. eine Umstellung geplant ist. "Und das wird in absehbarer Zukunft nicht der Fall sein." Auch hierin waren sich Auer und Oelschläger einig - zumal aus der Endlagerkommission kürzlich zu hören war, dass ein frühester Einlagerungstermin in ein Endlager frühestens im Jahre 2075 möglich sein würde.
Welchem Zweck dient die PKA?
Sollten Castorbehälter tatsächlich repariert werden müssen, so wird dies in der auf dem Gelände der GNS angesiedelten Pilotkonditionierungsanlage (PKA) geschehen. "Dafür ist die Anlage genehmigt und voll betriebsfähig," so Oelschläger. "Sie wird von der Aufsichtsbehörde (dem niedersächsischen Umweltministerium) überwacht. Qualitätsstandards der Anlage wurden dabei nie bemängelt." Die GNS investiere jährlich rund 8 Millionen Euro, um den Qualitätsstandard auf dem Stand der Technik zu erhalten.
Die Ansicht der Bürgerinitiative und Teilen der Kreistagsabgeordneten, dass die PKA-Genehmigung "obsolet" geworden sei, können Auer und Oelschläger nicht teilen. Nach ihrer Meinung entspricht der aktuelle Stand den in der "Vereinbarung der Energieversorger mit der Bundesregierung vom 14.6.2001" festgehaltenen Regelungen. Demnach dürfe die PKA erst dann für die Konditionierung eingesetzt werden, wenn die Bundesrepublik einen Endlagerstandort benannt habe. "Bis dato ist sie laut Genehmigung nur für Reparaturen einzusetzen," so Oelschläger.
Jürgen Auer ergänzte, dass die Anlage für den laufenden Betrieb schon wegen ihrer Kapazität gar nicht geeignet sei. "Wir können in der PKA 35 Tonnen Atommüll pro Jahr konditionieren. Wenn die Endlagerung beginnt, müssen aber nach heutigem Stand 11000 Tonnen bearbeitet werden. Mit der jetzt bestehenden PKA würde es also 315 Jahre dauern, bis der in Deutschland vorhandene Atommüll eingelagert wäre."
Für Auer und Oelschläger ist die jetzige PKA eine "Forschungs- und Enwicklungseinrichtung", die neben ihrer Bereithaltung für eventuelle Reparaturfälle "demonstrieren soll, dass es möglich ist, hochradioaktiven Abfall in Endlagergebinde zu verpacken".
Könnte die PKA nicht reduziert werden, wenn sie sowieso nur für Reparaturen eingesetzt werden kann? "Da müssten zunächst die Energieversorgungsunternehmen zustimmen, die ja die Anlage finanzieren," so Oelschläger. "Im Grunde ist es aber nur die Zerlegezelle, die zurückgebaut werden könnte, wenn eine Konditionierung in dieser Anlage nicht mehr geplant ist." Alles andere, Gebäude, Infrastruktur, Energieversorgung müssten aufrecht erhalten werden. "Auch die rund 1000 Qualitäts- und Sicherheitsprüfungen jährlich müssten weiterhin durchgeführt werden," sind Auer und Oelschläger überzeugt.
Foto(Archiv): Andreas Conradt/ Ankunft der Castoren beim Castortransport 2011