Seit beinahe 25 Jahren besitzt die Region einen Kulturschatz, der mit viel Liebe und Aufwand ständig weiter entwickelt wurde: das Archäologische Zentrum in Hitzacker. Doch knappe Kassen und fehlende Wertschätzung könnten dem Kleinod an der Elbe bald den Garaus machen.
1990 war das Gelände an der Elbuferstraße noch eine einzige Wüste: Sandhügel wechselten sich ab mit tiefen, exakt ausgeschnittenen Gruben, in denen ArchäologInnen und StudentInnen letzte Fundstücke suchten und sicherten. Damals gab es noch einen Kreis-Archäologen, Dr. Arne Lucke. Bezahlt vom Landkreis, sorgte Lucke dafür, dass die Vergangenheit nicht völlig in Vergessenheit geriet und organisierte mit viel Elan schon zu Grabungszeiten Angebote für die Öffentlichkeit. Lucke war es auch, der die Idee zur Gründung eines Freilichtmuseums über die Bronzezeit hatte. Damals war es das erste seiner Art in Deutschland.
Noch heute gibt es neben den Pfahlbauten-Museum am Bodensee und einzelnen restaurierten Langhäusern nur einzelne, wesentlich kleinere museale Anlagen, die Einblick in die Bronzezeit geben. Auf den Internetseiten des Bronzezeithofs Uelsen (bei Nordhorn) wird das AZH als "das Bronzezeit-Freilichtmuseum überhaupt" angepriesen.
Seit 1990 ist viel geschehen. Die Grabungsplätze wurden geschlossen, das Gelände begrünt. Drei bronzezeitliche Langhäuser wurden im Laufe der Jahre nachgebaut und zu Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Übernachtungshäusern ausgebaut. Ein Eingangsgebäude mit Museumsshop und kleiner Gastronomie bietet Service für die Gäste. Um dem Besucher einen anschaulichen Eindruck der bronzezeitlichen Umwelt und Pflanzenwelt zu vermitteln, wurden ein Naturlehrpfad, ein Feldbauareal, ein Teichbiotop sowie ein Kräuterhort angelegt. Im Freigelände bietet sich an zahlreichen Stellen für den Besucher, insbesondere Kinder und Schulklassen, die Möglichkeit, selber aktiv zu werden.
Auch die völlige Zerstörung eines Langhauses durch Brandstiftung im Sommer 2008 konnte das AZH noch auffangen - das Gebäude war ausreichend versichert und konnte deshalb wieder aufgebaut werden.
Millionensummen in den Sand gesetzt?
Alles in allem sind im Laufe der Jahre millionenschwere Investitionen in das AZH geflossen - bezahlt aus öffentlichen Geldern, Versicherungsentschädigungen, Spenden, Eintrittsgeldern und Verkäufen. Land, Landkreis, die Stadt Hitzacker und diverse Förderinstitutionen sorgten für Aufbau und Erhalt des Archäologischen Zentrums.
Heute präsentiert sich das AZH als liebevoll ausgebaute grüne Oase, in der sich ein Dorf der Langobarden-Zeit mühelos nacherleben lässt - für jede/n Geschichtsinteressierte/n ein Kleinod. Eine attraktiv gestaltete Ausstellung bietet zudem Aufklärung über die Geschichte von Langobarden und Slawen.
Zu besten Zeiten waren es rund 16 000 Gäste, die das AZH besuchten - Touristen ebenso wie Einheimische. Das war um 2004. Im Jahre 2010 kletterten die Besucherzahlen dann noch einmal auf 13000 - von da an ging es kontinuierlich bergab.
Gründe? 2010 war das Jahr, in dem der Landkreis beschloss, dem AZH die jährliche Förderung von 35000 Euro zu entziehen. Das AZH wurde an die Stadt Hitzacker abgegeben, die wiederum seit der Kreisreform zur Samtgemeinde Elbtalaue gehört - die ebenso wie der Landkreis von ständig klammen Finanzen geplagt ist.
Es gibt also kein Geld für die einzige überregional interessante Einrichtung, die Möglichkeiten für vielerlei Attraktionen bietet. Die "Tage der lebendigen Archäologie" - ein Highlight im Jahresprogramm des AZH - sind schon lange gestrichen. Andere Events können nicht entwickelt und durchgeführt werden, weil das Geld fehlt. Inzwischen hat das AZH lediglich 5000 Euro im Etat, um überregional Werbung und Öffentlichkeitsarbeit zu machen.
Mit diesen Mitteln ist es nicht einmal möglich, die sowieso vorhandenen Angebote zu bewerben. Hochzeiten und Familienfeiern, Seminare, Aktionsangebote für Schulen und Gruppen, Erlebniswochenenden im slawischen Dorf - für all diese "Events" ist die Struktur geschaffen, doch die Welt wird davon kaum etwas erfahren, da das Geld für die Bewerbung fehlt. Immerhin gelang es in diesem Jahr den "Alten Markt" zu etablieren, auf dem in der Saison einmal im Montag regionale Produkte angeboten werden.
Wer sagt JA zum AZH?
Allein die unendlich lange Bearbeitungszeit für die Genehmigung der Übernachtung im Langhaus zeigt, wie wenig den Kommunalvertretern auf allen Ebenen bewusst ist, welche Möglichkeiten das AZH bietet. Auch bei der Sitzung des Ausschusses der Stadt Hitzacker wurde am Dienstag erneut überdeutlich, wie schwer sich die Stadt mit "ihrem" AZH tut. Nicht an einer Stelle blitzte Elan und leidenschaftliches Engagement für den Erhalt ihres Schatzes durch.
Die Aussicht, mit der Machbarkeitsstudie zu einer neuen Trägerstruktur zu kommen, durch die der Stadt Hitzacker ein jährliches Defizit von 45 000 Euro erspart, schien den Abgeordneten weitaus wichtiger zu sein, als die Trauer darum, ein Jahrzehntelang gewachsenes Erlebniszentrum von kultureller und geschichtlicher Bedeutung womöglich zu verlieren.
Aber in einem Punkt haben die Abgeordneten recht: es kann nicht angehen, dass ein für die gesamte Region attraktive Einrichtung wie das AZH allein auf den Schultern der Stadt Hitzacker (und damit der Samtgemeinde Elbtalaue) lastet. Es wird Zeit, dass sich endlich alle an Regionalentwicklung und Tourismus Beteiligten klar und deutlich für den Erhalt des AZH engagieren - und sei es durch die Beteiligung an einem Zweckverband, in den Jede/r soviel einzahlt, wie es die eigenen Möglichkeiten hergeben. Da sind die anderen Samtgemeinden ebenso gefragt wie die Elbtalaue-Wendland-Touristik und die Fremdenverkehrsvereine der ganzen Region.
Am AZH könnte sich die neu angedachte Struktur der gemeinsamen touristischen Entwicklung und Vermarktung ganz konkret erproben: Wir üben jetzt einmal, eine Einrichtung gemeinsam zu erhalten und zu bewerben, die nicht in meinem Samtgemeinde-Bereich liegt. Und Hitzacker könnte üben, die Angebote der anderen Samtgemeinden seinen Gästen ebenso bekannt zu machen wie die eigenen. Auf Dauer würde so eine Perlenkette der attraktivsten Angebote der Region entstehen, die tatsächlich über e i n e Organisation nach außen vermarktet werden würde.
Dafür braucht es allerdings zunächst die klare Entscheidung, dass das AZH eine überregional wirkende, interessante touristische Einrichtung ist, die es um jeden Preis zu erhalten und auszubauen gilt.
Foto / Angelika Blank: Das AZH ist ein attraktives Ziel für Ausflüge - wie hier beim "Alten Markt", der in diesem Jahr eingerichtet wurde.